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Titelstory: 1979 – Motörheads BOMBER

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Titelstory: 1979 – Motörheads BOMBER

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BOMBER erschien am 27. Oktober 1979 und war das erste Motörhead-Album, auf dem alle drei Bandmitglieder auf dem Cover zu sehen waren – stilecht in Kampfpilotenpose an Bord eines Fantasy-Feuervogels aus der Feder des berühmten Sci-Fi-Illustrators Adrian Chesterman. Die ersten Pressungen waren auf blauem Vinyl und sofort ausverkauft, wodurch die Platte direkt auf Platz 12 der britischen Charts schoss – die bislang höchste Platzierung für die Band.

Als das Titelstück fünf Wochen später als Single ausgekoppelt wurde, wiederum zunächst auf blauem Vinyl, waren alle 20.000 Einheiten innerhalb einer Woche ausverkauft, was für einen Einstieg auf Platz 34 reichte. Nur zum Vergleich: 20.000 Verkäufe in Großbritannien wären im Jahr 2019 genug, um direkt auf Platz 1 zu kommen.

Dann gab es noch einen Auftritt in der beliebtesten Chartshow des Landes, bei dem Philthy Animal mit einem Gangster­hut am Bühnenrand seine eigene Zunge kaute (bei „Top Of The Pops“ wurden die Schlagzeuger immer nach vorne gesetzt, weil sie bei Bands, die zu Playback spielten, oft die einzigen waren, die sich nennenswert bewegten). Lemmy war in verspiegelter Sonnenbrille zu sehen, „Fast“ Eddie hantierte mit geschlossenen Augen mit seiner Gitarre und das ganz offensichtlich verwirrte Publikum in seinen netten Pullis stand einfach nur irgendwie rum.

Zu jener Zeit begann Lemmy auch, seine bald beträchtliche Sammlung an Nazi-Memorabilia aufzubauen, von Medaillen zu Uniformen und Messern. Jetzt, wo die Band mehr Aufmerksamkeit von den Medien erhielt, musste er sich plötzlich des Öfteren dafür vor schockierten Besuchern erklären, etwa gegenüber dem Autor des „New Musical Express“, der ihn zu dem Eisenkreuz befragte, das er um den Hals trug. Warum trug er so etwas Furchtbares? „Weil das offensichtlich ein Witz ist“, lachte Lemmy. Doch was, wenn Leute davon verwirrt waren und es falsch verstanden? „Verwirrung ist manchmal gut für die Seele“, sagte er trotzig. „Tatsächlich ist es so, dass ich 1973 diese Lederjacke geschenkt bekommen hatte. Sie kam in einem mysteriösen Paket ohne irgendwelche Information. Und ich dachte nur: Nun, was soll man auf einer Lederjacke anbringen? [Hawkwind-Saxofonist] Nik Turner hatte Keramikblumen, doch ich fand, es sollte etwas…Hartes sein. Das ist eigentlich wie bei den Hells Angels – es geht darum, zu schockieren.“

Er hielt inne, blies dem nicht überzeugten Journalisten Rauch ins Gesicht und fügte hinzu: „Wenn es heute noch Nazis gäbe, würde ich sofort im KZ landen.“ Für Lemmy war das einzige Gesetz der Straße dieses: „Behandle mich gut und ich werde dich gut behandeln. Mir ist egal, wer du bist – Jude, Schwarzer, Araber, Italiener. Wenn sie gut zu mir sind, werde ich gut zu ihnen sein. Nur so kann man arbeiten, oder?“ Das einzige, wogegen Lemmy wirklich Vorurteile hegte, wie er mit einem trockenen Lachen sagte, war die Plattenindustrie. „Und natürlich die Polizei.“

Rückblickend war es jedoch vielsagend, dass Lemmy meinte, er sehe seine Zukunft in einem anderen Land. Eines Tages verkündete er: „Ich würde gerne aus diesem Land fortziehen. Ich würde wirklich gerne in Amerika leben, denn Amerika ist zwar total durchgeknallt, genießt es aber wenigstens, total durchgeknallt zu sein. Ich meine, wenn man dort von einem Bullen auf die Hörner genommen wird und ihm die richtige Geschichte serviert, wird er dich tatsächlich ziehen lassen und davor vielleicht sogar noch einen Joint mit dir rauchen.“ Lemmys romantische Sicht von Amerika würde sich über die Jahre radikal verändern, doch er hielt an dem Gedanken fest, wie viel besser sein Leben wäre, wenn er dort leben würde.

