Wenn eine Veröffentlichung als potenzieller Bestseller betrachtet wurde, schalteten sich damals aber gerne die A&R-Leute der Labels ein und gaben alle möglichen Anweisungen wie: „Gerade ist ein Song mit einer rückwärts gespielten Akustischen auf Platz 1 und das brauchen wir auf eurer Platte unbedingt auch“. Wieviel Einflussnahme seitens eures Labels musstet ihr über euch ergehen lassen?
Nun, gar keine. Ich war sehr bedacht darauf, dass meine Parts auch nach mir klangen, und war nicht bereitet, mir da irgendwelche Vorschriften machen zu lassen. (lacht) Die Plattenfirmen wollten immer, dass du wie irgendetwas anderes klingst, das gerade ein Hit war. So war das wohl schon, seit es Labels gibt. In allen Medien – ob Musik, Film oder was auch immer – sind es meistens die Spießer, die das Sagen haben. Ich gebe dir ein klassisches Beispiel aus den Anfangstagen von The Police. Der zweite Song, den wir veröffentlichten, war ›Can’t Stand Losing You‹. Wir machten unseren Mix und übergaben ihn dem Label. Ihre Einstellung war jedoch: „Alles klar, Jungs, wir übernehmen jetzt. Wir werden das remixen und einen Hit daraus machen“. Sie dachten, dass wir dazu nicht in der Lage seien. Was wussten wir schon? Wir waren ja nur Kids. Also gaben sie den Track fünf verschiedenen Tontechnikern und Produzenten, die versuchten, das neu abzumischen, was wir schon gemacht hatten. Letztendlich warfen sie das Handtuch und gaben zu: „Euer Mix ist der beste“. Und weißt du was? Danach haben sie uns nie wieder genervt. Kein einziges Mal. Sie vertrauten uns. Ihre Einstellung danach war: „Don’t fuck with the magic“.
Wenigstens wurde es ihnen klar und sie ließen euch in Ruhe.
Yeah. Sie wachten ziemlich schnell auf und nahmen die Haltung ein, uns einfach unser Ding machen zu lassen. Doch im damaligen Kontext … das war der Gipfel für die Musikindustrie und die Bosse mischten sich viel ein. Sie wollten die Kontrolle. Und zuerst konnten sie nicht glauben, dass diese drei jungen Typen nicht zum Erfolg geführt werden mussten. Es machte sie wahrscheinlich auch wahnsinnig, dass wir unsere Platten selbst produzierten. Doch wundersamerweise begriffen sie, dass sie sich besser nicht bei dieser magischen kleinen Band einmischen sollten, die in aller Welt einen Hit nach dem anderen landete. Für die damalige Zeit unvorstellbar.
Wie war dann die Arbeit für euch drei an den ZENYATTA-Tracks?
Sting ist natürlich der Hauptsongwriter. Doch was diese Tracks ausmacht, ist wie wir drei zusammenspielen – der Klang der Band. Das ist eines dieser klassischen Phänomene des Musikmachens. Da hat jemand einen Song, und was dann letztlich dabei herauskommt, klingt nicht im Entferntesten nach dem, was du am Anfang hattest. Ja, der Songwriter ist immer noch eindeutig erkennbar, doch bei einer guten Band hast du auch die Chemie zwischen den Typen, die das einspielen. Was die Musik von The Police so einzigartig macht – und sie noch heute nicht angestaubt klingen lässt – ist, dass jeder von uns sehr aggressiv die eigenen Parts verteidigte. Alle Police-Songs sind das Ergebnis eines engen Kompromisses, denn wir wollten unbedingt einen anderen Sound finden. Wenn wir irgendeine Devise hatten dann dass wir nicht wie irgendjemand sonst klingen wollten.
Aber ihr wart auch eine Band, die viele Hits landete. Gab es bei der Entstehung eurer Platten jemals irgendwelche Strategien für kommerziellen Pop?
Das ganze Ding ist ein ziemliches Wunder, denn wir dachten nie: „Wie können wir einen Hit machen?“ Alles, was wir tun mussten, war The Police sein.
Als Sting euch die Songs für ZENYATTA zeigte und ihr beiden eure Parts hinzufügtet, sagte er jemals etwas wie: „Hey, so hatte ich mir die Nummer nicht vorgestellt. Wieso machst du das anders?“
Nein, nein, er verstand es immer sofort. Er sagte dann: „Jetzt klingt das nach etwas“. Es war okay für ihn, das Skelett bereitzustellen und Stewart und mich dann das Fleisch darauf zu packen und einen Körper daraus formen zu lassen. Das ist, als hätte man eine Skizze und würde dann mit Farbe und Pinsel rangehen. Da fügt man all diese Elemente hinzu und der Song wächst über sich hinaus. Und das war immer unser Ziel. Außerdem darf man nicht vergessen, dass Sting ja auch an diesem gesamten Prozess beteiligt war. Er gab uns nicht nur das Stück und verschwand dann. Er war ein Teil dieser Bandchemie, die The Police definierte. Und weil wir immer zusammen spielten, wussten wir fast automatisch,
was einen Song nach uns klingen lassen würde. Darin wurden wir wirklich gut.
