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Titelstory: Jimi Hendrix – „Es war verrückt“

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Titelstory: Jimi Hendrix – „Es war verrückt“

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Ist es wahr, dass Hendrix ein eher schüchterner Typ war?
Oh ja, extrem schüchtern. Aber es verhielt sich bei ihm immer ein bisschen wie bei Dr. Jekyll und Mr. Hyde: Auf der Bühne war er das komplette Gegenteil, die komplette Persönlichkeitsverwandlung. Wenn er jetzt neben mir sitzen würde, wäre er ganz ruhig, würde ganz sanft sprechen, sehr artikuliert, sehr lustig, oh, er war ein so lustiger Kerl, he’d take the piss out of me all the time.

Sie haben auf all seinen Studioalben als Toningenieur mit ihm gearbeitet. War er offen für Ratschläge?
Ja und nein. Er fragte oft: ‚Hey Mann, wie war das? War das cool?‘ Und ich dann: Ja, das war gut, aber willst du nicht einen weiteren Take machen, die Gitarre klang gerade so und so? Darauf er: ‚Okay, ich versuch’s noch mal!‘ Aber weil er so gut in dem war, was er machte, passierten Fehler ganz selten. Es ging ihm mehr darum, seine Performance noch weiter zu verbessern. Was ihm aber am Herzen lag: dass, wer auch immer mit ihm arbeitete, verstand, woher er kam und wohin er mit seiner Musik wollte. Er verließ sich auf Leute wie mich, die sich in ihn einfühlen konnten und wussten, wie genau er seine Aufnahmen haben wollte. Ich habe ihm assistiert, so gut ich konnte. Er brauchte jemanden, der wie ein Spiegel für ihn war, im Sinn von: ‚Okay, was ich mache, ist das okay?‘ – ‚Yeah, yeah, yeah, aber du könntest hier vielleicht noch etwas anders machen.‘ – ‚Okay, gut, ich probier’s.‘

Jimi Hendrix Band Of Gypsys

Haben Sie auch außerhalb des Studios Zeit mit ihm verbracht, waren Sie Freunde?
Nein, wir hatten eher eine sehr enge Arbeitsbeziehung.

Die meisten der Songs auf BOTH SIDES OF THE SKY sind mit der Band Of Gypsys entstanden. Warum hat Hendrix damals nicht mehr mit The Experience weitergemacht und stattdessen eine neue Gruppe ge­­gründet?
Wenn man sich die Tracks anhört, dann erkennt man da diese Veränderung, die in seiner Musik 1969 vor sich ging, als er im Studio jammte. Wir bauten da­­mals gerade das Electric-Lady-Studio für ihn. Ich konnte also nicht allzu viel Zeit mit ihm verbringen, aber er rief mich öfter an und sagte: ‚Hey, kannst du rüberkommen ins Studio?‘ Und dort fand eine Art Transformation statt, man fühlte, dass sich die Dinge in eine andere Richtung entwickelten. Die Musik wurde funkier und mehr R&B-orientiert, dazu probierte er vor dem nahenden Woodstock-Festival mit Percussion und verschiedenen Musikern herum. Drummer Mitch Mitchell war immer noch Teil der Gruppe, als Jimi in Woodstock verkündete: ‚Wir sind nichts als eine Band of Gypsys!‘ Das war der Schlüsselmoment. Kurze Zeit später saß Buddy Miles am Schlagzeug und Buddy Cox spielte den Bass, Noel Redding hatte die Band ja schon zuvor verlassen. Und spätestens jetzt konnte man hören, dass etwas komplett anderes entstand. Von 1969 bis 1970 arbeitet Jimi also mit der Band Of Gypsys, sie sind erfolgreich, bringen eine Platte heraus, und dann, zack, zieht er einfach den Stecker. Warum? Weil er Buddy Miles nicht als konkurrierenden Star neben sich haben wollte. Auch Buddy wollte singen, im Vordergrund stehen. Aber nein, nein, es gibt nur einen Jimi Hendrix!

