Sweet waren die glänzenden Posterboys, die Anfang der 70er jeder Teenie als Bravo-Starschnitt bei sich im Kinderzimmer hängen hatte. Sie waren extravagant, charmant und spielten Songs, die sofort ins Ohr gingen und sich binnen kürzester Zeit zu Hits mauserten. Doch dieses omnipräsente Bild skizziert nur einen kleinen Teil des Charakters der Briten. Denn im Grunde waren Sweet drei Bands in einer: eine Pop-Gruppe, eine Glam-Band und eine Hardrock-Kombo. In einem Tiefengespräch befragten wir Andy Scott, letztes lebendes Mitglied des klassischen Line-Ups, nach der ambivalenten Historie einer Band, die sich verzerrt in das kollektive Gedächtnis der Musikgeschichte eingebrannt hat.
Der Debütnachfolger kratzt musikalisch gesehen schon fast am Heavy Rock, die schneidenden Triple-Gesangsharmonien von Connolly, Scott und Priest entwickelten hier jene einzigartige Qualität, für die die Band auch heute noch bekannt ist. Während der Albumproduktion erlitt Brian Connolly bei einer Prügelattacke eine schwere Verletzung am Kehlkopf, weswegen auf Songs wie ›No You Don’t‹ Steve Priest und Andy Scott am Leadgesang aushelfen mussten. Seine Stimme wurde bei diesem Vorfall nachhaltig geschädigt und konnte nie wieder richtig an die vorhergehenden Leistungen anknüpfen. Sechs Monate später veröffentlichten Sweet ihren dritten Longplayer DESOLATION BOULEVARD, auf dem sie sich ebenfalls für den Großteil des Songwritings selbst verantwortlich zeigten. Der Hit ›Fox On The Run‹ war auf DESOLATION BOULEVARD zu finden und wurde 1975 mit einem Hauch mehr Pop-Appeal nochmal neu aufgenommen. In der aktualisierten Version konnte der Track schließlich die Charts stürmen und mauserte sich so zu ersten selbstgeschriebenen Single der Band. Und dann auch noch als eine, die in Deutschland, Südafrika, Dänemark und Australien auf Platz eins schoss, in zahlreichen Ländern die Nummer zwei belegte und es in den USA immerhin auf die fünf schaffte. (Kleiner fun fact nebenbei: Noch im Erscheinungsjahr nahmen sich die Scorpions unter dem Deckmantel The Hunters den Song vor und machten die deutsche Version ›Fuchs, geh’ voran‹ daraus.) Beflügelt von diesem Erfolg trennten sich Sweet schließlich endgültig von ihren Songwriting-Partnern Nicky Chinn und Mike Chapman. Nach der Veröffentlichung von ›Action‹ (1975) flogen sie nach Deutschland, um zusammen mit Toningenieur Reinhold Mack in den Musicland Studios in München am nächsten Album zu arbeiten.1976, nach einer weiteren Single mit dem Titel ›Lies In Your Eyes‹, wurde GIVE US A WINK schließlich veröffentlicht und präsentierte sich als waschechtes Hard-Rock-Werk einer ernstzunehmenden Band, ganz ohne Chinnichap-Pop und Firlefanz. Ab 1976 ließ der Hype um die britischen Exportschlager dann vorerst nach. Mit dem folgenden OFF THE RECORD konnten Sweet 1977 noch bei ihren treuen Fans in Deutschland und Österreich landen, davon abgesehen jedoch nicht an die vorhergehenden Erfolge anknüpfen. Jegliche Tourvorhaben für dieses Jahr wurden abgesagt. Als letztes Aufbäumen des klassischen Line-Ups kann LEVEL HEADED beschrieben werden, ihre eher experimentelle Platte aus dem Jahr 1978, die Hardrock und AOR mit Klassik, Disco, Folk und Soul zu verweben versuchte. Vor allem mit der Single ›Love Is Like Oxygen‹ gelang es der Truppe, nochmal einiges an Staub aufwirbeln und in den Staaten, im UK, in Neuseeland, der Schweiz, in Belgien, Kanada, Australien und Deutschland in den Top 10 zu landen. Zu dieser Zeit erhielt das Bandgefüge mehr und mehr tiefe Risse. Vor allem Brian Connolly, kurz zuvor noch lachender Parade-Popstar mit Blondschopf, wurde zum Problem. Sein exzessiver Alkoholkonsum wirkte sich zunehmend negativ auf seine Live-Performance aus. An manchen Abenden war er so zugedröhnt, dass er auf der Bühne zusammenbrach und Andy Scott und Steve Priest sich den Leadgesang untereinander aufteilen mussten, um die Show vollenden zu können.
Ein sehr guter Artikel und ein sehr authentisches Interview das mich als Sweet Fan der ersten Stunde (Ich besitze fast alle LPs und fast alle Singles) sehr berührt hat. Da ich selbst Musiker bin kann ich vieles sehr gut nachempfinden was Andy so fühlt. Ich hatte mit 14 meine erste Schulband und Heute bin ich 60 vorbei. Nach diesem Interview dachte ich auch über den Tod nach. Er gehört nun mal zum Leben, das ist so. Es stimmt mich nur traurig das es dann mit der Musik vorbei ist. Musik war und ist mein Leben. Ich hab eine ausreichende Pension und spiele mit über 60 sicher nicht für die paar Hundert Euro im Monat. Es ist einfach Leidenschaft und Sucht. Wir gehen Alle einmal aber…Rock n’Roll will never die.
Danke Andy fr diese offenen und ehrlichen Worte.
Auch daß Du dabei fair Deinen Freunden gegenüber bleibst.
Es erfüllt mich weiterhin mit Stolz seit 1971 ein Sweetfan aus tiefem Herzen zu sein.
Allen Fans und der Band alles Gute und weiterhin viel Power „Sweetpower“
Euer Jürgen aus Stutensee bei Karlsruhe
Ein wundervolles Interview, was mich sehr berührt hat. Seit früher Jugend bin ich Fan von Sweet. Hier stimmt mich diese Geschichte der Band schon etwas traurig, das es so ein Ende nahm. Trotzdem höre ich mit Freude die Platten. In den 90ern hab ich einmal Brian live erlebt und war sehr erschrocken, das es nicht mehr so klingt wie früher.
Was bleibt, ist die Erinnerung. Die Musik lebt ewig. Danke dafür ❤️
Ich mochte die Sweet nie wegen deren ständigen Stilwechsels.
Das Interview war trotzdem gut, weil es ehrlich war.
Hier spricht ein Mensch und keine Fragebeantwortungsmaschine vom Typ Scorpions.
Danke,
ich war von 73 bis 81 extremer Fan und habe natürlich immer noch ALLE Platten (auch Bootlegs).
Leider hat das was Andy seit 30 Jahren macht, nicht mehr mit SWEET zu tun.
Ständig wechselnde Sänger, unzureichende Instrumentierung und ein begrenzter Drummer.
Dazu noch eine Setlist, mit Bubblegum-Hits, die schon Mitte der 70 er nicht mehr gespielt wurden.
Warum dann heute?
O.K., beim Fußballverein oder Bierzelt mag das noch Bedingung sein. Aber in einem Rockclub, Wacken oder Swedenrock? NO!