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Sting: Die Lehre vom „besseren“ Musikhören

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Sting: Die Lehre vom „besseren“ Musikhören

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Ist es nicht das, was man Zweckoptimismus nennt? Also et­­was, das sich leider nicht erfüllen wird, wo man aber gegen jedes bessere Wissen an das Gute glaubt? Nehmen wir nur ›Inshallah‹ und die darin verhandelte Flüchtlingskrise: Wie kann man angesichts dieser Zustände optimistisch bleiben?
Man muss es einfach. Man kann die Flüchtlingsströme auch verstehen als die Rache der Weltgesellschaft an dem Tatbestand, dass diese Flüchtlinge vor Waffen zu uns fliehen, die bei uns im Westen produziert wurden. Das ist bitterste Ironie des Schicksals, aber wenn man diesen Vorgang unter dem Aspekt der Ironie betrachtet, steckt auch darin Hoffnung: In dem Moment, wo wir die Waffenlieferungen einstellen, könnte es passieren, dass auch die Flüchtlingsströme nachlassen. Ich habe für all das keine politische Lösung parat, ich weiß nur eines: Wenn es eine Lösung gibt, dann findet sie sich im Humanitären, mit anderen Worten: in dem Zulassen globaler Empathie. In dem Moment, wo jeder von uns sich des Gefühls annehmen würde, das eine Familie umtreibt, die in einem Flüchtlingsboot zwischen Afrika und Europa sitzt, wäre viel gewonnen. Nur so könnten wir eine Lösung auf diese Probleme finden. Und natürlich kann ich auf all diese Fragen keine Antworten in einem einzelnen Song dazu finden. Das Hauptproblem der Gegenwart ist, dass die aktuelle Realpolitik der Welt quasi die Antipode zum Idealismus darstellt. Und die Lösung für viele Probleme läge genau in der Mitte. Aber diese Mitte geht immer mehr verloren, bedingt durch die radikalen Positionen, die durch die Realpolitik forciert werden.

Nun zählst du zu den prominentesten Musikern des Globus und könntest deine Stimme intensiver nutzen, um derartige Probleme aufzuzeigen, wie du es etwa in den 90ern mit der Rettung des Regenwalds getan hast…
Du überschätzt meinen Einfluss.

Wie kommst du darauf?
Ein Beispiel: Vor ein paar Jahren war ich mit meiner Familie in Damaskus, und plötzlich stand Assad höchstpersönlich in der Hotel-Lobby und sprach mich an: „Ich hörte, dass du in der Stadt bist. Dürfte ich dich und deine Familie zum Dinner einladen?“ Natürlich sagte ich zu. Wir hatten einen sehr an­­genehmen Abend, bei dem ich auch versuchte, manch schwieriges Thema anzusprechen, und Assad war sehr verständig und geradezu britisch weltoffen für meine Argumente. Er gestand mir sogar, dass er den Job des Staatspräsidenten nur unfreiwillig übernommen habe – er wollte eigentlich Arzt werden, musste dann aber ran, nachdem sein großer Bruder, der eigentlich als Nachfolger des Vaters installiert werden sollte, bei einem Autounfall ums Leben kam. All das erzählte er mir, ich hatte den Eindruck, dass wir uns angeregt auf Augenhöhe von Mann zu Mann unterhalten. Nur drei Monate später bombardierte er Teile Syriens mit Napalm. So viel zu meinem Einfluss.

Zurück zu deiner Musik. In den letzten eineinhalb Jahrzehnten hast du die unterschiedlichste Musik gemacht, bei der man sich manchmal die Frage stellte: Macht er das noch für seine Fans oder nur für sich selber?
Nun, das Schöne an der Demografie meiner Fans ist, dass sie weitgefasster kaum sein könnte. Meine Fans erstrecken sich mittlerweile über drei Generationen, und dabei ist klar, dass ich mit manchen Alben mehr die älteren und dann wieder jüngere Fans an­­spreche. Stets alle zu erreichen, scheint mir nahezu unmöglich. Wobei ich vermute, dass das neue Album mit seiner relativen Zu­­gänglichkeit wieder mehr Fans in sich vereint als andere Alben. Kurz gesagt: Ich schreibe letztlich, was mich beflügelt, oder banaler: Was mir einfällt. Aber natürlich hoffe und vermute ich auch, dass ich damit zumindest einen Teil meiner Fans stets auch zufrieden stelle. Ich verstehe meinen Job so, dass ich in den Köpfen meiner Fans einen neuen Samen setze, der durch das wiederholte Hören meiner Platten zu einer kraftvollen neuen Pflanze erwächst und den Hörern damit eine Sensibilität für neue Musiken vermittelt, mit denen sie sich bis dahin noch nie beschäftigt haben. Meine Aufgabe ist es nicht, immer wieder aufs Neue das zu interpretieren, was mittelständische weiße Kids des Westens gern hören wollen.

Was du mit dem neuen Album nun gewissermaßen aber wieder mal getan hast.
Nun, man sollte das alles nicht als Dogma verstehen, und ich denke, dass auch das neue Album mit seiner Tendenz, sich mit der uramerikanischen Version von Rockmusik auseinander zu setzen, für junge Hörer genügend Anlass bietet, sich mit Stilen zu beschäftigen, die für sie neu sind. Letztlich versuche ich, mit meiner Musik nicht zu predigen, aber doch zu erziehen – zu einem feinsinnigeren Hörer, der sich mit mir zusammen auf unbekannte stilistische Terrains wagt. Das ist mal ausgeprägter und abstrakter, mal eben relativ leicht zu antizipieren, wie bei dem neuen Album. Aber dieses Erziehen zu einem besseren Musikhörer, das steckt einfach in mir. Den Lehrer, der in mir wohnt, den werde ich wohl niemals wirklich los.

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