Viele fürchten sich schon, wenn sie auch nur in die Nähe einer Yngwie Malmsteen-Platte kommen. Unberechenbare, wenngleich geniale Gitarrenattacken sind auf den Scheiben des Schweden an der Tagesordnung. Doch er ist kollegialer, als sein Ruf glauben machen will.
Über Yngwie Malmsteen kann man herrlich lachen: Sein hemmungslos egomanisches Getue auf und abseits der Bühne, sein irrwitziges Gitarrenspiel, all die Klischees eines echten Superheroes alter Schule, der in seiner Freizeit mit rotem Ferrari durch Miami kurvt und auch bei Regen die coole Sonnenbrille auflässt – man müsste den Mann erfinden, wenn es ihn als Kunst- und Realfigur nicht schon gäbe. Aber: Es lässt sich auch ganz herrlich mit Malmsteen lachen. Denn der Mann hat Humor, ist selbstironisch und weiß, dass er im Grunde genommen eine Nervensäge ist – wenn auch eine hochtalentierte. „Anfang der Achtziger war ich gerade erst 17, und alle Welt hasste Gitarrensoli“, erinnert sich der 47-Jährige, „aber mir war’s egal: Wann immer ich eine Gitarre in die Hand bekam, dudelte ich so lange, bis alle entnervt den Raum verlassen hatten.“
Seine Umwelt nannte ihn – halb bewundernd, halb despektierlich – erbarmungslos, auf Englisch: „relentless“. Und auf genau diesen Namen hört auch sein neuestes Album, eine Wundertüte voll klassischer Noten, die in aberwitziger Geschwindigkeit aufeinander folgen und nur mäßig Rücksicht auf den Sänger seiner Songs nehmen. Dass der aber immerhin Tim „Ripper“ Owens heißt und sich vor zehn Jahren als Nachfolger von Rob Halford bei Judas Priest einen Namen macht, stört Malmsteen in seiner musikalischen Mitteilungswut nicht. Mehr noch: „Tim ist einfach wunderbar, ein sagenhafter Sänger und unglaublich netter Typ“, lobpreist ihn Malmsteen, „und er ist in der Lage, das neue Material perfekt zu singen und auch die älteren Stücke so klingen zu lassen, wie sie ursprünglich gedacht waren.“ Ursprünglich gedacht waren – wie bitte? „Nun, Joe Lynn Turner ist sicherlich auch ein toller Vokalist“, blickt Malmsteen auf seine gemeinsame Zeit mit dem ehemaligen Deep Purple/Rainbow-Frontmann zurück, „aber seine Stimme klingt nun einmal poppig, während meine Songs im Metal angesiedelt sind. Das passte damals nicht immer. Mit Tim am Mikro dagegen zeigen die Stücke nun endlich ihre wahre Qualität.“
Und in der Tat: Es ist die schneidige Stimme des Amerikaners Owens, die RELENTLESS vor dem Gitarrenkollaps bewahrt. Wie gewohnt ergeht sich Malmsteen in einem Vulkanausbruch aus Noten, Skalen, Arpeggios, klassischen Zitaten und orgiastischen Tonleitern. Owens hält mit seiner Stimme dagegen und zeigt immer dann, wenn ihm der Meister dies zubilligt, dass die Stücke durchaus kompositorische Güte besitzen. Da fragt man sich als Unbeteiligter, weshalb der Schwede bei solch fabelhaften Talenten seines Sängers dennoch bei einer Nummer das Mikro selbst in die Hand nahm. „Das liegt am heutigen Aufnahmeverfahren“, entschuldigt sich Malmsteen, „ich produziere alles im eigenen Studio. Wenn mir gerade danach ist, dann trällere ich die Melodie selbst ein und schaue, ob sie zum Song passt.“ Und siehe da: Sie passt, denn der Meister hat durchaus ein passables Stimmorgan. Das aber sollte man ihm um Gottes Willen nicht sagen – die Folgen wären vermutlich unkontrollierbar.