Richard Wayne Penniman kam am 5. Dezember 1932 in Macon, Georgia auf die Welt. Er war das dritte von zwölf Kindern und laut seiner Mutter Leva Mae „machte er am meisten Ärger von allen“. Leva Mae heiratete den Maurer, Gemeindevorsteher einer Kirche und Dealer mit schwarzgebranntem Schnaps Bud Penniman, als sie erst 14 war. „Meine Mutter hatte all diese Kinder“, erinnerte sich Richard später, „und ich war der einzige, der mit einem Geburtsfehler zur Welt kam.“ Da sein rechtes Bein kürzer als sein linkes war, „lief ich feminin … Die Kids nannten mich ‚Schwuchtel‘, ‚Tunte‘, ‚Freak‘, ‚Dreckskerl‘. Die Jungs wollten sich mit mir prügeln, weil ich nicht mit ihnen abhing, ich wollte lieber mit den Mädchen spielen. Denn ich fühlte mich wie ein Mädchen.“
Er trug die Schminke seiner Mutter, imitierte ihre Sprachmuster und Manierismen, denn er wollte „mehr Mädchen als Junge sein“. Letztlich wurde er von älteren Frauen und Männern misshandelt und engagierte sich bald in der örtlichen Schwulenszene. Doch neben seinen unzähligen weltlichen Vergnügungen besuchte er auch Gottesdienste in baptistischen, afrikanisch-methodistisch-episkopalen und Pfingstgemeinde-Kirchen, trat regelmäßig mit der Familientruppe Penniman Singers auf und sang praktisch unablässig. „Er ging uns mit seinem Geplärre auf die Nerven“, erinnerte sich sein Bruder Charles. „Einfach Lärm.“
Noch auf der High School fand er einen Teilzeitjob im Macon City Auditorium, wo er Colaflaschen verkaufte. So konnte er umsonst all die neuesten Acts hören, inklusive seiner Lieblings-R’n’B-Sängerin: Sister Rosetta Tharpe. Als er sie backstage ankommen sah, fing er an, ihr Songs vorzusingen, bis sie endlich zu ihm kam und ihn bat, für einen Song zu ihr auf die Bühne zu kommen. „Alle klatschten und jubelten und es war das Beste, was mir je passierte.“ Sister Rosetta gab ihm 40 Dollar. Der Anfang war gemacht.
Sein „Über Nacht“-Erfolg war, wenig überraschend, das Ergebnis jahrelanger Arbeit. Neben seiner lebenslangen Leidenschaft für das Singen lernte Lil’ Richard (wie seine Familie ihn wegen seiner kleinen, dürren Statur nannte) noch auf der Schule, Altsaxofon zu spielen. Nachdem er 1949 erstmals von einem Publikum gefeiert worden war, begann sein langer, wendungsreicher Weg zum Starruhm. Er trat mit dem örtlichen „Propheten“ Doctor Nobilio auf, ein Spiritualist im Turban, der sein Geld damit verdiente, kurze Blicke auf „das Kind des Teufels“ anzubieten, laut Richard „die vertrocknete Leiche eines Babys mit Klauenfüßen wie ein Vogel und Hörnern auf dem Kopf“. Dann zog er von zuhause aus, um sich der Dr. Hudson’s Medicine Show anzuschließen, einer durch die Lande ziehenden Quacksalbertruppe. Dort sang er Louis Jordans ›Caldonia‹, den einzigen nichtreligiösen Song, den er kannte. Und als ob seine Abkehr vom Gospel nicht genug gewesen wäre, seine sterbliche Seele zu verdammen, trat er sogar unter dem Pseudonym Princess LaVonne in Frauenkleidern bei Varieté-Shows auf.
Den Namen Little Richard verwendete er erstmals bei Buster Browns Orchestra. Dann zog er sich ein rotes Samtkleid an und trat mit Sugarfoot Sam From Alabam auf, bevor er in einem Engagement bei Tidy Jolly Steppers zehn Dollar die Woche verdiente und dann in LJ Heaths Varieté-Show zu einer Truppe geschminkter, mit falschen Wimpern klimpernder Transvestiten stieß. Daraufhin ließ er sich in Atlanta nieder, wo er einen Job (ohne Frauenkleider) bei den Broadway Follies an Land zog, regelmäßig in Bailey’s 81 Theater auftrat und sich langsam einen Namen machte. Das Publikum reagierte zunehmend positiv und er wurde selbstbewusster, auch wenn „niemand über mich hinwegschrie außer mir selbst“.
