Unter kanadischem Stern…
Das Werk ist eher dünn besiedelt, als man gegen 19:30 Uhr ins Backstage getrabt kommt. Ungewöhnlich dünn besiedelt. So dünn besiedelt, dass man sich heimlich ein paar Sorgen macht, ob da überhaupt noch Zuschauer kommen zu dieser Soiree unter kanadischem Stern. Als man jedoch langsam so an seinem Radler dahin-nippt und das Debüt von Rush (aus Kanada) halblaut aus den Boxen tönt, strömen Gott sei Dank immer mehr Leutchen zu den Toren herein, sodass bei Royal Tusk (aus Kanada) das Parkett wider Erwarten doch gut gefüllt ist.
Das Quartett kann den Zuhören mit seinem Alternative-meets-Neo-Grunge, der eindeutig an große Bands wie Alice In Chains oder Soundgarden angelegt ist, ganz ordentlich einheizen und hat Spaß an seinem Auftritt, auch wenn der letzte, alles entflammende Funke nicht ganz überspringen will. Es kann am Montag liegen – der macht in München stimmungstechnisch schließlich öfter Mal Probleme – vielleicht auch daran, dass die Truppe in ihrem Sound doch recht abweicht vom sehr souligen Ansatz von Monster Truck oder aber natürlich auch schlicht und einfach am persönlichen Gusto von Frau Konzertbesucherin und Autorin. Die Wahrheit wird wie meistens irgendwo in der Mitte liegen. Nach einem schönen Cover von Audioslaves ›Show Me How To Live‹ in Gedenken an Chris Cornell und einem weiteren eigenen Stück, verabschieden sich die Jungs und machen die Bühne frei für ihre Landsmannen.
Nach dem gewohnten ›Long Live Rock And Roll‹ von Rainbow geht es schließlich um kurz nach neun los. Mit ›The Lion‹, dem ersten Song ihres Debütalbums, stürmen Monster Truck (aus Kanada) die Bühne. Wobei… halt. Stürmen mag an dieser Stelle vielleicht nicht der passende Ausdruck sein, zumindest nicht mehr. Wenn man bereits einige Shows dieser Band gesehen hat, dann wirken die vier Musiker an diesem Abend nicht unbedingt lustlos, aber lange nicht mehr so energetisch wie früher.
Ich erinnere mich an eine Show im Strom in München, als der Schweiß von der Decke troff und der gesamte Club, inklusive Band, fast zwei Stunden lang im Takt hüpfte und headbangte. Wo Jerry Widerman vor wenigen Jahren noch wie ein wildgewordener Derwisch oben ohne, schwitzend, schreiend und tobend mit seiner SG über die Bühne fegte, ist heute ein Gitarrist zu sehen, der immer mal wieder in den Hintergrund abtaucht und dem Publikum den Rücken zuwendet. Vom früheren Wirbelwind nur wenig Spur. Vor allem beim sehr Pop-lastigen ›Evolution‹ vom jüngsten Album meint man zu spüren, dass er sich nicht richtig wohl fühlt. Bereits in einem Interview vor wenigen Monaten bereute Jerry die vereinzelten, sehr modern klingenden Pop-Elemente auf TRUE ROCKERS, scheinbar hat er sich bis heute nicht ganz mit dieser Sound-Entscheidung versöhnen können.
Bei dieser Monster Truck-Show liegt der Fokus deshalb oft auf Frontmann Jon Harvey, der (seit längerem wieder deutlich abgespeckt) solide und cool, mit einem Fuß auf der Monitorbox, auf seinem Viersaiter grooved und mit seiner Soulstimme begeistern kann. Musikalisch sind Monster Truck nach wie vor top, die Setlist ist bunt durchgemischt, man kommt definitiv auf seine Kosten. Bei ›Sweet Mountain River‹ kurz vor der Zugabe kommt auch ein bisschen Flair aus den “guten alten Zeiten” auf, das Publikum singt aus vollen Hälsen mit, man verspürt kleine Glücksfunken im Konzertherz.
Doch trotz größter Solidität des ganzen Abends wischt mir am Ende der knapp eineinhalb Stunden immer wieder ein kurzer Zitatstreifen von Gerhard Polt durch den Kopf: “Mei, er ist ein echter Könner, aber er hüpft halt auch nicht mehr so hoch wie früher.” Es muss jedoch auch gesagt werden: Man kann nicht jeden Abend gleich gut abliefern. Wahrscheinlich lag es einfach nur an der Tagesform. Hoffentlich…