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THE FLOWER KINGS >>Ich bin nicht Bono<<

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THE FLOWER KINGS >>Ich bin nicht Bono<<

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The Flower Kings 2012 (3)

Mit ihrem neuen Studioalbum DESOLATION ROSE widmen sich die schwedischen Progrocker The Flower Kings dem Ungleichgewicht zwischen Arm und Reich. Frontmann Roine Stolt erläutert die Parameter.

Text: Matthias Mineur

Roine Stolt sorgt sich um den Zustand der Welt. Alles sei aus der Balance geraten, findet er. Vor allem die Verteilung von Reichtum und Nahrungsmitteln, von Medikamenten und ärztlicher Versor­gung sei so ungerecht wie nie zuvor. Und dann die vielen Kriege, die Vertreibung zig­ tausender Menschen, die Zerstörung ganzer Landstriche, all das Elend. Deshalb hat der Gitarrist, Sänger und Keyboarder der schwe­dischen Progrocker The Flower Kings darüber ein Album geschrieben. Es heißt DESOLA­ TION ROSE, erscheint Ende Oktober und kleidet seine kritische Bestandsaufnahme in wunderbar epische Prog­Rock­Songs, in denen entsprechend ihrem ambitionierten Thema aber auch die notwendigen Widerha­ken und Antagonismen nicht fehlen dürfen. Exemplarisch für die gelungene Verquickung von Musik und Botschaft steht der Song ›White Tuxedos‹. Schroffer als gewöhnlich singt Stolt hier mit verzerrter Stimme, dazu platzieren die Flower Kings zu Beginn und zum Ende des Stückes Ausschnitte einer Rede von Richard Nixon sowie Geräusche vom unsäglichen Vietnam­Krieg der USA. Stolt: „Der Song steht stellvertretend für einen der wohl überflüssigsten Kriege aller Zeiten, ist aber im Grunde genommen ein Gleichnis. Die Geschichte, die wir erzählen, hätte auch aus dem Irak, aus Afghanistan oder Afrika stam­men können.“

Nur knappe 18 Monate haben sich die Flower Kings Zeit gelassen, bevor nun mit DESOLATI­ ON ROSE der direkte Nachfolger der 2012er­ Scheibe BANKS OF EDEN in die Geschäfte kommt. Von ihrem 1995er­Debüt bis zur elften Scheibe hatte die Band zuvor nahezu jedes Jahr ein neues Studioalbum vorgelegt und sich eine treue Fangemeinde rund um den Globus erspielt. Zwischen 2007 und 2012 legte die Band jedoch eine ungewohnt lange Pause ein (Stolt: „Wir hatten das Gefühl, dass unsere Fans mal etwas Abstand von den Flower Kings benötigen und sich andere Bands anhören soll­ten“), um nun aber offenbar wieder zur bisheri­gen Veröffentlichungstaktung zurückzukeh­ren. „Generell herrscht bei uns ein sich immer wiederholender Kreis aus Album, Promotion, Tour, Album“, erklärt Stolt, „und mit Ausnah­me der Pause nach 2007 ergibt sich daraus ein ganz natürlicher Arbeitsrhythmus. Natürlich variiert dieser immer ein wenig, ist letzten Endes abhängig von der Länge der Tourneen. Denn verständlicherweise wollen wir jedes Album so lange wie möglich live spielen. Kon­zerte sind für uns immer der angenehmste Teil des Musikerdaseins. Andererseits freue ich mich nach den Konzerten dann auch wieder jedes Mal auf die erneute Aufnahme der kreati­ven Arbeit.“

