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Zeitzeichen: Judas Priest SIN AFTER SIN

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Zeitzeichen: Judas Priest SIN AFTER SIN

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Im Jahr 1977 touren Judas Priest im Vorprogramm von REO Speedwagon durch Amerika. „Für mich war das etwas ganz Besonderes“, sagt Rob Halford, „denn als Kind liebte ich Cowboy- und Indianer-Geschichten. Ich träumte schon immer von der Weite der Landschaft im Südwesten Amerikas . Also da, wo Adler am Horizont zwischen Gebirgsengpässen und strahlend blauem Himmel ihre Kreise ziehen. Als ich das erste Mal in Arizona die Sonora-Wüste sah, deckte sich das mit meinen Erinnerungen, die ich als Kind hatte.“ So zog der Metal-God ins Paradise-Valley in die Nähe von Phoenix – auch, um der Tristesse in den britischen Arbeitervierteln zu entfliehen. „Die Atmosphäre meiner Heimatstadt mit den riesigen Stahlwerken hatte etwas Bedrückendes. Auf meinem Schulweg kam ich an einem Walzwerk vorbei, wo Tag und Nacht Stahl gekocht wurde. Diesen Geruch trage ich seit Kindertagen mit mir herum. Die Ecke, wo mein Elter nhaus stand, war geprägt von Eintönigkeit, grauem Himmel und kleinen Hinterhof-Schluchten. Kein Wunder, dass in unserer Stadt Black Sabbath das Heavy-Metal-Genre begründet haben – diese Tristesse war einfach der perfekte Ort für die gespenstischen Riffs von Tony Iommi.“ Halford, der im einfachen Malocher-Viertel von Walsall (16 Kilometer nördöstlich vom Stadtzentrum Birminghams) aufwuchs, hatte natürlich auch Working-Class-Wurzeln, und sein Vater Barrie hat sein Leben lang in einem Stahlwerk gearbeitet.

„Meine Eltern haben mich immer in meinen Wünschen unterstützt, Musiker zu werden. Mein Vater wusste ja, dass mir die Montan-Industrie nicht viel bieten konnte – außer einem grauen Alltag. Und wenn ich an ‚Metal‘ dachte, schwebte mir die Musikrichtung vor – und nicht ein Knochenjob am Stahlofen .“ Mit ihrem dritten Album SIN AFTER SIN geht es einen gewaltigen Schritt nach vorne. Die Gruppe wird von CBS gesignt, und dank einem gehörigen 60.000 Pfund schweren Vorschuss von der Plattenfirma lassen alle ihre Nebenjobs fallen. Gitarrist K.K. Downing malochte bislang für eine Stahlfabrik, Rob Halford arbeitete als Bühnenarbeiter, Bassist Ian Hill war Truckfahrer und Glenn Tipton jobbte in einer Gärtnerei. Und nicht nur das, das Geld reicht sogar für eine dicke Produktion in den Londoner Ramport Studios, die damals The Who gehören – und on top gibt es Roger Glover von Deep Purple als Produzenten. Außerdem sitzt mit Simon Phillips noch ein geübter Studio-Musiker hinter der Schießbude und spielt die Drums ein.

„Es fühlte sich an, als würden wir eine Fantasiewelt betreten“, erklärt Halford. Und mit dieser Platte im Rücken geht es dann zum ersten Mal auf Tour über den großen Teich. Doch hier tingeln sie von einem Unglück zum nächsten. In New York erleben sie mitten in der Nacht einen Stromausfall – Rob Halford und K .K . Downing schlafen in einem Hochhaus-Hotel im 20. Stockwerk und teilen sich ein Doppelzimmer. Sie tappen im Dunkeln auf der Nottreppe herunter und sammeln sich in einer Menschentraube vor der Rezeption, bis der Spuk vorüber ist. „K.K. hatte ein Päckchen Streichhölzer dabei – im Treppenhaus haben wir alle zehn Meter eins davon angezündet, weil wir wirklich überhaupt nichts sehen konnten“, sagt der Priest-Sänger. Ein paar Tage später begrüßt Halford das Publikum in Detroit mit den Worten „Hello Cleveland“. Es ist manchmal fast wie bei „Spinal Tap“.

Kevin Cronin von REO Speedwagon erinnert sich: „Als sie damals bei uns im Vorprogramm spielten, wurden sie als eine Art straighte AOR-Rockband von ihrer Plattenfirma vermarktet.“ Sie tragen noch Blumenhemden und Schlaghosen – und zielen mit der Joan -Baez-Cover version ›Diamonds And Rust‹ auf den amerikanischen Mainstream-Markt. Doch dann kam es noch mal anders, wie sich Kevin Cronin erinnert: „Nach ein paar Jahren erkannte ich sie kaum wieder: Rob kam mit der Harley auf die Bühne und alle trugen Lederanzüge. Es wirkte durch und durch martialisch. Aber ihr musikalisches Programm war stark und sie waren auch schon bei ihrer ersten US -Tour eine Band mit viel durchdringender Power. Mir gefällt es immer, wenn die Formation, die vor uns auftritt, eine atemberaubende Performance hinlegt. Denn das hat uns selbst immer gefordert, uns noch mehr reinzuhängen und dann auch irgendwie besser zu werden.“ Halford kommt die Idee, dass sich die ganze Gruppe in schwarzes Leder kleidet, übrigens dank Elvis Presley: „Der King trug bei seinem legendären Comeback-Special-Konzert im Jahr 1968 einen schwarzen Lederanzug. Darin wirkte er sehr gefährlich. Und das wollten wir natürlich auch sein.“

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