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Titelstory: Slash – Die Reise ins Ich

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Titelstory: Slash – Die Reise ins Ich

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Katerstimmung

Was Slash nicht nur einmal erlebt hat, sondern auch noch mit Velvet Revolver, einer sogenannten Supergroup aus ehemaligen Mitgliedern von Guns N´ Roses, Wasted Youth und Stone Temple Pilots, die zwischen 2002–2008 zwei Alben veröffentlichte, mehrere Welttourneen unternahm und tatsächlich das Zeug zu mehr zu haben schien. Eben mit einem überzeugenden Debüt namens CONTRABAND, dem allerdings einmal mehr die üblichen Probleme aus Alkohol, Drogen, aber auch Hierarchiegerangel und Größenwahn folgten. Was dazu führte, dass Sänger Scott Weiland im April 2008 seinen Ausstieg erklärte – für eine Solo-Karriere, die genauso erfolglos war, wie das spätere Comeback von STP, die ihn lustigerweise schon wieder gefeuert haben. Seitdem wird darüber gemunkelt, ob Weiland eventuell zu Velvet Revolver zurückkehrt, die nie adäquaten Ersatz für den exzentrischen Frontmann mit der Junkie-Vita gefunden haben.

„Das Gerücht habe ich auch gehört“, setzt Slash an. „Aber ich kann versichern, dass da nichts dran ist. Also, dass es keine Gespräche gegeben hat, und es auch mehr als unwahrscheinlich ist. Ich für meinen Teil werde mir das garantiert nicht noch mal antun, und ich finde es schlimm, dass er durch die Gegend läuft und jedem erzählt, wir wären wieder zusammen. Das ist für mich schon Warnung genug, es nicht darauf ankommen zu lassen. Zumal auch keiner von uns vieren, also weder Duff, Dave, Matt noch ich, derzeit große Ambitionen im Bezug auf Velvet Revolver zeigen. Wir haben uns zwar über die Jahre immer mal wieder getroffen, um mit potentiellen Sängern zu jammen, aber da ist halt nie etwas herausgekommen. Mittlerweile macht jeder sein Ding. Sprich: Ich halte es für unwahrscheinlich, dass wir noch mal ins Studio gehen. Der Zug ist abgefahren, und ich würde meine aktuelle Band auch nie dafür aufgeben. Dafür ist sie einfach zu gut.“

Und wie denkt er über Duff McKagans jüngste Gigs mit Guns, die ja nur nach vorheriger Aussprache mit Axl zustande gekommen sein können? „Ich kann nicht für Duff sprechen“, gibt sich Slash zurückhaltend. „Aber wenn es das ist, was er für richtig hält, dann muss ich das akzeptieren. Ich meine, nur weil wir uns so lange kennen und so viel Musik gemacht haben, muss das ja nicht heißen, dass wir in allem übereinstimmen oder immer derselben Meinung sind. Und genau das zeigt sich in dieser Aktion – wir sind sehr unterschiedliche Individuen mit ureigenen Standpunkten. In meinem Fall wird es aber garantiert nicht soweit kommen. Oder um es mit den Eagles zu sagen: ,Until hell freezes over‘.“ Also bis die Hölle gefriert. Was bei den Adlern um Don Henley & Co. allerdings „nur“ 14 Jahre gedauert hat. Da sind Axl und Slash noch eine ganze Spur hartnäckiger. Und man muss kein Prophet sein, um zu prognostizieren, dass es wohl dabei bleiben wird.

