Ihr Album TRES HOMBRES verwandelte ZZ Top von der „little ol’ band from Texas“ in ein Phänomen. Zudem definierten sie damit den Sound des texanischen Blues und setzten den Lone Star State so wieder auf die musikalische Landkarte.
1973 nahmen ZZ Top einen Boogie im Stil von John Lee Hooker für jene Platte auf, die zu ihrem bahnbrechenden dritten Album TRES HOMBRES werden sollte. Angetrieben von einem Rhythmus, der Betonmauern hätte durchbrechen können, wurde ›La Grange‹ seither von Gitarrist und Bandchef Billy Gibbons als „prägender Moment“ beschrieben. Es hätte kaum zu einem besseren Zeitpunkt entstehen können. Blues war in Texas kaum noch präsent, die alte Garde schleppte sich zwischen den immergleichen alten Clubs hin und her und die größte Hoffnung des Lone Star States, Johnny Winter, war nach Norden gezogen, um ein Publikum zu finden. ZZ Top – Billy G, Bassist Dusty Hill und Schlagzeuger Frank Beard –, in der Zeit ohne Bärte, aber mit ihren „Nackt“-Anzügen, waren somit die Letzten, die die Stellung hielten. Und als Gibbons diese Hookeresken „How, how, how, how“s auf ›La Grange‹ intonierte, gab es keine Zweifel daran, dass die „little ol’ band from Texas“ nicht daran dachte, die weiße Fahne zu hissen. TRES HOMBRES brachte den Texas-Blues ins kollektive Bewusstsein – und definierte den Sound des ganzen Bundesstaates für den Rest der Welt. Alles, was die Band bis dato getan hatte, war quasi die Vorbereitung auf die Veröffentlichung jenes Albums gewesen. „Dusty und ich spielten mit American Blues in Dallas, Billy mit den Moving Sidewalks in Houston“, erzählte Beard über die Wurzeln des Trios.
„Wir wussten natürlich voneinander, und als die Zeit kam, in der ich einen Job suchte, fuhr ich in einem Volkswagen mit einem Drumkit nach Houston und sagte: ‚Hey, stellt mich ein!‘ So lernte ich Billy kennen.“ Hill fährt fort: „Ich zog nach Houston und wusste nicht, dass Frank dort war. Als ich in irgendeinem Club spielte, kam er zufällig rein. Er sagte: ‚Du musst vorbeikommen, um mit diesem Typen [Gibbons] zu spielen‘, und ich sagte, ‚okay‘.“ „Später entschuldigte ich mich dafür“, sagt Beard mit einem Lachen. Die Dinge kamen für ZZ Top ins Rollen, als der texanische Musikimpresario Bill Ham sie zufällig entdeckte und seine Dienste als ihr Manager anbot. Zudem wurde er auch zum Produzenten ihrer Alben. „Er lief am Proberaum vorbei und wir machten gerade ordentlich Lärm“, erinnert sich Gibbons. „Ihm gefiel, was er da hörte, gab jedem von uns eine Zigarre und sagte: ‚Jungs, ich werde euch zu Stars machen!‘“ „Dass er zu der Zeit gerade John Mayall als Gast bei sich zu Hause hatte, schadete natürlich nicht“, so Beard. „Das beeindruckte uns.“ Ham sagte die richtigen Dinge und behauptete, dass er ihnen zu einem Vertrag bei London Records verhelfen könnte. „Die Rolling Stones waren bei London gewesen und wir fanden das richtig cool“, so Hill. „Also machte Ham da oben sein Ding und brachte uns auf das Label. Wir nahmen das erste Album auf und gingen damit auf Tour.“ Dank seines neuen Managers fand das Trio ein neues Zuhause in The Warehouse, einer 2.800 m² großen Musikhalle in der
Tchoupitoulas Street in New Orleans. Grateful Dead, Fleetwood Mac und The Flock hatten das Warehouse im Januar 1970 eröffnet, und Jim Morrison hatte dort sein letztes Konzert mit den Doors gespielt. The Dead und die Allman Brothers wurden vom NOPD hochgenommen, als sie in die Stadt kamen, um dort aufzutreten. Mittlerweile abgerissen, war es Erzählungen zufolge ein äußerst lebendiger Laden. „Es war der heißeste Club der Stadt“, erinnert sich der örtliche Musiker Deacon John Moore. „Die Leute zündeten Joints an und niemand sagte etwas. Es war wie im Himmel.“
Gibbons: „Als wir das erste Mal dort spielten, flog das Dach weg …“
Hill: „Wir dachten, das hätten wir verursacht!“
Gibbons: „Ein Hurrikan war über New Orleans gezogen und hat tatsächlich das Dach über unseren Köpfen weggerissen. Wir wussten, dass wir den richtigen Ort zum Spielen gefunden hatten!“