Spielen wir ein kleines Assoziationsspiel zu den Songs auf ZENYATTA MONDATTA. Was fällt dir spontan zu ›Don’t Stand So Close To Me‹ ein?
Ein niedliches kleines Gitarrenriff – ein bisschen geklaut von Buffalo Springfields ›Rock And Roll Woman‹.
Und ›Driven To Tears‹?
Der Text beinhaltet eine starke politische Botschaft, die über die Jahre ihre Gültigkeit
bewahrt hat, und es macht Spaß, den Song zu spielen.
›When The World Is Running Down, You Make The Best Of What’s Still Around‹.
Ich glaube, Sting präsentierte das Stewart und mir auf einer akustischen Gitarre. Ziemlich simples Zeug. Als ich es dann in die Finger bekam, spielte ich Sachen wie G11- und Am11-Akkorde durch Refrain und Echo. Dann fügte Stewart seine Parts hinzu und der Song wurde zu etwas völlig anderem. Auch so ein klassisches Beispiel eines Trios mit drei sehr verschiedenen Parts, das zusammenarbeitet, um ein Ganzes zu erschaffen.
›Canary In A Coal Mine‹
Das war ein großer Rhythmuspart, ich weiß noch, dass er ziemlich schwer einzuspielen war. Übrigens höre ich mir diese Sachen nie an, nur damit du das weißt. Die Leute glauben vielleicht, dass man den ganzen Tag dasitzt und sich seine alten Platten anhört.
Verstanden. Aber ich bin neugierig, was die fast komödiantische Situation um deinen Song ›Behind My Camel‹ angeht. Angeblich hasste Sting ihn, weigerte sich, darauf zu spielen, und vergrub sogar das Tonband, damit der Track nicht fertiggestellt werden konnte. Stewart schien gleichgültig zu sein. Das ist sicher keine Popnummer, doch es ist ein schönes Gegengewicht zu den anderen Sachen auf ZENYATTA MONDATTA und ein genial atmosphärisches Instrumental. Warum sorgte es für so viel Stress?
Typische Bandquerelen, würde ich mal sagen. Ich mochte es. Die seltsameren Sachen fand ich schon
immer viel interessanter. Und die kommerziellen Hits schienen sowieso immer von Sting zu kommen. Aber wir hatten nicht genug Material, um das Album voll zu bekommen, und ich hatte eben ›Behind My Camel‹, also sagte ich: „Wie wär’s denn damit?“ Und Sting antwortete: „Darauf spiele ich nicht!“ Ich glaube, er vergrub das Tonband tatsächlich im Garten. (lacht) Stewart wollte daran arbeiten, also spielte ich nur den Bass.
Das war vermutlich Stings Bass, oder?
Ja, da bin ich mir sicher.
Gab es eine bestimmte Inspiration für diese Basslinie, die du da spielst?
Alles passierte so schnell im Studio, dass ich wahrscheinlich gar keine Zeit hatte, um groß darüber nachzudenken. Ich machte das einfach neben der Kickdrum.
Als der Song dann 1982 den Grammy für die „Best Rock Instrumental Performance“ gewann, hast du dir da ein bisschen Schadenfreude auf Stings Kosten gegönnt?
Ich liebte die Ironie. Ganz sicher war ich da ziemlich selbstzufrieden, nach dem Motto: „Na bitte, ich hab’s dir doch gesagt!“
In der popkulturellen Mythologie heißt es, du, Sting und Stewart hätten ZENYATTA MONDATTA nicht wirklich geliebt, obwohl es das Album war, das euch endlich den großen Durchbruch in den USA bescherte und zwei Top-10-Hits abwarf: ›Don’t Stand So Close To Me‹ und ›De Do Do Do, De Da Da Da‹. Ist das nur ein Gerücht oder die Wahrheit?
Doch, da ist durchaus etwas Wahres dran. Ich kann da nur für mich selbst sprechen, aber ich denke, ich erinnere mich an ZENYATTA hauptsächlich dafür, dass alles so verrückt war zu der Zeit, als wir es aufnahmen. Wir wurden zur heißesten Band der Welt, mit all den daraus resultierenden Forderungen und Erwartungen. Dass die Zeit im Studio durch die Festivals verkürzt wurde und wir uns schon Sorgen um die anstehende Tournee machen mussten, half da sicher nicht. Zum Beispiel hatten wir das komplette Album schon abgemischt, bevor wir zu den Festivals fuhren, und als wir dann zurück ins Studio kamen, hörten wir uns die Mixe noch mal alle an und fanden sie scheiße. Was konnten wir tun? Wir mischten jeden einzelnen Song auf der Platte in einer einzigen Nacht noch mal neu ab. Früh am Morgen brachen wir dann zu der Tournee auf. Ich weiß noch, dass ich bei der Abfahrt dachte: „Was soll’s, wir haben’s wahrscheinlich verbockt.“
Text: Michael Molenda