Die Läuterung

Denn während Guns N´ Roses immer noch am Nachfolger zum Mega-Flop CHINESE DEMOCRACY (2008) basteln, ist Slash in den letzten Jahren zum Inbegriff von Ausdauer, Beharrlichkeit und Zuverlässigkeit gereift. Eben ein Fourtysomething, dem bewusst geworden scheint, dass er nicht ewig lebt, dass Kreativität besser ist als reiner Konsum und dass gesteigerter Missbrauch eher Türen zuschlägt als öffnet. Weshalb er seit 2008 unentwegt im Studio oder auf der Bühne ist, sich in seiner Freizeit intensiv um seine Söhne London Emilio (12) und Cash Antony (10) kümmert, und nach festen Strukturen strebt. Dazu zählen ein stabiles Familienleben und eine kompakte Band, die nicht ständig rotiert, die nicht wieder an Kinderkrankheiten und Dummheiten scheitert, sondern einfach nur das tut, was sie soll – richtig gute Musik machen, und fertig aus.

Da scheint er nach Jahren des Suchens endlich die richtigen Partner und Verbündeten gefunden zu haben. Einerseits sein eigenes Label „Dik Hayd International“ (alias „dickhead international“), das sein Werk weltweit lizenziert, aber auch The Conspirators alias Drummer Brent Fitz, Bassist Todd Kerns und Sänger/Gitarrist Myles Kennedy, der nebenher zwar noch bei Alter Bridge agiert, ansonsten aber genau so nach Konstanz zu streben scheint wie Slash selbst. „Ich will jetzt nicht zu dick auftragen“, so der Tee schlürfende Ausnahmegitarrero. „Aber Myles ist der beste Sänger, den ich mir für meine Songs vorstellen kann. Er hat genau die richtige Stimme und die passende Attitüde. Er weiß, wie ich ticke und wo ich mit einem Song hin will, und wir verstehen uns geradezu blind. Was etwas wirklich Besonderes ist, das man ganz selten findet, und das man allein deshalb festhalten sollte. Dasselbe gilt übrigens auch für Brent und Todd, und deswegen werde ich für meinen Teil auch alles tun, damit diese Zusammenarbeit noch ein paar Jahre hält. Also weil sie so ergiebig und gut ist, und weil ich weiß, dass das eine rare Sache ist. Ich meine, ich habe so viel Blödsinn erlebt, dass ich eine funktionierende Einheit umso mehr zu schätzen weiß. Und ich habe auch kein Problem damit, dass Myles nebenbei mit Mark Tremonti von Creed spielt. Das gibt mir sogar die Zeit, die ich brauche, um mich um andere Sachen zu kümmern, die wiederum dafür sorgen, dass unsere Arbeit spannend und frisch bleibt. Er hat zum Beispiel sämtliche Texte zu WORLD ON FIRE geschrieben, und sie sind genau so, wie ich mir das gewünscht habe. Mehr noch: Einige sind sogar so, als würden sie von mit stammen, was geradezu spooky ist.“

Das gilt insbesondere für die Zeile „once a rolling stone, now a falling stone“ (in ›Wicked Stone‹), die – da schwört er Stein auf Brett – kein Seitenhieb auf seine geliebten Rolling Stones sei. Aber auch für die Country-Persiflage ›The Dissident‹ über einen „verfickten Traktor“ sowie das lustvoll-provokante ›Dirty Girl‹, das glatt das Zeug zur Stripper-Hymne hätte. Eben zur perfekten Beschallung von Ausziehbuden, worauf ja bekanntlich die gesamte Karriere von Mötley Crüe basiert. Doch Slash winkt ab: „Ich gehe schon seit Jahren nicht mehr in solche Läden. Einfach, weil die Musik, die da läuft, unerträglich ist, weil die Mädels keine Ahnung haben, wie man sich bewegt, und weil sie alle Plastik-Titten haben. Ich meine, das hat wirklich nichts Erotisches mehr. Und nichts mehr von dem, wie es mal war. Denn in den 80ern hatte das noch echten künstlerischen Anspruch und viele der Chicks waren der Hammer. Weshalb ich damals oft in irgendwelchen Läden am Sunset Boulevard abgehangen habe. Denn da hat man selbst dann noch etwas zu trinken bekommen, als die übrigen Bars längst geschlossen hatten – und bei den Mädels ging auch meistens was. Rockstars und Stripper haben halt einen sehr direkten Draht zueinander. Aber mittlerweile bin ich eh trocken und verheiratet. Deshalb habe ich dort auch nichts mehr verloren.“

