Die junge Britin Joanne Shaw Taylor besitzt gleich zwei Fähigkeiten, die man nicht lernen kann: Ihre rauchig-kratzige Stimme fördert pure Melancholie zutage und steht in Eindringlichkeit und Timbre in gerader Linie zur unvergessenen Janis Joplin, ihre flinken Finger schreddern die Gitarrensaiten mitunter so wüst, wie man es aus Zeiten von Saitenhexer Jimi Hendrix kennt.
Das neue Album der Ausnahmekünstlerin heißt ALMOST ALWAYS NEVER und dokumentiert auch ihr großes kreatives Potential: Neben überragender Stimme und virtuosen Fingerfertigkeiten ist die 26-Jährige vor allem eine fabelhafte Songschreiberin. Zudem spricht aus dem aktuellen Werk eine erstaunliche musikalische Reife. „Ich spüre, dass ich an Erfahrung und Selbstvertrauen gewonnen habe“, erklärt Frau Shaw Taylor. „Heute weiß ich besser als je zuvor, dass es absolut okay ist, wenn ich vor allem mich selbst zufriedenstellen möchte. Als ich anfing machte ich mir Sorgen über eventuelle negative Kommentare, und fürchtete, dass man etwas anderes von mir erwartet. Aber man kann es sowieso nicht jedem Recht machen und – ehrlich gesagt – das ist auch gar nicht meine Aufgabe. Viel wichtiger ist es, hart zu arbeiten und die Talente, die mir Gott gegeben hat, nicht leichtfertig zu verschwenden.“
Das macht Frau Shaw Taylor glücklicherweise auch nicht, ganz im Gegenteil: Jedes der zwölf Stücke auf ALMOST ALWAYS NEVER ergießt ein ganzes Füllhorn an Ideen über seine Zuhörer. Dabei geht es beileibe nicht immer handzahm zu. Mal fuhrwerkt die blonde Musikerin ein harsches Gitarrensolo mitten in eine laszive Klanglandschaft, an anderer Stelle schrubbt sie die Saiten so stark, dass der Gesang schwer zu kämpfen hat. „Ich war schon Gitarristin, lange bevor ich mit dem Singen anfing“, gesteht sie. „Der Grund war auch nur, weil irgendjemand in meiner Band nun einmal singen musste. Aber über die Jahre fühle ich mich als Sängerin zunehmend wohler. Der größte Vorteil meiner Stimme ist, dass sie zu der Art Musik passt, die ich machen möchte, und dass mein Gesang mir ständig neue Stilwelten eröffnet.“
Trotz so manch lauter Gitarrenattacke ist ALMOST ALWAYS NEVER allerdings ein überwiegend ruhiges und eher persönliches Album, mit vielen schönen Pop- und Soul-Zitaten geworden. Joe Bonamassa outete sich jüngst als großer Bewunderer der hübschen Blondine aus Großbritannien, sie selbst sieht ihre Vorbilder indes unter namhaften Geschlechtsgenossinnen: „Ich mag Bonnie Raitt, Janis Joplin, Stevie Nicks und Lita Ford, außerdem bin ich sicherlich der größte Fan von Joan Jett.“