Fachjournalist Mick Wall liefert eine herzliche Biografie über die verstorbene Ikone.
Als uns die schockierende Nachricht von Lemmys Tod Ende 2015 erreichte, steckte Mick Wall mitten in seiner Biografie über den Sänger. Tatsächlich hatte die Arbeit daran schon in den späten 90ern begonnen, als es um Lemmys Gesundheit nicht zum Besten bestellt war. Es sah so aus, als würde er dem Tod nicht mehr von der Schippe springen. Doch er schaffte es und durfte noch beinahe zwei Jahrzehnte mit nicht immer jugendfreien Eskapaden und Hardrock-Abenteuern genießen, auf die im Buch detailliert eingegangen wird. Die fast 300 Seiten umfassende Zusammenstellung von Stories und Zitaten unterstreicht einmal mehr, dass bei Lemmy galt: Was du siehst, ist, was du bekommst. Nichts da mit Bühnenklamotten und Kunstfigur, er lebte dieses Leben und er lebte es 70 Jahre lang in vollen Zügen. Während seine 2002 erschienene Autobiografie „White Line Fever“ natürlich elementarer Lesestoff bleibt, dringt Wall zum Herzen dessen vor, der Lemmy war – dank eines Allstar-Expertencasts und einer Schatztruhe voll Interviews mit dem Künstler selbst. Dessen frühere Hawkwind-Kollegen kommen zu Wort, seine Motörhead-Kumpanen und -Manager, Megafans wie Lars Ulrich und Rockjournalisten wie Dave Ling und Mörat, für den Lemmy, ebenso wie für Wall, genauso Freund wie Interviewpartner war. Diese bunte Truppe geleitet den Leser zu den Meilensteinen im Leben des Rockers. Von seiner Kindheit mit seinem abweisenden Vater über frühe Bands bis hin zu Motörhead. Immer wieder Motörhead. Ihr Aufstieg zum Mainstream-Erfolg, ihr dramatischer Fall und der Weg zum Legendenstatus werden liebevoll wiedergegeben. Außerdem gibt es genug Sex, um Vince Neil erröten zu lassen (Lemmy erzählt von dem Sommer, in dem er es alleine mit einer ganzen Ballerinaschule aufnahm), und Berge von Drogen. Doch es ist nicht alles launige Schwelgerei. Vieles lässt einen schlucken, besonders die späteren Kapitel, in denen unser Held dem Tod immer wieder ins Auge sieht. Davor allerdings erhalten wir Einblick in seine persönlichen Beziehungen. Wall weigert sich, ihn als jemand anderen zu zeichnen, denn als den, der er war: ein überzeugter Einzelgänger mit null Interesse daran, als Familienvater sesshaft zu werden. Er lebte für Motörhead. In dieser Hinsicht ist das vorliegende Buch so kompromisslos, unverblümt und voll trockenen Humors wie der darin Porträtierte. Ein größeres Lob kann es kaum geben.
Lemmy: The Definitive Biography
VON MICK WALL
Orion
8/10