Der Weg zu einem Meisterwerk.
Vor der Veröffentlichung von MORE BLOOD, MORE TRACKS gab es auf der Facebook-Seite von Bob Dylan ein Video zu sehen, in dem Plattenproduzent John Hammond über BLOOD ON THE TRACKS spricht. Wo andere wie Simon & Garfunkel oder Bruce Springsteen sechs bis sieben Monate im Studio tüftelten, sei Dylans neues Werk in nur wenigen Tagen entstanden und besitze dennoch einen Flow wie kaum ein anderes.
Tatsächlich hatte Dylan seine Platte im September 1974 in New York so schnell aufgenommen, dass es ihn im Dezember desselben Jahres erneut ins Studio zog, diesmal nach Minneapolis, um fünf Songs noch mal neu einzuspielen, diesmal mit Band. Ob ihm die ursprünglichen Aufnahmen selbst zu unbehauen erschienen oder ob auf Anraten seines Bruders, der ihm gesagt habe, so reduziert aufgenommene Stücke würden sich nicht verkaufen, ist bis heute nicht klar.
Inwiefern die Rohfassung der Platte anders geklungen hätte als die 1975 schließlich veröffentlichte, lässt sich jetzt umfänglich nachprüfen. Denn vorliegendes Set – das wie die vorangegangenen „Bootleg Series“ im handlichen Schuber samt Fotobuch und Liner Notes kommt – versammelt zum ersten Mal alle der noch erhaltenen New-York-Aufnahmen, in chronologischer Reihenfolge. Los geht’s mit einem wunderschönen, intimen, nur zu akustischer Gitarre dargebotenen ›If You See Her, Say Hello‹, das der Albumversion mindestens ebenbürtig ist. Genauso die epische Solofassung von ›Lily, Rosemary And The Jack Of Hearts‹. Auch die reduzierten Umsetzungen von ›Idiot Wind‹ oder ›Tangled Up In Blue‹ sind für Fans eine Offenbarung, selbst wenn hier der Schwung der finalen Fassungen fehlt.
Die drei Outtakes ›Spanish Is The Loving Tongue‹, ›Call Letter Blues‹ und ›Up To Me‹ passen thematisch zu den bekannten Songs – doch sie stehen hier nicht im Zentrum. Denn dass sie zeigt, wie das großteils wohl autobiografisch beeinflusste BLOOD ON THE TRACKS – Dylans Ehe mit Frau Sara ging gerade in die Brüche, der Sänger befand sich in einer Liaison mit Columbia-Mitarbeiterin Ellen Bernstein –, zu dem wurde, was es ist, das ist die eigentliche Stärke dieser Box. Nie wurde schöner über die Liebe und über den Schmerz geschrieben als in diesen Liedern.
10/10
Bob Dylan
MORE BLOOD, MORE TRACKS
Columbia/Sony