Die alte Geschichte lautet, dass die Schlüsselzeile im Refrain von „Cruisin‘ for a lady“ zu „Dude looks like a lady“ wurde, nachdem Tyler einen schmollenden Vince Neil auf dem Sunset Strip gesehen hatte. Eine so geniale Story, dass sie einfach erfunden sein muss, oder? „Da steckt definitiv etwas Wahres drin“, entgegnet Perry und lacht fast. „Ich weiß, dass Steven Mötley Crüe gesehen hatte und diese Zeile danach entstand. Steven nahm sie als Sprungbrett. Es war nicht so, dass sie die einzige Inspiration für den gesamten Song gewesen wären, aber die Begegnung brachte definitiv Bewegung in den Text. Sagen wir‘s so: Er wäre sehr anders geworden, wenn Steven Mötley Crüe nicht in diesem Look gesehen hätte.“
Doch selbst mit Seitenhieben auf den androgynsten Haufen Make-up-verkrusteter Whiskysäufer des Sunset Strip fehlte den Worten in ›Dude …‹ immer noch etwas. 1987 war der Gedanke, einen externen Songwriter zu engagieren, noch Ketzerei für Aerosmith, doch letztlich zog man Bon-Jovi-Hitfabrikant Desmond Child hinzu. Am Resultat gibt es nichts zu rütteln, doch Perry gibt zu, dass es Vorbehalte gab: „Steven hatte seine Texte, aber sie passten nicht so richtig. Desmond kam dazu und überarbeitete sie ein bisschen mit Steven. Am Anfang gab es noch eine Menge Widerstand [gegen das Arbeiten mit Child], doch wir wussten, dass wir etwas verändern mussten. Wir wehrten uns dagegen, so lange es ging, doch als wir Desmond erst mal kennengelernt hatten, funktionierte es. Der Song war fertig, bis auf zwei Zeilen, doch die Änderungen daran gaben ihm einen ganz anderen Vibe.“
Als der Text endlich abgesegnet war, wurde SLIPPERY-WHEN-WET-Produzent Bruce Fairbairn hinzugezogen. Das erwies sich als Geniestreich, denn dank seiner akribischen Vorproduktionsmethoden kannten alle den Song in- und auswendig, bevor sie den Aufnahmeknopf drückten.
Die Single erreichte in den USA die Top 20 und erstmals für Aerosmith die Top 50 in Großbritannien. Dazu lief sie auf MTV in Dauerrotation, woran das freche Video mit einem explosiven Auftritt der Band und jeder Menge nackten, weiblichen Fleisches nicht ganz unbeteiligt gewesen sein dürfte. Heute gibt Perry zu, dass dieser Clip das Produkt ihrer neu gefundenen Einstellung war, die Arbeitslast nicht allein zu tragen: „Unser erstes Video machten wir zu ›Draw The Line‹. Wir versuchten, selbst Regie zu führen, und es war einfach nicht besonders gut. Bei ›Dude …‹ dachten wir uns dann: ‚Lasst uns jemanden finden, der sowas beruflich macht‘. Also riefen wir Marty Callner an.
Er liebte es, MTV zu provozieren und zu testen, womit er bei ihnen davon kommen konnte. Das half Clips wie ›Dude …‹ so erfolgreich zu werden und all das Airplay zu bekommen. Er sagte etwa: ‚Wow! Das haben sie durchgehen lassen, aber das müssen wir streichen‘. Es machte viel Spaß, mit ihm zu arbeiten. Das war damals das goldene Zeitalter der Musikvideos.“
Und somit wurde die Mission erfüllt. ›Dude (Looks Like A Lady)‹ half PERMANENT VACATION, ein Bestseller zu werden und ebnete den Weg für das noch erfolgreichere Monster PUMP, das 1989 folgte.
Und mehr als 30 Jahre später besteht es immer noch den ultimativen Test: „Wie sich herausstellte, wurde das ein richtiger Hit“, so Perry. „Alles auf dieser Platte war definitiv besser als DONE WITH MIRRORS, aber dieser Song lief besonders gut und die Leute lieben ihn immer noch, wenn wir ihn heute live spielen. Er ist immer noch auf jeder Setlist, und das sagt einiges aus.“
Veröffentlicht:
Als Single im September 1987
Höchste Chartposition:
USA 14, UK 45
Personal:
Steven Tyler, Lead-Vocals
Joe Perry, Gitarre
Brad Whitford, Gitarre
Tom Hamilton, Bass
Joey Kramer, Schlagzeug
Bob Rogers, Posaune
Ian Putz, Saxofon
Tom Keenlyside, Saxofon
Geschrieben von:
Steven Tyler, Joe Perry und Desmond Child
Produziert von:
Bruce Fairbairn
Label:
Geffen
Hammertitel!