Wie eine Sammlung unvollendeter, LSD-durchtränkter Stücke über einen mythischen Superhelden Jimi Hendrix‘ letztes Album hätte werden können.
Text: Kris Needs
Jimi Hendrix‘ posthume Diskografie baut auf unvollendeten Stücken und Studio-Outtakes auf. Seit seinem Tod im September 1970 gab es ständig Neuveröffentlichungen – manche offiziell, manche weniger. Eine Sammlung von Songs blieb jedoch bis heute unter Verschluss: BLACK GOLD, eine unfertige, autobiografische Suite, die zum Grundstein für sein fünftes Studioalbum hätte werden können. Nach ELECTRIC LADYLAND von 1968 wurde Hendrix von persönlichen und geschäftlichen Problemen geplagt. Dennoch ließ er nicht vom Schreiben und Aufnehmen ab und ließ die Tonbänder weiterlaufen, während er in diversen Studios Lieder durch verschieden Inkarnationen bearbeitete. Sobald er seine Tour beendet hatte, wollte er mit der Arbeit an seinem nächsten Album beginnen. Die Stücke auf BLACK GOLD waren jedoch anders. Was er von Mitte 1969 bis zum Frühling 1970 auf seiner akustischen Martin-Gitarre in seiner New Yorker Wohnung und Hotelzimmern aufgenommen hatte, war eine Reihe von Songs, die als Teile von einem größeren, übergreifenden Konzept ausgelegt waren – eine fiktive Biografie, in der Hendrix sich als verschiedene Figuren wie Black Gold, Astro Man und Captain Midnite erträumte. Einerseits schien Hendrix damit dem von The Who ins Rollen gebrachten Trend zu Konzeptalben zu folgen. Andererseits suggerierte es, dass er sich mit dem eskalierenden Druck auf ihn auseinandersetzte, indem er sich in die Cartoons flüchtete, die er als Kind geliebt hatte.
„Da kam dieser Typ namens Black Gold vorbei“, sagte er etwas vage in einem Interview, „und dann kam dieser andere Typ namens Captain Coconut vorbei. Andere Leute kamen. Ich war all diese Leute… Das ist mein Leben, bis etwas anderes passiert.“ In einem anderen Interview sprach er über das Schreiben von „Stücken…Sätze, aber es war, als schreibe ich Musik-Cartoons.“
Die Lieder auf BLACK GOLD waren ein Mix aus frühen akustischen Skizzen verschiedener Stücke, von denen einige in diversen Formen zu Hendrix‘ Lebzeiten erschienen (›Stepping Stone‹ und ›Machine Gun‹, beide vom Live-Album BAND OF GYPSYS) und andere auf posthumen Alben (›Drifting‹, ›Suddenly November Morning‹ und ›Trash Man‹).
Am interessantesten sind aber natürlich die, die nie das Licht der Welt erblickten. Dazu gehören ›Captain Midnight 1201‹, ›God Bless The Day‹ und das jazzige, Flamenco-inspirierte ›The Jungle Is Waiting‹, auf dem Hendrix passende Klangeffekte beisteuerte. Mehrere Stücke erwähnen die Figur Black Gold, ›Here Comes Black Gold‹ und das Titelstück selbst. ›Little Red Room‹ wiederum bezog sich gerüchteweise auf ein Mädchen namens Tami, laut ihrer Mutter Diane Carpenter Jimis Tochter aus ihrer Beziehung 1966, während ›Send My Love To Joan Of Arc‹ zu ›Send My Love To Kathy‹ (nach seiner Freundin Kathy Etchingham) wurde, bevor es noch mal in ›Send My Love To Linda‹ (offenbar aus phonetischen Gründen) umbenannt wurde.
Mit seinem Mighty-Mouse-esken Intro „Here I am to save the day“ war das zweiteilige ›Astro Man‹ am offensichtlichsten von Hendrix‘ Faszination für Superhelden inspiriert – vor allem der komische zweite Teil, in dem ein Mädchen auf LSD ausrastet und aus einem Fenster fällt, nur um vom gleichnamigen Helden gerettet zu werden. Mit der Band Of Gypsys erarbeitete Hendrix eine Fassung des ersten Teils.
Die Chance, BLACK GOLD fertigzustellen, bekam er jedoch nie. In den Jahren unmittelbar nach seinem Tod erlangten die Lieder mythischen Status, bis ihre Existenz von Hendrix- Archivist Alan Douglas bestätigt wurde.
„Jimi machte eine Suite…namens BLACK GOLD, ein bisschen wie eine fiktive Autobiografie über einen Superhengst, der in die Welt zieht, berühmt wird und in den Himmel steigt“, sagte Douglas 1975. „Eines Abends setzten wir uns hin und nahmen alles auf einem Kassettensystem auf – es war grandios! Wir wollten ein Album daraus machen, einen Film usw.“ Douglas erwähnte das Album danach nur noch selten, außer um anzudeuten, dass die Tapes von zwei verärgerten Angestellten von Mike Jeffery, dem letzten Manager des Gitarristen, aus Hendrix‘ Wohnung gestohlen worden waren.
In einer surrealen Wendung spürte der Hendrix-Sammler Tony Brown das BLACK GOLD- Band 1992 beim Experience-Schlagzeuger Mitch Mitchell auf. Hendrix hatte es Mitchell mit mehreren anderen Kassetten zur sicheren Aufbe- wahrung gegeben, der es all die Jahre behalten hatte. Mitchell starb 2008, ohne BLACK GOLD an die Öffentlichkeit gebracht zu haben. Angeblich hatte er es an das Experience Hendrix Project verkauft, das 2010 behauptete, man werde es „in diesem Jahrzehnt“ veröffentlichen. Bislang blieb es weggesperrt und die Welt fragt sich, was genau BLACK GOLD wohl gewesen sein könnte.