Was war zuerst da: Der Song oder der Albumtitel DRIVING ON THE 44?
Das Lied war zuerst da. Der Titel hat auch nichts romantisches an sich. Ich sah mir eine Karte von Amerika an und folgte mit dem Finger dem Highway 44 und dachte mir: Ach, das ist doch ein netter Albumtitel. Ich plante also eine Route und dachte mir: wenn ich hier falsch abbiege, lande ich auf dem Highway 44. Ein Roadtrip, der nur in meinem Kopf stattfand, mehr steckt nicht dahinter.
Das ist schön, ich glaube nicht, dass viele Menschen sich so beschäftigen können.
Ich sag dir was, ich könnte mir stundenlang Karten ansehen. An meiner Wand hängt eine große Weltkarte und oft schaue ich sie mir einfach an oder denke mir: ‚Oh hier war ich schon und hier und hier und dort auch.‘ Manchmal frage ich mich: ‚Habe ich das wirklich alles getan? Bin ich wirklich so viel gereist?‘ Das kann einem schon surreal vorkommen. Aber das war damals, und heute ist jetzt.
Blickst du oft zurück?
Nein, eigentlich bin ich nicht so jemand. Aber letztens ist mir mal aufgefallen, dass ich mir irgendwie nur die negativen Dinge merke, die in meinem Leben passiert sind. (lacht) Das ist echt seltsam. Die meisten Erinnerungen drehen sich um Erlebnisse, die mich beschämt haben oder von denen ich gerne hätte, dass sie anders gelaufen wären.
Schade, in deinem Leben sind bestimmt viele tolle Dinge geschehen.
Ja absolut, aber an die denke ich leider sehr selten.
In welcher Stimmung warst du, als du am Song ›Keep On Flying‹ gearbeitet hast?
Ich fühlte mich ziemlich – wie sage ich das am besten – gut. Ich empfand Wohlwollen meinen Mitmenschen gegenüber und ich denke, dass im Grunde jeder ein angenehmes Leben verdient. Den meisten Leuten ist das aber leider nicht vergönnt. Ich dachte an manche Menschen zurück, die ich mal kannte, wo der Kontakt aber abgebrochen ist und ich hoffte einfach nur, dass sie ein schönes Leben haben durften. Man darf nicht aufgeben, es zu versuchen.
Ich finde dieses Lied ehrlich schön. Es hat diesen hoffnungsvollen Grundtenor mit einem Hauch von Melancholie darin, das gefällt mir.
Das hast du schön gesagt, du solltest Songwriterin werden.
Um ehrlich zu sein, tue ich das schon. Ich habe vor einem Jahr mit dem Gitarrespielen angefangen und mag es sehr. Ich bin nicht gut, aber es gibt mir viel. (lacht)
Oh, das ist schön zu hören. Wie viele Akkorde kennst du?
(lacht) Naja, Powerchords, E, A, G, D und ein paar andere, von denen ich gar nicht weiß, was ich da spiele.
Na, dann hast du bereits das Werkzeug, um hunderte Songs zu schreiben. Welche Gitarre hast du?
Ich wollte eine Goldtop, aber die war mir zu teuer. Ein Freund hat mir also aus einer alten Framus eine Art Les Paul nachgebaut, sie ist wunderschön und ich bin sehr zufrieden damit. Auch wenn sie im Vergleich zu meiner SG etwas schwer ist.
Man merkt es, wenn man über 40 Jahre lang fast täglich eine schwere Gitarre spielt. Meine Haltung, mein Rücken, alles tat echt weh. Ich musste mich bei einer guten Physiotherapeuten wieder ausrichten lassen, weil mein ganzer Körper ein wenig nach links verdreht war, weil ich dort immer auf das Griffbrett der Gitarre schaute. Wenn du eine schwere Gitarre hast, ist das noch extremer. Dazu bin ich natürlich auch noch alt. (lacht)
Was war noch gleich deine erste E-Gitarre?