Das diese in einem festen, sich nicht grundlegend verändernden stilistischen Rah­men stattfindet, ist laut Stolt der großen Zuneigung aller Beteiligten zum Sound der 70er geschuldet. „Dass wir so klingen wie wir klingen hat ja seine Ursache“, erläutert er, „denn wir lieben nun einmal diese progressi­ven Gitarrenparts, die schweren Orgelklänge, die Streicher, die Synthesizer. Man mag dies als Prog­Rock­Stereotype bezeichnen, aber es ist halt genau das, was uns selbst am besten gefällt. Radikale Änderungen wird man bei den Flower Kings nicht erleben, wir werden auch nie unsere Instrumentierung grundle­gend verändern. Man wird auf unseren Alben kein Banjo, keine Ukulele, keine Trompete und auch keine Kastagnetten finden. Irgend­ wie sind wir Gefangene unserer Instrumente, was aber auch einen positiven Effekt hat: Man findet keine andere Band, die so klingt wie die Flower Kings.“
Wohl wahr. Dass es auf DESOLATION ROSE dennoch zu marginalen Neuerungen kommt siehe oben: Beispiel ›White Tuxe­dos‹ hat eher organisatorische Gründe. Normalerweise sei das gesamte Material geschrieben und arrangiert, bevor die Band ins Studio geht, erzählt Stolt. Diesmal jedoch verfolgten die Musiker bewusst ein etwas
anderes Konzept. „Als die Produktion im Frühsommer losging, waren große Teile der Kompositionen nur rudimentär ausgearbei­tet. Wir ließen absichtlich vieles offen, damit sich im Gegensatz zu früher alle Bandmit­glieder künstlerisch einbringen konnten. Das war für uns natürlich auch ein kleines Risiko, weil wir vorher nicht wussten, ob genau das Resultat entsteht, das wir uns vorgestellt hat­ten. Aber ohne dieses Konzept wären sicher­lich nicht so interessante Nummern wie ›Dark Fascist Skies‹, ›Sleeping Bones‹, ›The Resurrected Judas‹ oder ›Lazy Monkey‹ von der Bonus­CD entstanden. ›The Resurrected Judas‹ beispielsweise wurde aus drei völlig unterschiedlichen Teilen zusammengefügt. Und für ›White Tuxedo‹ existierte anfangs noch überhaupt kein Text, als Jonas (Reingold, Bassist der Band, Anm. d. Verf.) mit dieser Idee ankam.“

Doch da Stolt bereits vorher festgelegt hatte, dass er diesmal seinem Auftrag als Künstler gerecht werden und sich dem heik­len Thema der globalen Ungerechtigkeit zwischen Armut und Reichtum annehmen wollte, waren auch die passenden Worte für diesen Song schnell gefunden. „Fast der gesamte Reichtum dieser Erde befindet sich in den Händen ganz weniger Menschen, und damit auch nahezu die vollständige politische Macht“, schimpft Stolt. Man dürfe sich nicht von den Nachrichten im Fernsehen blenden lassen, in denen es überwiegend um die reichen Länder dieser Erde gehe. „90% der Erdbevölkerung sind bettelarm. Millionen Menschen sind krank, ungebildet, perspektivlos. Aber was kann man als Ein­zelner dagegen tun?“

Für den schwedischen Musiker ist genau dies die essentielle Frage der Gegenwart und damit auch das vorherrschende Thema auf DESOLATION ROSE. Er sagt: „Ich bin nicht blöd, ich weiß, dass ich die Welt nicht alleine retten kann. Aber irgendetwas kann jeder dazu beitragen, wenn er bei sich selbst anfängt. Jeder sollte die Augen offen halten, um zu verstehen, wie andere Menschen leben. Man kann dem Bettler auf der Straße ein paar Euro, etwas zum Essen oder Kleidung geben. Das sind natürlich nur winzige Schritte, aber wenn viele Menschen sie unternhemen, wird sich etwas für die Armen ändern. Man sollte all diese Themen offen diskutieren. Man sollte Politiker über Internet und Chat­Foren danach fragen, was sie gegen derartige Ungerechtigkeiten tun. Und als Künstler kann man darüber Songs schreiben und damit vielleicht Menschen wachrütteln oder sie für solche Themen sensibilisieren. Ich bin zwar nicht Bono, aber ich will zumindest versuchen, einen kleinen Beitrag zur Verbesserung der Lage beizusteuern.”

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