Motel On Fire

Genau wie im legendären „Safari Inn“ am Burbank Boulevard, dem er nun ein zweieinhalbminütiges Instrumental widmet. Ein Motel alter Schule, das seit 60 Jahren zu den sogenannten Landmark Buildings, den bekanntesten Gebäuden in der Stadt der Engel zählt und u.a. im Roadmovie „True Romance“ auftaucht. „Ich bin mir nicht sicher, wie viele Nächte ich dort verbracht habe, aber in den 80ern habe ich mich durch zig Hotelbetten geschlafen – und nur für die wenigsten habe ich bezahlt. Meistens ist man mit irgendeinem Mädel mitgegangen, hat bei ihr gepennt, geduscht, gefrühstückt und ist dann weiter gezogen. Ab und zu war es auch irgendein Motel oder eine andere billige Absteige. Wobei es mir allerdings nicht so sehr um Sex ging, sondern eher um das Bett und den Inhalt des Kühlschranks. Daran erinnere ich mich immer, wenn ich an diesem Laden vorbeifahre. Er liegt auf dem Weg zu unserem Proberaum und ich muss jedes Mal grinsen, wenn ich ihn passiere. Also dachte ich bei diesem Instrumental-Stück, das ich schon länger mit mir rumgetragen habe: „Wäre es nicht nett, wenn ich es ›Safari Inn‹ nenne? Eben eine Sache, an die ich nette Erinnerungen habe und die – sofern sie denn stimmen – beim Spielen für ein entsprechend gutes Gefühl sorgen.“

Wobei der Großteil der Stücke, so betont er mehr als einmal, ohnehin eher eine Stimmung als eine tatsächliche Botschaft transportiere. Schließlich sei er kein Singer/Songwriter und kein Protestbarde, sondern ein Rockmusiker. Was in seinem Fall bedeutet, dass er sich in seiner Kunst auf die schönen Dinge des Lebens – auf Frauen, PS-starke Fortbewegungsmittel, aber auch Comics und Computerspiele konzentriert. Nicht umsonst kommt das von Michael „Elvis“ Baskette (Alter Bridge, Incubus) produzierte Album mit dem Cover einer kunterbunten Popart-Collage des Amerikaners Ron English daher, in der Simpsons-Figuren neben Dinosauriern, Babies und Slash in Smiley-Format auftauchen. „Ein herrliches Chaos, oder?“, freut sich der Musikus. „Ich finde es allein deshalb toll, weil es so naiv ist, weil darin so viel passiert und weil man da gleichzeitig so viel hineininterpretieren kann. Also genau wie in die Musik. Dabei ist WORLD ON FIRE nichts anderes als ein Songtitel, den ich sehr mochte und bei dem ich dachte, er würde sich prima fürs Album machen. Eben, weil er verdammt cool ist und für ein Szenario aus Anarchie und Chaos steht, was bekanntlich immer gut ist. Nur: Er hat weder eine Aussage noch eine tiefere Bedeutung, sondern er ist einfach nur nett. Und das ist der Anspruch, der für sämtliche Stücke gilt. Denn sie sind halt Rock´n´Roll, sie sollen unterhalten, aber mehr auch nicht. Es gibt schon genug Leute, die die Welt retten wollen. Denen will ich nicht in die Quere kommen.“

Weshalb die meisten der insgesamt 17 Tracks auch klassischer Hardrock alter Schule sind: Mit viel Power, endlos langen Soli, geschickt eingestreuten Selbstzitaten und wohldosierten Anleihen bei Blues, Country nebst 60s Psychedelia. Fertig ist ein Sound, der sowohl eingefleischte Fans wie auch Hörer aus Metal und Alternative-Rock ansprechen dürfte und einfach etwas Erdiges, Schweißtreibendes und Packendes hat.

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