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Rückblende: Orange Crush R.E.M

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Rückblende: Orange Crush R.E.M

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r.e.m.Als intelligenter Kommentar gegen den Krieg, versteckt in einem vierminütigen Popsong, war ›Orange Crush‹ ein Wegweiser in eine neue Richtung für R.E.M. – die sie zu globalem Erfolg und Starruhm führen sollte.

Text: Rob Hughes

15. Juni 1989: Bei „Top Of The Pops“, Großbritanniens größter Musiksendung, tritt ein Quartett aus Athens, Georgia auf, dessen Zeit endlich gekommen zu sein scheint. R.E.M. sind da, um ›Orange Crush‹ zu spielen, den bislang ersten UK-Top-40-Hit ihrer Karriere. Das Stück erwacht mit einer fast militärischen Schlagzeugfigur und Gitarrenarpeggi zum Leben. Ohne Hemd, aber mit grauem Anzug und Sonnen- brille taumelt der Sänger mit einem großen Megaphon über die Bühne. Das Stück selbst ist ein zackiger Mix aus eigensinnigem Pop und stampfendem Rock. Danach schwärmt Moderator Simon Parkin in Anspielung an eine Werbung für ein Getrank gleichen Namens ins Mikro: „›Orange Crush‹ besonders gut an einem heißen Tag!“ Parkin war nicht der Einzige, bei dem die Botschaft nicht wirklich ankam. „Wie die meisten unserer Sachen ist es definitiv ein Antikriegslied, aber ein subtiles“, erklärt R.E.M.-Bassist Mike Mills. „Es gab kein wirklich Anzeichen dafür, dass es ein großer Protestsong war, also haben es sich die meisten Leute angehört und es nicht bemerkt. Am direktesten bezieht es sich auf den rücksichtslosen Gebrauch von Agent Orange bei der Entwaldung in Vietnam und die furchtbaren Auswirkungen, die das auf alle dort hatte, ob Soldaten oder Zivilisten. Es war einfach ein schreckliches Gift, das so häufig verwendet wurde, dass es viel Schmerz und Elend verursachte. Ja, da gab es natürlich diese Ironie, einerseits das süße, leckere Brausegetränk, andererseits die grausamen Folgen dieser Chemikalie. Die ironische Nebeneinanderstellung dieser Begriffe war kein Zufall.“

›Orange Crush‹ war schon ein Jahr lang Bestand- teil von R.E.M.s Live-Set gewesen, bevor es seinen Weg auf ihr sechstes Album GREEN fand, veröffentlicht im November ‘88. Es war ein pointierter Kommentar auf die Rolle der USA im Vietnamkrieg, aber hübsch verpackt in einem spritzigen, vierminütigen Powerpopsong.

Er erzählt die Geschichte eines jungen Football-Wunderkinds, das aus dem komfortablen Heim in Amerika nach Südostasien aufbricht. Der Vater von Sänger Michael Stipe hatte dort im Hubschrauber-Corps gedient, was seinem Text eine persönlichere Note gab. Es finden sich Referenzen auf Schutzbrillen und Helikopter am Himmel, aber der Refrain „follow me, don‘t follow me/I‘ve got my spine, I‘ve got my orange crush“ bezieht sich unverhohlen auf eine sinistre Form der Kriegsführung.

Agent Orange war im Vietnamkrieg mit katastrophalen Folgen eingesetzt worden. Fast 80 Millionen Liter dieses Zeugs, ein entsetzlich giftiger Mix aus Herbiziden und Entlaubungsmitteln, wurden vom US-Militär in den neun Jahren bis 1971 über Waldgebieten versprüht. Das Ziel war, Guerrillas aus ländlichen Gebieten zu vertreiben und Menschen in die von den Amerikanern kontrollierten Städte zu zwingen. Von den drei Millionen Menschen, die schätzungsweise von Agent Orange betroffen waren, wurden vermutlich 400.000 getö- tet oder entstellt, während 500.000 Kinder mit schweren Geburtsfehlern auf die Welt kamen. Bei Veteranen auf beiden Seiten des Konflikts traten zudem erhöhte Raten von Krebs und Nervenkrankheiten auf. Auch die Frauen von zurückgekehrten US-Soldaten litten vermehrt an Fehlgeburten und missgebildeten Kindern.

