Nach dem gemeinsam mit Crazy Horse entstandenen Album AMERICANA vor gerade einmal zwei Jahren ist A LETTER HOME bereits Youngs zweites Coveralbum binnen kürzester Zeit. Kein Wunder also, dass zwar die Aufnahmetechnik für ihn Neuland bedeutete, die Songauswahl dagegen den Weg fortsetzt, den er mit AMERICANA vorgezeichnet hatte, indem er sich von Traditionals zu den Liedern seiner frühen musikalischen Helden vorarbeitet.
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Dennoch wählte er die Stücke für die neue Platte mit Bedacht aus, wie er kürzlich der amerikanischen Presse verriet: „Es sind Songs, die ich liebe, Songs, die mein Leben verändert haben, Songs, die bewirkt haben, dass ich verstand, was andere mir sagen wollten, Songs von großen Schreibern.“ Young selbst sagt zwar, dass er die ausgewählten Lieder bereits daheim bei seiner Mutter in der Grosvenor Avenue in Winnipeg gehört habe, aber das ist ein wenig geflunkert, denn eine ganze Reihe der elf Nummern ist erst erschienen, als Young seine Heimat bereits verlassen hatte und sich in Kalifornien mit Buffalo Springfield und kurz darauf als Solist und mit Crosby, Stills, Nash & Young einen Namen gemacht hatte. Trotzdem steht außer Frage, dass etwa ›Since I Met You Baby‹ (Ivory Joe Hunter, 1956), ›I Wonder If I Care As Much‹ (The Everly Brothers, 1958), ›Crazy‹ (Willie Nelson, 1961) und ›Girl From The North Country‹ (Bob Dylan, 1963) großen Einfluss auf den kanadischen Teenager und seine musikalische Sozialisation hatten. Vor allem die Verbindung zu den Everly Brothers ist interessant, heißt es doch, dass Young Mitte der 60er vor seiner Übersiedlung nach Kalifornien mit dem Gedanken gespielt hat, gemeinsam mit Comrie Smith, seinem Freund aus Kindertagen, ein Duo im Stile von Don und Phil zu gründen. Wie sehr dieses Album trotz einer Reihe später erschienener Songs mit Youngs Jugend verbunden ist, zeigen zudem die liebenswert-sentimentalen „Briefe nach Hause“, die dem Album seinen Namen geben: Nachrichten an seine vor über 20 Jahren verstorbene Mutter Rassy, die Seite 1 und Seite 2 der Vinylversion einleiten. Darin berichtet der Sohnemann von seinen persönlichen Lebensumständen, bevor er seine Mom bittet, doch im Himmel endlich wieder mit ihrem geschiedenen Mann, seinem Vater Scott, zu sprechen, und sie auffordert, eine Nachricht an seinen verstorbenen Freund und langjährigen musikalischen Mitstreiter Ben Keith zu überbringen. Diese Spoken-Word-Tracks unterstreichen allerdings auch, dass es dem Mann mit der ergrauten Mähne und den buschigen Koteletten bei dieser Platte mehr um die Nutzung des Voice-O-Graphen in seiner ursprünglichsten Form ging als darum, einen neuen musikalischen Meilenstein zu setzen oder sich aus seiner Wohlfühlzone zu begeben. Doch auch wenn sich A LETTER HOME sicherlich nicht mit Youngs berühmtesten Akustikalben der Vergangenheit – allen voran HARVEST von 1972 und das 20 Jahre später entstandene Sequel HARVEST MOON – messen kann, ist unter dem Strich dennoch ein liebenswert schräges Album entstanden, dessen technische Limitierungen in den besten Momenten die Gefühlsbetontheit der Performance wirkungsvoll unterstreichen.
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