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Janis Joplin: Kleine Stadt, große Träume und der kosmische Blues

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Janis Joplin: Kleine Stadt, große Träume und der kosmische Blues

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„Die Welt veränderte sich“, sagt Lau­ra, „und Janis’ Interpretation davon, ein guter Mensch zu sein, beinhaltete Dinge, die viele in den Südstaaten noch nicht akzeptieren konnten. Port Arthur war sehr konservativ, es gab dort einen aktiven Ortsverband des Ku Klux Klan. Als Janis dann in der High School bei einer Diskussion in einer Sozialkundestunde gegen die Rassentrennung argumentierte, wurde sie zur Zielscheibe.“

Dass sie Odetta und Bessie Smith liebte, Gras rauchte und an den Wochenenden mit einem Haufen männlicher Freunde in verruchten Clubs in Nachbarorten abhing, schadete ihrem Ruf noch mehr und machte sie endgültig zur Außenseiterin in der Schule. 1963, nach einem Semester am Lamar College und einem Jahr an der University of Texas in Austin, wo ein Haufen grausamer Burschenschaftsidioten eine Kampagne startete, um sie zum „hässlichsten Mann am Campus“ zu ernennen, entkam Janis Texas endlich. Oder wie sie es einst formulierte: „Sie lachten mich aus der Klasse, aus der Stadt und aus dem Bundesstaat.“ „Sie fuhr mit ihrem Freund Chet Helms per Anhalter nach Kalifornien und sagte meinen Eltern nichts“, erinnert sich Laura. „Sie haute einfach ab. So war sie nun mal, ein sehr entschlossenes Mädchen. Doch es war auch eine Zeit, in der sie ziemlich verloren und immer noch auf der Suche war.“

Bei ihrem ersten Versuch, in San Francisco Fuß zu fassen, schloss Janis sich der örtlichen Folkszene an und sang vor Publikum in Beatnik-Cafés wie dem „Coffee And Confusion“. Zu den Stammgästen dort gehörten auch Marty Balin, David Crosby und James Gurley – später der Lead-Gitarrist von Big Brother & The Holding Company, deren Sängerin Janis werden sollte. Sie lebte kostenfrei im Keller eines Hauses, das einem Folksänger-Pärchen gehörte. Einmal die Woche kam sie nach oben, sang ein Lied, und das galt als ihre Miete. Ihre bemerkenswerte Stimme hatte eine ähnliche Wirkung auf fast alle, die sie hörten. Wenn sie nicht sang, studierte sie die Platten von Lead Belly und Billie Holiday. „Sie können in einem Song nicht weiter als von A nach B gehen und dir doch das Gefühl geben, als hätten sie dir das ganze Universum erzählt“, sagte sie später. Sonntags ging sie in Kirchen der Schwarzen, saß hinten und sang Gospel. Das Geld war immer knapp, also lebte sie davon, frühmorgens Kisten von beschädigtem Obst vom Markt abzustauben. Wenn das nicht klappte, klaute sie. Sie malte und schrieb Gedichte. Sie traf sogar ihr Idol Bob Dylan in einem Club. „Bob, ich liebe dich einfach“, sagte sie. „Eines Tages werde ich berühmt sein.“ Worauf er antwortete: „Yeah, wir werden alle berühmt sein.“

Es gab auch jede Menge Alkohol. Und Drogen. Wie Chet Helms sagte, liefen sie „direkt unter die Speedsüchtigen. Janis hatte das Gefühl, sie müsse es sich verdienen, den Blues zu singen, und dass sie nicht genug gelitten habe.“ Lange bevor LSD zur Hippie-Droge in Haight-Ashbury wurde, nahmen alle Methedrin. Das galt als harmloses Medikament gegen Depressionen, Müdigkeit und Gewichtsprobleme, und für die Beatniks war es ein Teil des Kreativprozesses. Man konnte damit mehr malen, mehr Bücher und Songs schreiben. Die Verfügbarkeit der Drogen und Janis’ Hunger nach neuen Erfahrungen machten sie besonders anfällig, nicht nur für Methedrin, sondern auch das weitaus gefährlichere Heroin. Ihre Stammlokale wurden der „Amp Palace“, wo die Amphetamin-Junkies ab­­hingen, und das „Anxious Asp“, eine Lesbenbar. Wie sie später sagte: „Ich wollte Drogen rauchen, Drogen lecken, Drogen aufsaugen. Was auch immer ich in die Finger bekommen konnte, ich wollte es mir reinpfeifen.“

Da half es nicht, dass Peter de Blanc, mit dem sie bald zusammenlebte, ein noch viel größeres Suchtproblem hatte. „Ihre Beziehung mit Peter war intensiv“, so Laura. „Sie hatte soviele Drogen genommen, es übertrieben und war so fertig, dass ihre Freunde eine Party veranstalteten, bei der sie einen Hut zum Geldsammeln rumgehen ließen, um sie in einen Greyhound-Bus zurück nach Hause setzen zu können.“ Im Mai 1965 kehrte eine ausgemergelte und er­­schöpfte Janis nach Port Arthur zu­­rück. „Sie stieg aus einem Taxi und hatte all ihre Klamotten in mehreren Schuhkartons verpackt, die auf den Boden purzelten. Sie war definitiv klein und dürr, ich glaube, so etwa 40 Kilo. Aber wir waren überglücklich, sie zu sehen. Ich fuhr mit ihr nach Jefferson City, um neue Kleidung zu kaufen, und bald nahm sie wieder zu. Ich glaube, sie hatte endlich beschlossen, Hilfe zu suchen und wieder auf die Beine zu kommen. Das war der Beginn einer sehr positiven Phase in ihrem Leben.“

Positiv, aber auch herausfordernd. Der Gedanke, dass Janis ein normales Leben führen könnte, in dem sie die Erwartungen der Gesellschaft erfüllt, war als würde man einen wilden Singvogel in einen winzigen Käfig sperren. Sie schrieb sich wieder am Lamar College ein mit dem Ziel, Lehrerin zu werden, schwor dem Alkohol und den Drogen ab und schlug sich die Träume von einer Musikkarriere aus dem Kopf. Ihr wildes Haar kämmte sie zu einem ernsten Dutt, dazu kleidete sie sich äußerst konservativ. Sie spielte sogar mit Freunden Canasta. Um das Stepfordsche Bild zu vervollständigen, verlobte sie sich mit Peter de Blanc. Während er in seine Heimat New York zurückkehrte, um clean zu werden, fing Janis die traditionelle Patchwork-Decke zur Eheschließung an und suchte Porzellan, Tischdecken und Besteck für die Hochzeit aus. Eine Zukunft aus weißen Gartenzäunen und Elternabenden schien zu winken.

In einem Brief an de Blanc in jenem Sommer schrieb sie: „Ich habe ein Bild von Dir auf meinem Schreibtisch, an dem ich meine Hausaufgaben mache, und alle in der Familie haben es mindestens dreimal gesehen. Alle sind sich einig, dass Du gut aussiehst. Ich liebe Dich so sehr. In dem Versuch, irgendein Muster in mein Leben zu bringen, finde ich, dass ich immer mit großem Enthusiasmus losgezogen bin und mich dann total zerstört habe. Alles, was ich tat, war wild zu sein, permanent zu trinken, zu ficken und zu singen. Jesus fucking Christ, ich wäre so verdammt gerne glücklich.“

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