Mit THE INCREDIBLE UNIVERSE gibt es ein neues Werk der deutschen Krautrock-Legende Guru Guru. Ihr Kopf und Schlagzeuger Mani Neumeier findet seine wichtigsten Inspirationen im Garten.
Mani, seit 55 Jahren gibt es Guru Guru, THE INCREDIBLE UNIVERSE ist bereits euer 34. Studioalbum. Wie hält man so lange durch?
In meinem Fall ist sicherlich einer der Gründe, dass ich mit mir und meiner musikalischen Laufbahn im Reinen bin. Natürlich gab es Phasen, in denen ich damit gehadert habe, dass nicht noch mehr Zuschauer unsere Konzerte besuchen. Guru Guru sind ja nie ganz groß rausgekommen, aber auch nie völlig abgesackt. Wir haben uns in der Mitte gehalten und freuen uns über unsere treuen Fans. Ich denke, sie spüren, dass ich immer für sie da war.
Kannst du dir erklären, weshalb es nie zum ganz großen Durchbruch gereicht hat?
Vielleicht hätte man noch präsenter, noch viel aktiver sein müssen. Mit etwas mehr Glück und deutlich mehr Energie hätte es womöglich sogar zu einem weltweiten Erfolg gereicht. Aber den haben damals ja auch andere deutsche Bands nicht geschafft, weder Birth Control noch Jane. Außer Udo Lindenberg ist es ja kaum einem aus der damaligen Zeit gelungen, wirklich zum Superstar zu werden.
Und was treibt dich trotzdem weiterhin an, regelmäßig neue Platten zu produzieren?
Irgendwie packt mich immer wieder ein neuer Energieschub und mich beschleicht dann das Gefühl: Es wird mal wieder Zeit! Vorher sind schon die ersten vagen Songideen in meinem Kopf entstanden, viele kleine Skizzen, die sich dann zu einem großen Gesamtbild zusammenfügen.
Aber hast du nach so vielen Alben nie das Gefühl, dass du dich künstlerisch nur noch wiederholen könntest?
Nein, überhaupt nicht. Die Musik von Guru Guru bestand immer schon aus unterschiedlichsten Facetten, von Rock über Funk bis zu Jazz oder auch World Music.
Weil auch deine musikalischen Vorbilder aus unterschiedlichen Genres stammen.
Mein erstes großes Idol war Louis Armstrong, nachdem ich zuvor in meinem Elternhaus nur Schlager und Opern zu hören bekommen hatte. Anschließend habe ich das gesamte Buch von „Jazz Papst“ Joachim-Ernst Berendt durchgespielt. Ich mochte immer schon Elvin Jones, aber auch Jimi Hendrix. Na ja, und dann gibt es da auch noch ein großes Faible für afrikanische und indische Musik.
Und all das geistert in deinem Kopf herum, wenn du über neue Songs nachdenkst?
Natürlich nicht so konkret, zumal ich nichts mit Noten mache. Ich sitze im Garten und lasse meine Gedanken schweifen. Dabei entsteht dann im Kopf zum Beispiel ein 6/8-Groove wie im neuen Stück ›Free Krautrock!‹. Oder ich sitze nachts draußen, sehe am Himmel eine Sternschnuppe und denke: Oh wie schön! Mitunter fällt mir dann eine spontane Textzeile ein wie „I missed so many shooting stars, I missed so many girls“, aus der dann auf unserem letzten Album ROTATE ja auch ein Song geworden ist.
Obwohl Guru Guru stets der Krautrock-Szene zugeordnet wurde, verblüffen eure Platten mit einer erstaunlichen handwerklichen und kompositorischen Qualität. Krautig geht es bei euch nur dann zu, wenn du es bewusst einsetzt, oder?
Das liegt daran, dass ich immer die besten Musiker um mich scharen wollte. Ich habe mich nie nur in meinem regionalen Umfeld umgeschaut, sondern den Kontakt zu wirklich guten Instrumentalisten wie Hellmut Hattler, Ingo Bischof oder Jan Fride von Kraan gesucht. Daraus sind im Lauf der Jahre enge Freundschaften entstanden. Und natürlich haben wir uns auch selbst weiterentwickelt und sind technisch besser geworden.
Gleichzeitig greifst du mit ›Elektrolurch Mutation ’23‹ deinen größten Klassiker aus dem Jahr 1973 wieder auf.
Dieser Song hat sich über die vielen Jahre sowieso ständig verändert, deshalb heißt er bei uns ja auch schon seit langem ›Mutation‹. Mein Ziel war es, ihn für THE INCREDIBLE UNIVERSE nicht komplett auf links zu drehen, aber mit frischen Sounds, leicht veränderten Sprüchen und etwas höherem Tempo für eine aktualisierte Variante zu sorgen. Ich finde, das ist uns gelungen.