Scott Walkers Vermächtnis: Meister der Melancholie.
Er gilt als das „Phantom des Pop“: Der schlaksige Amerikaner mit dem signifikanten Bariton, Wohnsitz London und einer Veröffentlichungs-politik in entspannter Zeitlupe. Das war nicht immer so. Doch nach dem Ende der Walker Brothers gelang dem einstmals gefeierten Teenstar die Metamorphose zum künstlerisch anspruchsvollen Interpreten – wofür andere Jahre benötigen, vollzog er binnen Monaten. SCOTT COLLECTION 1967 – 1970 kompiliert digital optimiert jene fünf von John Franz produzierten Albummeilensteine, von denen sich u.a. David Bowie, Julian Cope, Nick Cave, Marc Almond, Radiohead und The Divine Comedy inspirieren ließen.
Wie sehr sich Walker zu Höherem berufen fühlt, demonstriert im September 1967 das opulent orchestrierte SCOTT. Strikt persönlicher Geschmack entscheidet über die Auswahl der neun Fremdkompositionen, die seine ausgezeichneten Eigenwerke ›Such A Small Love‹, ›Always Coming Back To You‹ und ›Montague Terrace (In Blue)‹ ergänzen dürfen. Luftig Orchestrales der Arrangeure Reg Guest, Peter Knight und Wally Stott bestimmen herrlich entspannt inszenierte Kauzigkeiten von Tim Hardin (›The Lady Came From Baltimore‹) und Jacques Brel (›Mathilde‹, ›My Death‹, ›Amsterdam‹). Walkers Hommagen an den amerikanischen Liedermacher Hardin (›Black Sheep Boy‹) und den kontroversen belgischen Chansonnier Brel (›Jackie‹, ›Next‹, ›The Girls And The Dogs‹) setzen sich auf SCOTT II ebenso fort wie Orchesterbeiträge von Guest, Knight und Stott. Im Konzept gleich, gerät der Barock-Pop in der Umsetzung noch trefflicher. Einmal mehr mischt Walker surrealistisch bis sarkastisch Selbstverfasstes wie ›Plastic Palace People‹, ›The Amorous Humphrey Plugg‹, ›The Girls From The Streets‹ und ›The Bridge‹ mit Zeitgeistigem der Koryphäen Burt Bacharach (›Windows Of The World‹) und Henry Mancini ›Wait Until Dark‹. Im britischen Fernsehen moderiert der nunmehr in Intellektuellenkreisen goutierte Sonnyboy längst seine eigene Show, als 1969 SCOTT III den Anteil an Eigenkompositionen drastisch erhöht: Noch elegischer inszeniert, ziehen Brel-Originale (›Sons Of‹, ›Funeral Tango‹, ›If You Go Away‹) und Walkers ›It’s Raining Today‹, ›Big Louise‹ und ›30 Century Man‹ mit einer kuriosen Mixtur aus Melancholie und Euphorie in ihren Bann. SCOTT IV vom November 1969 transportiert ausschließlich Eigenmaterial. Im Gegensatz zu den Vorgängern lassen Akzeptanz und Verkauf zu wünschen übrig. Obwohl Soul und Country Einzug halten, unterscheiden sich die zehn Songs nicht allzu sehr vom vorangegangenen Material: ›The Seventh Seal‹ bezieht sich auf Ingmar Bergmans gleichnamigen Kinoklassiker. ›Boy Child‹ betitelt Jahrzehnte später auch eine Kompilation von Walker. Gut möglich, dass kritische Antikriegshymnen wie ›Hero Of The War‹ und ›The Old Man’s Back Again (Dedicated To The Neo-Stalinist Regime)‹ die negative Rezeption bewirken. Kurze Zeit nach dem Erscheinen wird SCOTT IV jedenfalls vom Markt genommen. Mit ’TIL THE BAND COMES IN von 1970 bleibt Walker seinem Konzept treu, geht aber auch neue Wege: Als Bar Jazz präsentiert sich ›Joe‹, Esther Ofarim gastiert auf dem Epos ›Long About Now‹. ›Operator‹ gefällt sich als Slow Blues mit gedämpfter Trompete, in ›Jean The Machine‹ ertönt Charleston, während ›Reuben James‹ abermals Country serviert.