Bei einem Auftritt im Bailey’s 81 begegnete er erstmals Billy Wright. Auch der war eine schillernde Figur, und seine Outfits waren beinahe so laut wie seine furchteinflößende Kombination aus Blues-Brüllen und Vollgas-Geschrei. Er trug sein Haar lockig, aufgetürmt und in einem Pompadour. Und er bekehrte Richard nicht nur zum R’n’B, sondern wurde auch zu einem Einfluss auf seinen frühen Look. Richard machte die genaue Marke von Wrights pfannkuchendickem Make-up ausfindig und legte sich als zusätzliches Detail noch einen bleistiftdünnen Schnurrbart zu, der eine Narbe auf seiner Oberlippe verbarg.
1951 brachte Wright ihn mit dem jungen weißen DJ und R’n’B-Szenestar Zenas Sears zusammen, der seinen nicht unerheblichen Einfluss nutzte, um seinem 19-jährigen Schützling einen Vertrag bei RCA Records zu besorgen. Die erste Aufnahmesession brachte das noch sehr im Stil von Billy Wright gehaltene ›Every Hour‹ hervor. Was die Musikwelt nicht unbedingt in ihren Grundfesten erbeben ließ, aber doch immerhin zu einem lokalen Hit wurde.
Little Richard verließ die Broadway Follies und zog zurück nach Macon. ›Every Hour‹ wurde in seiner Heimatstadt ebenfalls zum Radiohit und sein Vater Bud, der dem Lebenswandel seines Sohns immer skeptisch und missbilligend gegenüber gestanden hatte, war endlich stolz auf ihn. Er stieg bei Percy Welch And His Orchestra ein, wurde regelmäßig für Auftritte gebucht und begann endlich, ordentlich zu verdienen. Doch etwas fehlte noch.
Richard hatte immer auf dem Klavier der Familie herumgeklimpert, aber konnte nicht wirklich spielen, bis „ich diesen schwulen Typen traf, einen Pianisten namens Esquerita“. Esquerita (bürgerlich Eskew Reeder Jr.) war ein klavierspielender, im Gospel verwurzelter R’n’B-Sänger, der in Sachen Flamboyanz ohne Weiteres mit Billy Wright mithalten konnte. Er trug dicke Schminke, Sonnenbrille und, als ob eine nicht reichen würde, gleich zwei Perücken, um seinen Pompadour in schwindelerregende Höhe aufragen zu lassen. Er brachte Richard das Klavierspielen bei, half ihm, seinen Schwulenslang zu perfektionieren und schenkte ihm sein Markenzeichen: „Woooooooo!“
Im Januar 1952, vier Wochen nach Richards zweiter Session für RCA, als der Starruhm in Griffweite zu sein schien, wurde Bud Penniman vor einer Bar erschossen. Sein großer Bruder diente im Koreakrieg, also wurde Richard plötzlich zum Hauptverdiener der Familie. Er nahm einen Job als Tellerwäscher an. Zum Glück erkannte Clint Brantley, ein Veranstalter in Macon, Richards Potenzial und brachte seine unterbrochene Karriere wieder auf den Weg. Richard zog nach Houston, wo er die Tempo Toppers gründete und bei Don Robeys Peacock Records unterschrieb. Er stritt sich häufig mit Robey und es war eine schwierige Zeit. Die Plattenverkäufe liefen einigermaßen, doch niemand wurde davon reich. Schließlich löste er die Tempo Toppers auf, gründete die Upsetters und wurde von Lloyd „Mr. Personality“ Price entdeckt. Der schlug vor, er solle ein Demo an Speciality Records in Los Angeles schicken (denen Price 1952 den Riesenhit ›Lawdy Miss Clawdy‹ beschert hatte). Das Demo landete auf dem Schreibtisch von Bumps Blackwell, Art Rupe nahm ihn für das Label unter Vertrag, Richard lieferte sein markerschütterndes „Awopbopaloobop-Alopbamboom“ ab und der Rest, wie man so schön sagt, ist Geschichte.