Mit HEAVEN & EARTH hat die britische Prog-Rock-Legende Yes ein neues Album am Start. Da Originalsänger Jon Anderson wieder nicht dabei ist, wird auch diese Scheibe garantiert kontrovers diskutiert werden, egal wie überzeugend der neue Mann Jon Davison die Nachfolge angetreten hat. Gitarrist STEVE HOWE stellt sich dennoch geduldig den Fragen.
Ob HEAVEN & EARTH das nächste große Yes-Album geworden ist? Man weiß es nicht, nein falsch: ER weiß es nicht. „Wenn eine Scheibe fertig ist, brauche ich immer erst einmal Abstand“, gesteht Steve Howe, Gitarrist und einer der wichtigsten Komponisten der Band. „Ich brauche diesen Abstand nicht etwa, weil ich möglicherweise enttäuscht oder desillusioniert bin, sondern weil die Produktion eines Albums so viel Kraft und Konzentration erfordert, dass meine Akkus anschließend leer sind. Erst nach etwa sechs Monaten bin ich so weit, mir das Ergebnis in seiner Gesamtheit anzuhören. Und erst dann weiß ich, ob es ein großes Yes-Album geworden ist. Oder nur ein durchschnittliches.“
Howe gehört mit zwei längeren Unterbrechungen bereits seit 1970 zu Yes. Er hat die goldene Ära der 70er miterlebt, als nicht nur diese Musikrichtung ihre Blüte erlebte, sondern Alben wie YES (1971) und CLOSE TO THE EDGE (1972) unabhängig vom Zeitgeist ganz besondere Musik hervorbrachten. An der wird die Gruppe heute noch gemessen, sie besteht den test of time auch anno 2014 mühelos. „Man kann die Musik dieser Band nicht nach gängigen Formaten beurteilen“, sagt der 67-Jährige. „Normalerweise würde ich immer behaupten, dass man gute Songs daran erkennt, ob man sie auch am Klavier spielen kann. Für Yes trifft dieses Kriterium aber nicht zu. In unseren Songs gibt es neben schönen Melodien immer auch ein Faible für musikalische Dramatik, für Klassik, für Jazz. Es ist diese Mischung, die – wenn sie gut gelungen ist – zu einem großen Yes-Song führt.“
Vergessen darf man in diesem Zusammenhang allerdings nicht die essentielle Bedeutung des jeweiligen Yes-Sängers. Okay, über Jon Anderson kann die Band zurzeit nicht verfügen. Ob es jemals wieder eine Annäherung der getrennten Parteien geben wird, man weiß es nicht. Gerüchte über ein Projekt der beiden ehemaligen Yes-Protagonisten Anderson und Organist Rick Wakeman lassen vermuten, dass das Tischtuch auf lange Sicht zerschnitten bleibt.
Vergangenheit ist mittlerweile aber auch schon wieder Benoit David, der die Nachfolge Jon Andersons nach dessen gesundheitlich begründeten Rückzug im Sommer 2008 angetreten hatte und auf FLY FROM HERE (2011) sein Bestes gab. Gereicht hat es letztendlich nicht, weder für Yes noch für den Kanadier David. Howe: „Er fühlte sich in Europa nicht wohl. Ihm war es zu laut auf der Bühne. Er hatte Stimmbandprobleme. Was soll ich sagen? Er wollte einfach nicht mehr. Trägt er daran die alleinige Schuld? Nein, sicherlich nicht. Mehr gibt es dazu einfach nicht zu sagen.“