REDEMPTION zeigt Joe Bonamassa von einer gänzlich neuen Seite. Klar ist Blues auch anno 2018 immer noch die Hauptzutat in JBs Universum, jedoch verlässt sich die Ikone nicht auf erfolgserprobte Formeln und überrascht mit einem Füllhorn frischer und spannender Elemente.
REDEMPTION hat enorm viele Facetten. Wie lange hast du an dieser Reise durch deine favorisierten Genres gearbeitet?
REDEMPTION ist zum Veröffentlichungsdatum schon fast zwei Jahre alt. Als ich mit dem Songwriting anfing, wusste ich noch gar nicht, wann die fertige LP das Licht der Welt erblicken sollte. Ich finde es aktuell ziemlich witzig, dass ich nun über diese Scheibe spreche, die für alle neu ist, obwohl es für mich ja eher eine Retrospektive auf eben diese in der Vergangenheit liegenden Sessions darstellt. An manches kann ich mich schon gar nicht mehr erinnern! Das soll jetzt aber nicht heißen, dass ich die ganze Zeit betrunken war…(lacht). Wenn man’s genau nimmt, trinke ich eigentlich überhaupt keinen Alkohol mehr und die Vergesslichkeit diesbezüglich liegt eher in der Natur des Menschen. Im Mai bin ich 41 geworden und es war eher eine langfristige Vernunftsentscheidung, denn wenn wir mal ehrlich sind, steckt man ab einem gewissen Alter viele Dinge, die man früher ohne Bedenken machen konnte, einfach nicht mehr so leicht weg.
Das geht wahrscheinlich jedem so, der die magische Grenze der 35 überspringt.
Genau! Die Auswirkungen von gewissen Handlungen spürt man einfach viel deutlicher als in jungen Jahren. Mir ging es manchmal während des Aufwachens deswegen nicht so gut und ich hatte schlichtweg von solchen Momenten die Nase voll. Ich stellte mir deswegen öfter die Frage „Warum zur Hölle mache ich das?“, und kam zum Entschluss, wenn solche Unterfangen keinen Spaß mehr bereiten, sie eben einfach zu lassen.
REDEMPTION ist jetzt dein drittes Album in Folge, auf dem ausschließlich von dir komponierte Stücke zu hören sind. Es ist darüberhinaus dein bisher vielseitigstes Werk.
Ich hatte in der Vergangenheit das große Privileg, Stücke für meine Alben aus einem schier unerschöpflichen Katalog an Liedern zu wählen, deren Schreiber ich zu einem großen Teil auch persönlich kenne. Man kommt als Künstler irgendwann an den Punkt – zumindest war es bei mir so –, dass einem ständig Textfragmente in den Kopf schießen und man daraus unweigerlich einen ganzen Song kreieren möchte. Es sammelten sich dadurch immer mehr Ideen an und mein altes Konzept bot einfach nicht genug Platz, all diesen guten Einfällen angemessen nachzugehen. Das ist selbstverständlich auch eine Herzensangelegenheit, denn wenn wir mal ehrlich sind, kann niemand die Worte eines anderen Autoren mit soviel Hingabe singen wie der Verfasser selbst. Natürlich kann es sein, dass ich irgendwann mal wieder Coversongs aufnehme – nur zum jetzigen Zeitpunkt ist es für mich der richtige Weg, ausschließlich Originale zu veröffentlichen. Bei Musik geht es ja schließlich um einen Gefühlszustand und mir ist es enorm wichtig, dass das, was am Ende auf einer LP landet, die Welt für mich bedeutet.
„Das ist es doch eigentlich auch, was dich als Künstler ausmacht. Du beobachtest, wo dich die Inspiration hinträgt und welche Blüten daraus hervorgehen.“
Was aber noch immer nicht den großen Stilmix erklärt.
