George Harrisons Soloalben als wuchtige Gesamtedition in Slipcase-Box.
In der bis heute wohl größten Popband des Planeten lief George Harrison stets am kreativen Gängelband von John Lennon und Paul McCartney. Ausgleich für die prekäre Situation fand der stets klischeehaft als „stiller Beatle“ titulierte Harrison, dessen alles andere als zurückgezogener Charakter in Martin Scorseses umfangreicher Dokumentation „Living In The Material World“ (2011) gerade gerückt wurde, im künstlerischen Alleingang. Ein Dutzend Solowerke inklusive eines Konzertmitschnitts erschienen zu seinen Lebzeiten, ein weiteres Album posthum 2002.
In der wuchtigen Anthologie THE VINYL COLLECTION 1968 – 2002 vereinen sich erstmals sämtliche Soloalben plus zwei 12-Inch-Picture-Discs. Selbstverständlich allesamt im Original-Artwork samt Beilagen und klangtechnisch optimiert auf 180-Gramm-Vinylscheiben.
Mit WONDERWALL MUSIC, dem Soundtrack zu Joe Massots versponnenem Kino-Hippie-Happening, erfolgte im November 1968 der Soloeinstieg: Eine unter Arrangeur John Barnham mit prominenten Freunden Harrisons entstandene Mixtur aus Fernöstlichem und Psychedelischem. Harrisons frisch erworbener Moog-Synthesizer stand im Mai 1969 im Fokus von ELECTRONIC SOUND – um die Klangcollagen-B-Seite entbrannte alsbald ein Rechtsstreit.
Auch der von Harrison mit Phil Spector co-produzierte Meilenstein im Triple-LP-Format ALL THINGS MUST PASS (1970) – allein in den USA mit sechsfachem Platin ausgezeichnet und beiderseits des Atlantiks auf Rang 1 positioniert – machte Ärger: Ähnelte doch der weltweite Nummer-1-Hit ›My Sweet Lord‹ allzu sehr ›He’s So Fine‹ von The Chiffons (1963).
Auf dem Höhepunkt der Jesuswelle schwamm sich Harrison künstlerisch frei, füllte das von den Beatles hinterlassene Vakuum optimal aus und hinterließ 1A-Songs wie ›Wah-Wah‹, ›What Is Life‹, ›Isn’t it A Pity‹ und ›I’d Have You Anytime‹. Weder die Maßarbeit, noch der Verkaufsrekord ließen sich 1973 auf den Nachfolger LIVING IN THE MATERIAL WORLD mit dem Charthit ›Give Me Love (Give Me Peace On Earth)‹ übertragen. Unter all der Hindu-Spiritualität und dem Krishna-Bewusstsein legten sich Harrisons Schwächen bloß: flacher Gesang in fade arrangierten und etwas beliebigen Kompositionen.
Weiter fort setzte sich das Allerlei in den allenfalls mediokren Apple-Alben DARK HORSE und EXTRA TEXTURE (READ ALL ABOUT IT). Mit dem eigenen Label Dark Horse wagte George Harrison 1976 den Neuanfang. Doch auch das Reset, massiv unterstützt durch die damalige Plattenfirmensekretärin, Harrisons spätere zweite Ehefrau Olivia Arias, produzierte bis auf wenige Ausnahmen vor allem eines: kreatives Mittelmaß. THIRTY-THREE & 1/3 (1976) und GEORGE HARRISON (1979) plätscherten vor sich hin. Eine Wende brachte 1981 SOMEWHERE IN ENGLAND.
Für mediale Aufmerksamkeit sorgte die Hitsingle ›All Those Years Ago‹, eine im Gespann mit Ringo Starr und Paul McCartney entstandene Hommage an den im Jahr zuvor ermordeten Lennon. Das kreative Aufflammen zunichte machte 1982 der maue Longplayer GONE TROPPO. Als bemerkenswert erwies sich 1987 CLOUD NINE, zumal die Studiosessions in der Gründung der All-Star-Formation The Traveling Wilburys mündeten. Lob gebührte Co-Produzent und -Komponist Jeff Lynne, der den elf Tracks, darunter auch die US-Nummer-1 ›Got My Mind Set On You‹ und das Beatles-Pastiche ›When We Was Fab‹, zeitlose Arrangements verpasste.
Bevor sich George Harrison für seine finale Dekade auf Erden ins Privatleben zurückzog, begab er sich mit Langzeitspezi Eric Clapton, der ihm einst Erstgattin Pattie Boyd ausgespannt hatte, auf Fernost-Tournee. Recht belanglos streifte die Doppel-LP LIVE IN JAPAN (1992) Vergangenheit und Gegenwart mit merklichen Reminiszenzen an die Beatles. Für das erst 2002 posthum fertiggestellte BRAINWASHED, stilistisch an die Traveling Wilburys angelehnt, half abermals Jeff Lynne als Co-Produzent aus, Harrisons Sohn Dhani wirkte als Musiker und Produzent mit.
8/10
George Harrison
THE VINYL COLLECTION 1968–2002
CAPITOL/UNIVERSAL
Super was ist der Preis ,?