Uriah Heep haben viel erlebt seit ihrer Gründung im Jahr 1969. Auch nach fast 50 Jahren on the road sind die Briten noch immer unermüdlich und veröffentlichen dieser Tage mit LIVING THE DREAM ihr 25. Studioalbum. Und ein Ende ist nicht in Sicht. Oder doch? Mick Box (Gitarre) und Phil Lanzon (Keyboard) über positives Denken, den Sänger-Thesaurus und die Unmöglichkeit einer Abschiedstour.
Wie ist es euch seit dem letzten Studioalbum OUTSIDER ergangen?
Mick Box: Wir haben in über 61 Ländern gespielt, was wohl mehr als die Hälfte der Welt ist. Das ist beeindruckend. Aber es ist unser Leben. Wir sind eine Tour-Band.
Lebt ihr so euren Traum?
Phil Lanzon: Ja, über die Jahre haben viele Leute genau das zu uns gesagt. Daher lag dieser Albumtitel in der Luft. Es ist kein anmaßender Titel, sondern ernst gemeint.
Ihr spielt von jeher auf einem sehr hohen Level. Gibt es auch beim 25. Studioalbum noch Raum für Verbesserungen?
Mick Box: Auf jeden Fall. Man ist nie zu einhundert Prozent zufrieden. Wichtiger ist, dass man ein gutes Gefühl hat, wenn man ein Album abschließt. Und danach versucht man eben wieder bessere Songs zu schreiben. Es gibt heutzutage zwei Arten, ein Album zu produzieren. Entweder zuhause im Heimstudio oder man nimmt Geld in die Hand, bucht ein gutes Studio und lässt die Band alles live einspielen. Genau das haben wir getan.
Probt ihr viel, bevor ihr ins Studio geht?
Mick Box: Wir haben eine zweiwöchige Vorproduktion gemacht. Anschließend haben wir einen Teil der Songs zu Jay Ruston nach Los Angeles geschickt, bevor wir mit ihm in die Chapel Studios in Lincolnshire gegangen sind. Dort haben wir in 19 Tagen alles aufgenommen. Wir hatten noch weitere zwei Wochen gebucht, brauchten diese aber nicht.
Wie geht ihr beim Songwriting vor?
Mick Box: Phil und ich schreiben die meisten Songs. Die Musik entsteht zuerst und dann die Texte. Wir beiden haben jeweils einen Haufen Ideen, fügen diese zusammen und sehen, was harmoniert. Daraus entwickeln sich langsam Songs, bis ganz am Ende die Texte dazu kommen.
Schreibt ihr mehr Songs für ein Album, als letztlich veröffentlicht werden?
Mick Box: Ja, durchaus. Aber diesmal waren wir sehr effizient. Es gibt ein paar längere, progressive Songs auf der Scheibe. Generell lassen wir die Ideen einfach fließen und am Ende steht ein Album.
Phil Lanzon: Wir wollten einfach nur ein gutes Rockalbum machen, das alle Seiten der Rockmusik abdeckt. Ein Album, das viel Energie, aber auch ein paar Balladen hat.
Ihr klingt beide so tiefenentspannt.
Mick Box: Sind wir auch. Ich meine, das Album in nur 19 Tagen aufzunehmen, zeugt von einer gewissen Entspanntheit, oder?
Phil Lanzon: Und es ist ja nicht so, dass wir gerade erst anfangen. Wir haben lange Erfahrung und wissen, wie wir klingen wollen. Mir fällt der Begriff Autopilot ein, auch wenn er es nicht ganz trifft. Aber es gibt kaum noch Stolpersteine für uns. Wir denken vorwärts gerichtet und machen einfach unser Ding.
Mick Box: Aber wir müssen auch ein dickes Fell haben, denn es kann schon mal passieren, dass wir beide neun Monate an einem Song arbeiten und dieser dann innerhalb von neun Sekunden vom Rest der Band abgelehnt wird. Wir schreiben viele Songs, aber sobald ihn jemand von den anderen drei nicht mag, wird er nicht verwendet. Dann muss man sich damit abfinden und zum nächsten Track übergehen.
