Zwischen Tradition und Moderne.
Dass er sich versehentlich aus dem Backstagebereich ausschließt und dann nicht mehr auf sein eigenes Konzert kommt, weil ihm ein Zugangs-Armband fehlt, dürfte Paul Simon länger nicht mehr passiert sein. Im Song ›Wristband‹ spielt er eben jenes Szenario durch, und nimmt es als Ausgangspunkt, um über ungleiche Chancenverteilung nachzudenken, über Unterprivilegierte, „that never get a wristband/Kids that can’t afford a cool brand/Who’s anger is at shorthand“. Ähnlich ›The Werewolf‹: Die Reichen werden reicher, die Armen bleiben arm: „Ignorance and arrogance/The national debate.“ An anderer Stelle philosophiert Simon über das Leben im Allgemeinen, über die Liebe, den Tod und – natürlich – die Musik. „Words and melodies fall from summer trees/When the wind blows“, heißt es im empfindsam romantischen Titelstück. ›Cool Papa Bell‹, einer der mitreißendsten Simon-Tracks der jüngeren Vergangenheit, handelt von der schwarzen Baseball-Legende James Bell, das Instrumental ›In The Garden Of Edie‹ ist Simons Ehefrau Edie Brickell gewidmet. Meist ist der Altmeister auf STRANGER TO STRANGER experimentell unterwegs. So mischt er afrikanische Holzblasinstrumente und Percussion mit Gospel, Jazz und elektronischer Musik. Auf ›Street Angel‹ konfrontiert er eine Vokalaufnahme des Golden Gate Quartet von 1939 mit modernen Sounds, für die der italienische EDM-Künstler Clap! Clap! verantwortlich ist. Das Album ist so in großen Teilen eine Klangkollage, ein Spiel mit Rhythmen, Sounds und Samples. Simon zerlegt die Songs in ihre Einzelteile und setzt sie neu zusammen – und das, ohne sperrig zu klingen. Toll.
Paul Simon
STRANGER TO STRANGER
Concord Records/Universal
8/10