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T.G. Copperfield: Menschlichkeit im Steppenwolfspelz

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T.G. Copperfield: Menschlichkeit im Steppenwolfspelz

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Es liegt wohl im Kern der menschlichen Existenz, Dinge zu erfinden und sie erst später zu begreifen. Die unvorstellbare Wirkungsmacht der künstlichen Intelligenz ist ein brandaktueller Beweis für diese These, dringt sie doch immer mehr in den kreativen Bereich vor und lässt zahlreiche Künstler*innen mit Fragezeichen zurück. Was, wenn die KI künftig Musik und Kunst übernimmt? Wenn niemand mehr zwischen Mensch und Maschine unterscheiden kann? Wenn die letzte Bastion des Menschlichen, die Emotionen, künstlich generiert werden? Wenn Musik noch mehr zum Eintags-Konsumprodukt verkommt? Wie gehen Musikliebhabende damit um?

Zum Beispiel so wie T.G. Copperfield auf seinem neuen Studioalbum STEPPENWOLF, das ohne Click, Netz und doppelten Boden komplett live, innerhalb nur 15 Stunden, eingespielt wurde. „Der Automatisierungsgrad in unserer Gesellschaft nimmt zu, auch im künstlerischen Sektor“, so der Oberpfälzer. „Das treibt mich um. Die meisten wissen gar nicht mehr, wie etwas klingt, das normal aufgenommen wurde und nicht tot digitalisiert ist. STEPPENWOLF ist extrem ehrlich. Das ist das erste mal, dass der Gesang live mitgeschnitten wurde, während ich Gitarre spiele. Ich habe mich da ein wenig an den letzten Alben von Neil Young orientiert – der will ein Gefühl auf Tape bringen. Dem ist das scheißegal, ob das perfekt ist. Und das finde ich geil. Es geht mir wirklich nicht darum, dass jemand sagt: ‚Der hat aber alles ganz schön gerade gespielt!’“, lacht der Sänger, Gitarrist und Songwriter.

Ursprünglich geplant als eine Art „NEBRASKA-Ding“, wurden Copperfields Bandkollegen dann doch miteinbezogen: „Wir haben uns vorher einmal getroffen, damit jeder wusste, wie der Plan aussieht. Dann sind wir Richtung Osnabrück gefahren, in die Mühle der Freundschaft, das Studio von Marcus Praed von Tito & Tarantula. Es war eine schöne Erfahrung, aus dem normalen Studioprozess rauszukommen und eine Stimmung einzufangen.“ Die Menschlichkeit auf STEPPENWOLF – als Kontrast zur digitalen Perfektion – artikuliert sich in kleinen, wundervollen Unebenheiten.

Und in dem Narrativ des getriebenen Steppenwolfs, das für Copperfield schon immer eine Rolle spielte: „In vielen meiner Songs kämpft sich der Protagonist durch die Umstände. Der Steppenwolf steht für Einsamkeit, innere Zerrissenheit, Selbstbeobachtung. All das spielt bei meinem Songwriting eine große Rolle. Ich bin kein einsamer Typ, aber das Schreiben ist bei mir eine einsame Angelegenheit. Ich sitze alleine in meinem Raum und bin meinen Gedanken ausgesetzt. Ich versuche, jene Seite von mir übernehmen zu lassen, die man im Alltag unterdrücken muss. Ein therapeutischer Prozess, sehr selbstreinigend.“

Neben diesem steppenwölfischen Arbeitsmodus zieht der Musiker außerdem Parallelen zwischen unserer Zeit und jener Ära, in der Hermann Hesse seinen berühmten Roman verfasste: „Die Geschichte war Hesses Reaktion auf die Zeit damals. In den späten 20ern, nach dem Krieg, kurz vor dem nächsten Krieg, gab es viele technische Neuerungen, es herrschte Orientierungslosigkeit. Ich habe das Gefühl, dass es heute ähnlich ist. Hesse war damals 50 Jahre alt. Ich bin nun auch schon über 40, vielleicht ist das ein Lebensalter, in dem man sich die Frage stellt, wohin die ganze Scheiße eigentlich geht.“, so Copperfield nachdenklich und trotzdem mit einem diese harte Realität abfedernden Lachen auf den Lippen.

Genießen sollte man STEPPENWOLF am besten – dem Grundgedanken entsprechend – physisch, auf CD, vor allem auch wegen des ansprechend und durchdacht gestalteten Booklets, bei dem sein Grafiker die eigene Steppenwolf-Passion voll ausleben konnte. Ach, und eines noch: T.G. Copperfield wäre nicht T.G. Copperfield, hätte er in der letzten Zeit nicht noch ein zweites Album aufgenommen. Aber davon soll ein andermal erzählt werden…


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