Eine Höfner Futurama 2. Es war eisblau mit einem weißen Fingerbrett. Ich fand sie wundervoll, aber sie klang schrecklich. Bis heute weiß ich nicht genau warum, aber wahrscheinlich lag es teilweise daran, dass meine Saiten sehr dünn waren. Ich dachte, das muss so sein, wenn man gute Bends machen will. Aber die waren so leicht und dünn, dass fast kein Ton rauskam. Und natürlich war die Gitarre billig. Danach hatte ich eine Strat, aber die gefiel mir nicht, weil ich nicht wie Hendrix klang. Im Grunde wollte ich immer eine Les Paul, also kaufte ich mir schließlich eine. Da kam ich auch darauf, dickere, schwerere Saiten aufzuziehen. Peter Green gab mir mal ein Saiten mit und die waren so dick, dass ich meine Finger umtrainieren musste, um mit ihnen umgehen zu können. Es war richtig Arbeit, auf diesen Seiten den Sweetspot des Tones zu finden. Aber so gefällt es mir besser, ich mag es, wenn man ein bisschen Aufwand betreiben muss, um ans Ziel zu kommen. Mir gefiel die Herausforderung – Kampf wäre vielleicht zu viel gesagt – , die Erfahrung, eine Les Paul mit schweren Saiten zu spielen und einen schönen Sound herauszuarbeiten. Das war alles, was ich jemals tun wollte. Blues auf einer Les Paul mit schönem Klang zu spielen.
Dann hast du dein Lebensziel wohl erreicht, oder?
Ja, ich war zumindest sehr nah dran. Ich bin nie zu 100 % zufrieden mit dem, was ich gemacht habe. Aber das ist doch normal, oder?
Das ist wahrscheinlich das, was dich künstlerisch gesehen am Laufen hält.
Das denke ich auch. Wenn du dein Ziel erreichst, verlierst du vielleicht den Hunger. Wobei es natürlich auch in Ordnung ist, dorthin zu gelangen, wo man immer hinwollte. Dann kann man das abhaken und sich neue Ziele stecken. Oder einfach nichts tun. (lacht) Aber ich bin jemand, wenn ich etwas erreiche, denke ich mir: Ja, das ist schön, aber vielleicht bekomme ich diese Frasierung beim nächsten Mal noch ein kleines bisschen süßer, ein klein wenig besser hin. Ich erinnere mich an ein Zitat von BB King. Er erzählte, dass er immer noch vor jedem Gig nervös war. Obwohl er bereits Abertausende gespielt hatte. Und er meinte: ‚Der Tag, an dem das nicht mehr so ist, ist wahrscheinlich der Tag, an dem ich aufhöre, zu spielen.‘
Ich finde einfach, es gibt einige Gitarristen auf diesem Planeten, die einen ganz besonderen Ton beim Spielen haben. Und zu denen gehörst du meiner Meinung nach auch.
Das ist schön zu hören. Mein Bassist und Freund meinte erst gestern zu mir: ‚Niemand spielt mehr so wie du. Früher taten sie das, aber heute nicht mehr.‘ Ich denke, ein Teil davon ist in meine Gitarre hineingewachsen, wir haben uns gemeinsam entwickelt. Und wenn du deine Gitarre so lange kennst, lernst du einfach, wie du eine Saite anfassen musst, um genau den Sound herauszukitzeln, den du willst. Nach 30 oder 40 Jahren weißt du einfach, wo du hingreifen musst.
Warum ist es bis heute immer der Blues gewesen, der dich fasziniert?
So habe ich angefangen, deswegen habe ich zum ersten Mal eine Gitarre angefasst. Das habe ich dir bestimmt schon erzählt, aber als ich Blues hörte, wollte ich wissen, wie es sich anfühlt, das spielen zu können. Und bis heute ist das der einzige Grund. Ich will simple Blues-Licks über einfache Akkordfolgen spielen, weil es toll ist, das genauso zu tun, dass sich alles korrekt und schön anhört. Natürlich habe ich auch mit anderen Bands gespielt, aber irgendwie erschien mir das nie ehrlich oder real genug. Und sobald ich wieder Blues spielte, merkte ich, dass das einfach mein Ding ist. Ich liebe das einfach. Es wird nicht langweilig, immer dasselbe zu spielen. Wenn ich eine Gitarre in die Hand nehme, was nicht mehr so oft geschieht, tendiere ich dazu, dasselbe zu spielen, weil es mir Spaß macht. Ich verstehe auch, dass manche den Blues langweilig finden, aber ich gehöre eben nicht dazu.
Auf dem Album ist auch ein Song namens „Blues 22“, da sprichst du über Frauen. Da kommen Zeilen vor wie „can’t even tell them they look pretty cause they’ve got a very short fuse“. Erzähl mir doch etwas mehr zu diesen Beobachtungen.