„Wir wollten einfach nur ein gutes Rockalbum machen, das alle Seiten der Rockmusik abdeckt. Ein Album, das viel Energie, aber auch ein paar Balladen hat.“ (Phil Lanzon)
Ihr seid also eine demokratisch funktionierende Band?
Mick Box: Ja, wir versuchen es, denn wenn vier eine Sache wollen und einer nicht, fühlt sich dieser ausgeschlossen und bringt womöglich nicht mehr hundert Prozent Einsatz. Wenn alle dafür sind, ziehen alle am gleichen Strang. Und das wünscht man sich doch.
Phil Lanzon: Es gab nie große Hickhacks oder Brüche bei uns. Das Wichtigste ist es, positiv zu denken.
Mick Box: Ich denke, es spielt auch eine Rolle, dass die Musiker in der Band, die keine Songs schreiben, uns vertrauen. Unser Sänger Bernie freut sich immer, wenn wir ihm wieder einen Song präsentieren, der sich gut singen lässt. Damit ist er glücklich. Aber dieses Vertrauen mussten wir uns erst erarbeiten.
Phil Lanzon: Wenn wir Texte schreiben, müssen wir immer bedenken, dass wir sie nicht für uns selbst verfassen. Wir müssen Bernies Stimmumfang und seine Tonalität bedenken. Hinzu kommt, dass manche Sänger bestimmte Worte nicht mögen.
Ihr habt also eine schwarze Liste mit Worten, die ihr nicht verwenden dürft?
Mick Box: Ja, wir haben unseren eigenen Sänger-Thesaurus (lacht). Nein, das hat man im Kopf und manchmal ändern wir auch noch einzelne Worte, wenn wir den Song ausarbeiten, damit sich Bernie wohl fühlt beim Singen.
Stimmt ihr die Inhalte mit ihm ab?
Phil Lanzon: Nein, eigentlich nur untereinander. Manchmal ist es so, dass sich durch das musikalische Arrangement schon Worte aufdrängen. Der Klang der Worte und das Metrum sind wichtig. Außenstehende sehen das oft nicht. Sie denken, man schreibt einen Text nieder und das war es.
Gibt es inhaltliche No-gos?
Phil Lanzon: Es gibt gewisse Bereiche, die wir lieber umschiffen. Alles, was politisch oder kontrovers ist. Wir sind Musiker und Songwriter und es liegt uns nicht, in dieser Hinsicht anzuecken. Manche Bands machen das bewusst, weil es ihr Ding ist. Das ist prima. Aber das ist nicht der Weg von Uriah Heep.
Was macht ihr außerhalb der Band?
Phil Lanzon: Ich habe dieses Jahr erst ein Soloalbum veröffentlicht und habe auch ansonsten noch viele Projekte, die mich beschäftigt halten.
Mick Box: Ich schreibe eigentlich die ganze Zeit. Wenn es keine Songs sind, schreibe ich an einer Biografie über Uriah Heep. Ich hatte das Gefühl, das wäre mal an der Zeit, da es so viele kleine Geschichten zu erzählen gibt.
Ihr seid nun 71 und 68 Jahre alt. Denkt man da mal ans Aufhören?
Mick Box: Wir sehen kein Ende.
Phil Lanzon: Und eine Abschiedstour können wir nicht machen, weil das Prinzip ja jeder durchschaut. Am Ende kommen die Bands ja doch immer wieder (lacht). Es sind eher Abschiede bis nächstes Jahr oder so.
Mick Box: Da wird viel Geld mit überteuerten Tickets verdient, weil die Fans denken, sie würden die Band nun zum letzten Mal sehen. Das ist nichts für uns. Wir machen einfach weiter (lacht).