Unterdessen rief die Musikpresse Motörhead als die neuen coolen Typen aus. „ZigZag“-Redakteur Kris Needs brachte es am besten auf den Punkt: „Wenn man ein Punk ist, oder egal welchem Stamm man sich sonst verschrieben hat, müssen Motörhead für einen nicht tabu sein. Sie sind einfach heftiger und krasser und stehen überzeugender für die Ekstase des Exzesses als alle anderen, die sich in irgendwelchen dieser
Genre-Gehege tummeln.“

Doch „jedem Dampfer folgt ein Schlepper“, wie Lemmy sagte. United Artists erinnerte sich plötzlich daran, dass man noch ein unveröffentlichtes Motörhead-Album im Schrank hatte: ON PAROLE. Und wie das in solchen Situationen nun mal so typisch ist, war es dem Label völlig egal, dass die Band in Form von MOTÖRHEAD 1977 schon eine wesentlich bessere Version davon veröffentlicht hatte, oder Gitarrist Larry Wallis schon längst kein Mitglied mehr war. Also wurde ON PAROLE einfach rechtzeitig von Weihnachten 1979 auf den Markt geworfen. „Noch eine wichtige Lektion über Plattenfirmen“, ätzte Lemmy. „Und der Beweis, dass ich die ganze Zeit Recht damit hatte, dass das Album hätte erscheinen sollen, als wir es aufgenommen hatten.“ Es erreichte Platz 65 und gilt heute ironischerweise als gesuchtes Sammlerstück – sofern man eine der Original-Vinylpressungen auftreiben kann.

Chiswick Records, ein weiteres früheres Label, hatte eine ähnliche Idee und veröffentlichte BEER DRINKERS AND HELL RAISERS, eine EP mit vier Stücken, die nicht auf MOTÖRHEAD gelandet waren: die Version von ›On Parole‹ ohne Wallis, zwei Coverversionen, darunter der ZZ-Top-Song, nach dem die EP benannt war, und ein Instrumental namens ›Instro‹, im Wesentlich einfach ein nicht fertiggestellter Song.

Diese EP verkaufte sich besser als UAs Reibach-Release und erklomm einen respektablen Platz 43 – eine dringend benötigte Einnahmequelle für die Band. „Ich fand es nicht richtig, aber ich konnte es ihnen nicht wirklich übelnehmen“, sagte Lemmy, „nach allem, was sie für uns getan hatten.“

All diese Auftritte im Fernsehen und Titelseiten hatten Lemmy, Eddie und Phil unerwartet zu Stars gemacht. Anfang 1980 war ihr Wochenlohn auf 200 Pfund erhöht worden und plötzlich veränderte sich ihr Leben. Doug Smith war entschlossen, dass es zum Besseren sein sollte, wie er sagt: „Wir redeten hier von Motörhead, nicht von Three Degrees“.

Vor allem mit Lemmy „konnte man damals wirklich gut zusammenarbeiten“, so Smith. „Er machte mir nur wütend, weil er fand, dass er nichts tun musste. Also holte er Leute ins Büro, die für ihn Stiefel kaufen gehen sollten. Ich sagte zu ihm: ‚Lem, du musst sie doch anprobieren‘. ‚Nein, nein, sie kennen auf dem Markt meine Größe‘, entgegnete er. Die weißen Stiefel. Jeder im Büro musste irgendwas tun – Jack Daniel’s für ihn besorgen oder was auch immer er gerade trank. Er hatte keine Lust, sich Wohnungen anzusehen, also musste das auch jemand anderes für ihn tun.“

Smith erinnert sich, wie er für jedes Bandmitglied einen Verlagsvorschuss von 10.000 Pfund aushandelte. „Sie wollten sich alle ein Haus davon kaufen. Die zehn Riesen pro Nase wollten wir ihnen erst geben, wenn sie jeweils ihr Haus gefunden hatten, damit sie nicht für etwas anderes draufgingen. Eddie kaufte sich schließlich eins in Chiswick, Phil eins in Chelsea. Und Lemmy hatte noch nicht mal gesucht.“
Dann machte Doug einige Termine für ihn. „Bei dem ersten Haus öffnete eine Frau die Tür, schrie und schlug ihm die Tür vor der Nase zu. Das war das letzte Mal, dass Lemmy sich nach einer Bleibe umsah.“

Und das musste er auch nicht mehr. Die nächsten drei Jahre lebte er mehr oder weniger im Tourbus. Eine neue Mission jeden Abend, wie er auf ›Bomber‹ sang. Bis eines Tages…

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