(lacht) Ich frage mich einfach manchmal, ob sich junge Typen heute noch trauen, Frauen anzusprechen, weil viele Leute heutzutage sich sehr schnell angegriffen fühlen. So kommt es mir jedenfalls vor. Das ist auch auch in Ordnung und bis zu einem gewissen Punkt verstehe ich das, aber als ich jung war, machten alle, was sie eben machten. Ich kann mir vorstellen, dass es manchmal frustrierend sein muss, heute nicht mehr sagen zu können, was man früher mal sagen durften. Ich behaupte ja nicht, dass früher alles richtig war, ich finde nur, dass das Ganze manchmal zu weit geht. Der Song meint also, dass ich nicht mehr genau verstehe, was da alles vor sich geht, deshalb spiele ich meine Gitarre. (lacht)
Ich denke, der Grat ist sehr schmal zwischen persönlicher Fragilität und dem konstanten Bullshit, den man sich als Frau anhören muss. Manchmal ist es beispielsweise echt schwer, als Frau ständig auf irgendwas zu reduziert zu werden oder gesagt zu bekommen: „Sei so und so“.
Das verstehe ich. Es gibt wirklich manche Frauen, die sind so schön, dass es sehr schwer für sie sein muss. (lacht) Und das meine ich ernst.
Ich denke, das ist wirklich so. Und das Gegenteil ist auch ein Problem: Wenn du nicht hübsch genug bist, tust du dir auch schwer.
Ja das stimmt. Aber meinst du nicht, dass das bei Männern genauso ist?
Nein, das glaube ich nicht. Ich kann da nur aus eigenen Erfahrungen und aus den Erfahrungen anderer Frauen sprechen, aber ich denke, dass auch heute noch Frauen mehr auf die Optik reduziert werden als Männer. Und selbst wenn ich hier falsch liege, ist es ja im Umkehrschluss nicht in Ordnung, Männer auf ihr Äußeres zu reduzieren. Jeder Mensch sollte die Möglichkeit haben, unvoreingenommen nach Können oder Wissen oder Charaktereigenschaften beurteilt zu werden.
Das stimmt, da hast du absolut recht. So viel habe ich während des Songwritings gar nicht darüber nachgedacht.
Eine Sache noch: Wie geht’s dir zuletzt mit deinem Gitarrenspiel?
Ich mag es nicht mehr so sehr wie früher.
Das hast du letztens auch schon gesagt und ich habe viel darüber nachgedacht: Wäre es nicht schön, dein aktuelles Gitarrenspiel – so wie es eben ist – als Momentaufnahme deines jetzigen Lebensabschnitts zu sehen und auch zu mögen? Also Frieden damit zu schließen.
Ja, das versuche ich wirklich. Ich muss gewisse Dinge einfach akzeptieren, meine Finger werden langsamer und kraftloser. Für einen Gig müsste ich mich inzwischen monatelang vorbereiten. Manchmal denke ich auch, dass ich auf der Gitarre schon alles gesagt habe, was ich sagen wollte. Ob ich das nochmal was aufnehmen will, weiß ich nicht. Ich bin ja nicht unglücklich, aber meine Optionen werden zunehmend beschränkt. Aber Frieden schließen, das klingt gut.
Vielleicht wäre ein Perspektivwechsel gut. So klingt es eben, wenn du deine Gitarre an diesem Punkt in deinem Leben spielst. Das ist ein Teil von dir, eine Veränderung, die dich nicht zwingend schlechter macht.
Ja, du hast absolut Recht. Ich bin nicht mehr so selbstbewusst, denn wenn ich alte Sachen heute spiele, klingen sie nicht mehr so wie sie klingen sollen. Aber bei den neuen Liedern bin ich trotzdem zufrieden mit der Wahl meiner Noten. Denn so spiele ich eben heute. Das ist ein guter Punkt, den du da anbringst.
Hallo Frau Floßmann, wieder ein super Interview mit einem Musiker und Könner auf der auch von mir geliebten LS Paul.
Snowy White ist für mich einer der wenigen noch verbliebenen Gitarristen die einen einzigartigen Ton spielen, einen Sound der einem ein Gefühl vermittelt, dass man nur mit glückseliger Stimmung umschreiben kann für mich zumindest. ich denke es geht Ihnen wie mir ähnlich wenn Sie die Musik dieses begnadeten Menschen und Musiker hören.
Schön dass Sie auch zur Gitarre gegriffen haben. Es gibt meiner Meinung nach nichts schöneres als auf einer Gitarre, vorzugsweise einer Gibson LS Paul seine Stimmungen und Gefühle auszudrücken. Bleiben Sie am Ball denn es lohnt sich auf lange Sicht gesehen. Üben ist der Weg zum Ziel. Viel Glück und Ausdauer dabei. Schätze mich selbst Glücklich auch noch heute nach gefühlten 50 Jahren des Gitarre spielen noch immer Freude und innere Befriedigung erleben darf auch wenn die körperlichen Fähigkeiten etwas nachgelassen haben. Danke für dieses wieder einmal von Ihnen unvergleichlich gut gemachte Interview mit Mr. Snowy White……..Beste Grüße an Sie und das gesamte Redaktionsteam……….