Der komplette Single- und EP-Output: 86 Tracks auf fünf CDs.
Darauf, dass The Who bis zum Erscheinen von TOMMY oft fälschlicherweise als reine „Singles-Band“ wahrgenommen wurden, wiesen wir anlässlich der Wiederveröffentlichung ihres Debüts THE KIDS ARE ALRIGHT bereits hin. Was aber rein gar nichts an der Tatsache ändert, dass die vier Männer aus dem Londoner Westen eben auch mitunter epochale 45er produzierten: Singles und EPs, die den künstlerischen Werdegang der Band perfekt dokumentieren – mit allen Höhen und Tiefen.
Die Frühzeit wurde von kraftvollem R&B mit teils wagemutig dissonanten Feedback- und Chaos-Einlagen dominiert, die den Ruf der Band begründeten, die durchgeknalltesten und kompromisslosesten Vertreter der Beat-Szene zu sein. Wer‘s nicht glauben mag, der höre ›Anyway, Anyhow, Anywhere‹ und ›My Generation‹ von 1965, die selbst den zeitgenössischen Riff-Rock der Kinks oder den derben Garagen-R&B der Pretty Things wie Bubblegum klingen ließen.
Die nächste Entwicklungsstufe: Pete Townshend, der Eigendynamik des „Lauter, Krasser, Destruktiver“ zunehmend überdrüssig, komponierte intelligente Pop-Art-Kleinode der Sorte ›Substitute‹, ›I‘m A Boy‹ und ›Pictures Of Lily‹, überragende Klassiker allesamt. The Who irritierten in der Prä-TOMMY-Phase bisweilen aber auch mit tendenziell albernen Nummern wie ›Bucket T‹ und ›Happy Jack‹, Single-Tracks á la ›Dogs‹ und ›Call Me Lightning‹ ließen 1968 gar Zweifel aufkommen, ob die Band noch auf der Höhe der Zeit ist – doch mit ›Magic Bus‹ wurden The Who wieder seriöser. Dann kamen der ›Pinball Wizard‹ und ›The Seeker‹, Townshend stellte die Weichen Richtung Rock/Hardrock und die frühen 70er gerieten zum absoluten Triumphzug.
Die nächste Krise folgte Mitte des Jahrzehnts: Townshend soff und lieferte Harmloses wie ›Squeeze Box‹, Keith Moon soff noch mehr und fiel nach ›Who Are You‹ final in die Kiste. Die Jahre danach, eigentlich bis heute: durchwachsen, wobei die 2014er-Single ›Be Lucky‹ in Ordnung geht. Mit sämtlichen Songs der Who, die seit 1964 – anfangs noch unter dem Namen The High Numbers – als Singles und EPs erschienen sind, ist MAXIMUM A‘S & B‘S aber mehr als nur ein dickes Brett: ein Stück Rockgeschichte, UNESCO-Weltkulturerbe. Mindestens.
9/10
The Who
MAXIMUM A‘S & B‘S
Polydor/USM