Insgesamt gibt es 37 oder 38 Platten – darunter ganze 13 Soloalben – von mir. Als mir auffiel, dass eine große Gefahr bestand, sich im Kreis zu drehen, zog ich die Reißleine. Es ergibt doch absolut keinen Sinn, beispielsweise THE BALLAD OF JOHN HENRY (2009) Teil zwei unter einem neuen Namen auszuarbeiten. Ich ließ deswegen die Songs für sich selbst sprechen und sich entwickeln. Was dabei passierte, passierte eben. Diese Freiheit finde ich auch ziemlich cool, denn das ist es doch eigentlich auch, was dich als Künstler ausmacht. Du beobachtest, wo dich die Inspiration hinträgt und welche Blüten daraus hervorgehen. Als Kreativer ist es schlichtweg fatal für deinen Output, wenn du blindlings einer vorgefertigten Formel folgst und nur dabei bleibst, weil dich der ein oder andere Trademark deines Sounds oder deines Songwritings zum Erfolg geführt hat. In meinen Ohren ist das pures Blablabla und daran glaube ich kein Stück! Am Ende des Tages geht es doch nur darum, dass du mit deiner Arbeit zufrieden bist und mir gefallen nunmal viele unterschiedliche Genres…
All diese Sounds setzt du live mit einem sehr überschaubaren Setup um: Gitarre, Verstärker und ein paar Pedale. Obwohl du deine europäischen Fans mehr als gut mit Konzerten versorgst, gibt es in einer Angelegenheit lange Gesichter: Der von dir exklusiv über shop.jbonamassa.com vertriebene ’59 Fender Twin Amp JB Edition ist seit seinem Verkaufsstart nicht für die europäische Stromspannung oder generell auf dieser Seite des Atlantiks erhältlich.
Es wird von dem Verstärker nie eine 230-Volt- Version geben! Die Sache mit diesen Amps ist die, dass sie für 115 Volt designt wurden und mit den nötigen Modifikationen einfach nicht wie das Original klingen würden. Wenn sich meine Fans trotz allem einen der Verstärker bestellen, müssen sie in Sachen Zoll und Umsatzsteuer tief in die Tasche greifen. Dieser Umstand gefällt mir natürlich absolut nicht, aber vielleicht findet ein gewitzter Kopf trotzdem einen Weg, an einen heranzukommen. Sie sind super und ich verwende ganze vier Stück gleichzeitig bei meinen Konzerten.
Dieser Verstärker ist im Prinzip eine Metapher zu deinen Songs – grundsolide und ehrlich. Heutzutage hat sich die Kreation von Musik bei der jungen Generation ganz stark in Richtung Programmierung am Computer verschoben.
Das was ich mache, wird von ihnen oft als die Musik alter Männer gesehen…(schmunzelt). Zu diesem Thema fällt mir gerade eine interessante Geschichte ein, die ich in den späten 90ern, frühen 2000ern erlebt habe: Ich schlenderte in einen Gitarrenladen, der eine Ecke für Vintage-Instrumente besaß. Als ich mich umschaute, hörte ich plötzlich ziemlichen Krach und entdeckte, dass in einem anderen Flügel des Geschäfts DJ-Equipment angeboten wurde. Ich war ziemlich verdutzt und fragte den Besitzer, wie das zusammenpasst. Er antwortete mir: „Dieses Zeug hält meinen Shop am Leben! Denk mal kurz darüber nach Joe. Wenn jemand heutzutage mit Musik Geld verdienen möchte, kann er in nicht einmal zwei Wochen lernen, wie diese Geräte und die Software funktionieren. Wenn sich jemand eine Gitarre kauft, braucht er vielleicht zehn Jahre um auf das selbe Level zu kommen…“. Er hatte rückblickend absolut Recht. Wie willst du den Kids anno 2018 in unserer schnelllebigen Welt diesen massiven Unterschied an Aufwand erklären oder als Musikalienhändler verkaufen?! Unsere Art von Musik ist ein langwieriger Prozess und du hast am Ende keine Garantie, dass sie jemals zum Erfolg führt. Man sollte die Jugend dafür auch keinesfalls verurteilen oder von einem hohen Ross aus beäugen. Es gibt aber – wie immer – auch eine komplette Gegenbewegung dazu. Dort ist es wieder schick, Songs von Hand einzuspielen.