„Bill haute den Besitzer Don Fox übers Ohr, um uns dort spielen zu lassen“, fährt Hill fort. „Er kannte uns nicht wirklich. Und es war Mardi Gras, also war alles in New Orleans ausgebucht. Wir schliefen im Club oben in der Garderobe. Don Fox war misstrauisch und setzte eine Wache auf uns an, damit wir keine Frauen mitbringen konnten.“
ZZ Top hatten vor TRES HOMBRES zwei Alben veröffentlicht: ZZ TOP’S FIRST ALBUM 1971 und RIO GRANDE MUD im Jahr darauf, beide von Manager Bill Ham produziert. Während der Arbeit an ihrem Drittling begegneten sie erstmals dem Produzenten, Songwriter, Fotografen, Tontechniker und Künstler Terry Manning. Ein kurzer Blick auf seinen ausladenden Lebenslauf verrät, dass er Teil des Produktionsteams von Stax Records in Memphis war, das die Staple-Singers-Klassiker ›Respect Yourself‹ und ›I’ll Take You There‹ veredelt hatte. Billy Gibbons fand noch viel besser, dass Manning als Tontechniker am dritten Album von Led Zeppelin gearbeitet hatte. „Ich war ein großer Fan [von ZZ Top]“, erzählte Manning im Magazin The Blues. „Die ersten beiden Platten hatten mir sehr gut gefallen und ich hatte tatsächlich meine Fühler ausgestreckt, um die Band wissen zu lassen, dass ich daran interessiert war, mit ihnen zu arbeiten. Und wie sich herausstellte, hatte Billy Gibbons gehört, dass ich das so erfolgreiche LED ZEPPELIN III als Tontechniker betreut und im Wesentlichen abgemischt hatte. Billy liebte den Klang der Platte und er hatte seinerseits versucht, mit mir in Kontakt zu treten, um eine Zusammenarbeit vorzuschlagen. Ich war also nicht überrascht von der Qualität der Songs, die sie spielten, oder von ihrem Sound. Ich war ja schon ein Fan. Und es ist immer großartig, wenn man an etwas
arbeiten kann, das man so liebt.“ Manning hatte bereits eine klangliche Vision für sein Debüt mit ZZ Top im Kopf.
„Ich wollte, dass sie kraftvoll und tight klingen, und so klar wie möglich. Die Philosophie dahinter war, dass es ganz offensichtlich bluesbasiert war und sie eine Version im Rock’n’Roll-Stil eines so reinen Blues spielten, wie man ihn in dieses Format nur bringen konnte. Und ich denke, dieses ganz bestimmte Ding machen sie besser als jemals irgendjemand sonst. Ich wollte das Blueselement bei- behalten, diese dreckigen, erdigen Klänge, die nicht perfekt sind. Doch ich wollte es in dieses sehr technische Gerüst einbetten, in dem die Dinge in gewisser Hinsicht – klanglich, in ihrem Timing – perfekt sind. Wenn man zwei gegensätzliche Pole so zu verbinden versucht, kann das manchmal zu einem Desaster werden, aber ich denke, in unserem Fall hatten wir Glück und es funktionierte. Für mich ist das Album eine Riesensache, wenn ich es mir heute anhöre. Es ist groß, kraftvoll und es klingt hart. Es erreicht genug klangliche Reinheit, um mich auf dieser Ebene zu befriedigen, aber es ist auch sexy, dreckig und funky. Ich denke, es bringt die beiden Seiten ziemlich gut zusammen. Mein erstes Treffen war mit Billy und Bill Ham gewesen, nicht mit der ganzen Band. Billy brachte die Tonbänder mit. Der Eindruck, den man bekommt, wenn man Billy trifft – damals und wahrscheinlich auch heute –, war immer, dass er ein unglaublich intelligenter Mensch ist. Natürlich ist er ein Verrückter – auf eine gute Art! Wir im Musikgeschäft sind alle Verrückte. Er hat seinen eigenen exaltierten Stil, seine ganz eigene Art, Dinge zu tun, doch dahinter steckt ein sehr intelligenter, philosophisch verwurzelter Mensch, der an der Welt interessiert ist, an den nicht greifbaren Dingen ebenso wie an denen, die man sehen und anfassen kann. Und das zeigt sich meiner Meinung nach in seinem Songwriting und vor allem in seinem Spiel. Das hat große Tiefe. Es war also beeindruckend, ihn kennenzulernen. Und Bill Ham war natürlich dieser unglaublich gerissene Geschäftsmann. Er wusste genau, was er tun wollte, um die Band im Musikbusiness immer weiter aufs nächste Level zu heben.“ (Text: Redbeard & Henry Yates. Aus CLASSIC ROCK #105)