Schlamm, Regengüsse und Bad Vibes: Excuse me while I kiss the sky!
Es sollte die deutsche Antwort auf die Woodstock Music & Art Fair von 1969 sein. Unerfahren organisiert von den Veranstaltern Helmut Ferdinand (33), Christian Berthold (28) und Tim Sievers (30), lockte das Love-And-Peace-Festival vom 4. bis 6. September 1970 gerade mal ca. 25.000 Besucher auf die Ostseeinsel Fehmarn. Ursprünglich sollten drei Dutzend Bands vor bis zu 60.000 Besuchern performen. Sexshop-Pionierin Beate Uhse gab einen Vorschuss von 200.000 DM und ließ in ihren bundesweiten Läden einen zusätzlichen Vorverkauf starten. Der Bauer Störtenbecker stellte nahe dem Leuchtturm Flügge eine 50 Hektar große Wiese zur Verfügung.
Eine akzeptable Infrastruktur fand sich zum Teil schon vor Ort, rang jedoch um Ergänzung. Rundum schützten Zäune das Festivalgelände. Eine gigantische Tonanlage aus UK mit 150 Phon aus 32 Boxen sollte beschallen, eine Drehbühne mit 20 Metern Breite und 10 Metern Tiefe längere Umbaupausen vermeiden. In zwei aufeinander gestapelten Wohncontainern residierte, 500 Meter von der Bühne entfernt, die Festivalleitung. Schon im Vorfeld machte sich das Manifest des Hippie-Zeitgeists breit: Musikkonsum muss generell kostenlos sein. Ein Unding! Beliefen sich die Unkosten und Gagen für u. a. Frumpy, Canned Heat, Procol Harum, Mungo Jerry, Fat Mattress, Rod Stewart & The Faces, Ginger Baker’s Airforce, Keef Hartley Band, Ten Years After und Sly & The Family Stone doch auf runde 500.000 DM. Kurz vor Start meldeten die Vorverkaufsstellen erst 10.000 Karten zu je 28 DM. Als Hauptattraktion galt die von Hendrix nach den kurzlebigen Band Of Gypsys reanimierte Experience, honoriert mit einer Gage von 70.000 DM samt Transfers im Mercedes sowie Wohnwagen auf dem Festivalgelände. Am 4. September trat die Experience in Berlin beim Super Concert ’70 auf – wegen schlechten Wetters kurzerhand von der Waldbühne in die Deutschlandhalle verlegt.
Unter Horrorwetterlage litt auch Fehmarn. Als die Behörden am 2. September erhebliche Mängel feststellten, verdunkelte sich schon tagsüber der Himmel. Zudem rückte die Rockergang Bloody Devils aus Hamburg an, terrorisierte die Umgebung und die Festivalbesucher, geriet mit den als Ordnerpersonal angeheuerten Persern aneinander. Ruhe gab die Meute erst, als sie pro Mann 150 DM ausgezahlt bekam und als Gegenleistung sich nicht mehr blicken lassen sollte. Ein Großteil kam der Vorgabe nach, eine kleine Gruppe blieb dennoch. Als am 4. September endlich die Tore öffneten, blies ein kräftiger Sturm über die Insel. Den Startschuss gab am Freitagnachmittag der britische Bluespapst Alexis Korner – in akzentfreiem Deutsch und Englisch führte er souverän drei Tage durchs Programm.
Die herrische Wetterlage sowie chronische Geldknappheit (Procol Harum und Ten Years After wurden gekappt) sollten nicht nur am ersten Tag diverse Auftritte verhindern. Am Samstag traf Jimi Hendrix in Begleitung von Tourmanager Gerry Stickells, Schlagzeuger Mitch Mitchell und Bassist Billy Cox aus Berlin via Hamburg im Strandhotel Dania in Puttgarden ein – wegen des miserablen Wetters wurde sein Auftritt auf Sonntag verlegt. Längst im tiefen Schlamm versank das Gelände. Stickells verlangte, dass die Zelte direkt vor der Bühne abzubauen wären, sonst würde Hendrix nicht auftreten. Da waren schon Teile der Bühne von den Rockern ebenso demontiert und verfeuert worden wie viele Klotüren des nahegelegenen Campingplatzes. Gegen Festivalende sollte nach einem aufrührerischen Auftritt von Rote Steine (wenig später umbenannt in Ton Steine Scherben) auch die Bühne sowie das Headquarter der mit der Kasse verschwundenen Festivalleitung in Flammen aufgehen.
Nach der Performance des urigen Folk-Duos Witthüser & Westrupp am Sonntagvormittag traf gegen 11 Uhr Jimi Hendrix samt Entourage ein. In pinkfarbenen Satinhosen, knallbunter Patchwork-Samtjacke, Indienhemd und blauem Stirnband entstieg der auch vom Kommunardenpärchen Uschi Obermaier und Rainer Langhans angehimmelte Hendrix der Mercedes-Limousine. Diverse Fotos des Trios fern der Bühne zeigten einen fröhlich aufgekratzten, zu allerlei Späßen aufgelegten, ja gar ulkigen Hendrix. Nach einer Weile – Alexis Korner musste schon mehrmals aufmuntern – fing das Publikum an, ungehalten zu werden. Kurz vor 13 Uhr betrat bei Sonnenschein endlich die Jimi Hendrix Experience die Bühne und startete das 90-Minuten-Set mit dem temporeichen ›Killing Floor‹: „I should of quit you, baby, a long time ago. But you got me messin’ round with you, baby, you got me cryin’ on a killin’ floor, yeah“, hallte die Stimme von Hendrix prophetisch übers Festivalgelände.
Gewohnt virtuos trieb der Maestro mit Händen, Zunge und Zähnen seine beiden Jungs trotz des wieder einsetzenden Regens durch ein Best-of der vergangenen vier Jahre: Vom Ur-Trio stammten ›Hey Joe‹, ›Red House‹, ›Spanish Castle Magic‹, ›Foxy Lady‹, ›Purple Haze‹, ›All Along The Watchtower‹ sowie zum Finale ›Voodoo Child (Slight Return)‹. Neuland betrat das Triumvirat mit den bis dato unveröffentlichten Songs ›Freedom‹, ›Ezy Ryder‹, ›Room Full Of Mirrors‹ und ›Hey Baby (New Rising Sun)‹. Als Reminiszenz an die Band Of Gypsys gab es ›Message Of Love‹. „Thank you. Goodbye. Peace!“, nuschelte Jimi Hendrix am Ende ins Mikrofon und machte zur Bekräftigung mit seiner Hand noch das seinerzeit beliebte Peace-Zeichen (Churchills Victory). Sofort danach verließ die Truppe Fehmarn Richtung Hamburg. Von dort flogen Hendrix und Mitchell nach London, Cox in die USA. Knapp 14 Tage später, am 18. September, starb Jimi Hendrix im Alter von 27 Jahren in einem Souterrain-Appartment des Londoner Samarkand Hotels unter bis heute nicht restlos geklärten Umständen.
Ein denkwürdiger aber leider endgültiger Gig eines meines Erachtens genialsten Musiker und Gitarristen dieser Ära.
Seine Musik wird mir ein stetiger Begleiter bleiben, bis zum Ende meines irdischen Daseins.
In meinem letzten Willen habe ich mir Little Wing als letzten Wunsch bestimmt.
R.I.P. Jimi and Kiss the Sky……….
Der schimmi war schon ein klasse Gitarrengott, aber er hat leider verkehrt herum gespielt.
Hat wahrscheinlich rechts und links verwechselt.
Passiert mir auch ab und zu.