„Die Soldaten selbst waren hilflos angesichts der Entscheidung der Regierung und des Militärs, dieses Zeug einzusetzen“, beklagt Mills. „Sie hatten nichts zu melden in der Angelegenheit, obwohl sie es sein würden, die mit den Folgen leben müssten. ›Orange Crush‹ war ein sehr gutes Beispiel dafür, was für ein Genie Michael als Textschreiber war. Er wurde selbstsicherer und hatte klare Vorstellungen davon, worum es in den Lieder gehen sollte. Das hieß zwar nicht, dass man es unbedingt begreifen musste, man konnte sie auch einfach nur zum Spaß anhören. Aber wenn man etwas tiefer schürfen wollte, fand man auch immer etwas. Das war bei meinen Lieblingsliedern schon immer der Fall.“ ›Orange Crush‹ war auch eine Kollision von alten und neuen R.E.M. Seit ihrer Gründung 1980 hatten ihre definierenden Eckpfeiler aus dem klirrenden Drang von Peter Bucks kunstvoller Gitarre, dem wortlosen Wehklagen der von Mills angeführten Harmonien, den flinken Rhythmen von Drummer Bill Berry und der unwiderstehlichen Anziehungskraft von Stipes kryptischen Texten bestanden. ›Orange Crush‹ hatte all diese Dinge, plus ordentlich Wumms und mehr Tempo.

Mit DOCUMENT von 1987, das in den USA Platinstatus erreichte, war R.E.M.s Zeit bei Miles Copelands IRS-Label zu Ende gegangen. Die Majors umkreisten die Band, die sich für einen Langzeit-Deal mit Warner entschied. Buck rechfertigte diesen Schritt, indem er auf die Unterstützung des Labels für ungewöhnliche Künstler wie Randy Newman und Van Dyke Parks verwies. „Einer der Hauptgründe dafür, dass wir bei Warner unterschrieben, war, dass wir komplette kreative Kontrolle über alles hatten, was wir taten“, so Mills. „R.E.M. haben immer nur das getan, was sich für uns richtig anfühlte. Entscheidungen wurden also einzig und allein von uns in der Band getroffen.“

Die Kritik, sie hätten sich an einen Major verkauft, konterten sie, indem sie ihren kommerziellen Einfluss nutzten, um ihre antirepublikanischen Ansichten zu verbreiten. „Wie das manchmal bei unseren Albumtiteln der Fall war, hatte GREEN damals einige Bedeutungen“, erinnert sich Mills. „Natürlich ging es um Ökologie und die Umwelt. Die Platte erschien am Wahltag 1988 [Bush senior gegen Dukakis] und wir waren stark involviert in diese Wahl. Wenn man beliebter wird, wird einem sehr bewusst, dass man eine gewisse Wirkung auf immer mehr Menschen hat. Michael als Texter und wir alle als politische Aktivisten hatten also ein Forum für das, was wir dachten und fühlten. Und wir wurden genervt, weil wir bei Warner unterschrieben hatten, also ist der Titel auch ein bisschen ironisch [„green“ kann auch für Geld stehen; Anm.d.Übers.]. Er drückt also eine ernsthafte Absicht aus, aber auch einen kleinen Witz.“

Auf der folgenden Tour füllten sie weltweit die Hallen, was die Geburt von R.E.M. als Stadionmonster der 90er markierte. „Es wurde zu einem echten Live-Liebling“, so Mills über ›Orange Crush‹. „Ich bin mir ziemlich sicher, dass wir es auf der GREEN-Tour jeden Abend spielten. Und wenn ich dann auf späteren Tourneen die Setlist machte, stellte ich sicher, dass es dabei war. Es ist heute eines meiner absoluten Lieblingsstücke.“

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