Auf den Songs ›Woodstock‹ und ›$20 Fine‹ singt Stephen Stills. Wie kamen die beiden zurecht, inwiefern konnten sie sich gegenseitig inspirieren?
Es war ganz einfach, Jimi hatte viele Freunde im Business: Stills, Johnny Winter, Brian Jones, alle liebten sie ihn. Stills war sehr kreativ, Jimi mochte, wie er spielte, er mochte seine Musik. Und einmal stürmt Stills ins Studio und sagt: ‚Hey, ich hab hier diesen Song namens ›Woodstock‹, Joni Mitchell hat ihn geschrieben, lass ihn uns spielen!‘ Bang! Jimi lieferte eine Fassung, die viel mit der finalen Version von Crosby, Stills & Nash gemein hat, nicht zuletzt die Gitarrenparts. Er war ein Session-Guy, er konnte mit jedem Spaß haben, er musste nicht Jimi Hendrix der Superstar sein, er konnte auch einfach Jimi Hendrix der Musiker sein. Wunderbar!

Sie hatten bis hin zu den letzten Monaten seines Lebens Kontakt mit ihm. Hatte er sich verändert?
Ja, man konnte sehen, dass er ziemlich traurig war darüber, wie die Dinge standen. Er suchte die Konfrontation mit seinem Manager, wollte größere Veränderungen.

Schien er unglücklich, verloren?
Nein, verloren glaube ich nicht, aber es gab Dinge, die ihn beschäftigten. Er war nicht glücklich mit seiner Situation. Das ist alles, was ich dazu sagen möchte.

Produzenten-Legende Eddie Kramer

Nun haben Sie neben Hendrix in den 60ern unter anderem mit den Beatles, den Rolling Stones und den Kinks gearbeitet. Sie steckten mittendrin. Waren die 60er musikalisch, kulturell und gesellschaftlich eine so aufregende, umwälzende Zeit wie es aus heutiger Sicht scheint?
Nun, sie waren ziemlich fantastisch, so aufregend, dass ich mir nicht vorstellen kann, wieder in ihnen zu leben, es war verrückt. Es gab eine große, weltverändernde Energie, all die Kids, 1969, Woodstock: La la la, we’re gonna change the world! Es ist dann nicht so gekommen. Obwohl es eine schöne Idee war, hat es nicht wirklich funktioniert. Aber allein dort zu sein zu der Zeit der Woodstock-Generation, all das passieren zu sehen, mit auf dieser Bühne zu stehen und auf eine halbe Million Menschen zu schauen! Und alle zu einem einzigen Zweck da: die Musik zu feiern. Liebe, Frieden, all das Zeug, eine sensationelle Idee, doch die harte Realität kam 1970 und in den folgenden Jahren. Die politischen Turbulenzen in den USA, Nixon musste zu­­rücktreten, Vietnam, so schaute die harte, kalte Realität aus. Musikalisch aber natürlich absolut gute Zeiten.

Sind die 60er musikalisch das beste Jahrzehnt überhaupt gewesen?
Es war für alle unglaublich. So viele neue Dinge entstanden, alles war frisch, alles war neu, es gab keine Einschränkungen, bei den Plattenlabels arbeiteten noch keine Idioten. Den Musikern wurde gesagt: ‚Geht raus, macht zwei Alben, macht drei Alben!‘ Man gab den Künstlern einfach Zeit. Die erste Platte verkaufte vielleicht 100.000 Stück, und man sagte okay, die nächste 200.000 oder 300.000, und man sagte okay, gut. Und bei der dritten hatte man vielleicht schon eine halbe Million, und so weiter. Die Musiker bekamen den Raum, sich zu entwickeln. Heute läuft es so: Hau das Album raus, ist es kein Hit, dann auf Wiedersehen! Und das war’s. Künstler brauchen Zeit, aber so läuft es heute nicht mehr, was traurig ist.

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1 Kommentar

  1. Hallo, eine große Freude wieder mal etwas von Jimi Hendrix zu hören. Meine Freundin und ich war 1969 mit Hendrix und seiner Band in München und in der Meistersinger Halle in Nürnberg unterwegs, wir waren als Go Go Girls dabei. Hendrix fragte uns in einer Schwabinger Bar in München ob wir mitgehen wollen und so waren wir drei Tage mit ihm und seiner Band unterwegs. Er fand meine Freundin (blond) toll und so kamen wir zu diesem Gig. Jimi war ein sehr zurück gezogener, introvertierter Mensch, Musik war alles für ihn, immer mit der Gitarre in der Hand, egal wo. Es war damals für mich eine unglaubliche Sache und es hat mir auch niemand geglaubt. Bis ich einen Zeitungsauschnitt vom Nürnberger Abendblatt anforderte und es damit beweisen konnte.

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