RUMOURS entstand in einer Zeit, als Sie nicht mehr miteinander geredet haben. Sie haben nur noch über die Musik miteinander kommuniziert. Das haben Sie später auch in Interviews erzählt.
Mag sein. Wir waren so verwirrt. Es klingt vielleicht kitschig, aber das größte Missverständnis ist, dass wir uns nicht mögen. Das ist falsch. Wir können keine Liebesbeziehungen mehr haben. Aber wir alle empfinden immer noch Liebe für einander. Ich bin zwar nicht ständig in Kontakt mit Stevie. Aber wenn wir uns treffen, dann umarme ich sie, und es fühlt sich immer noch gut an. Wenn wir jetzt auf die Bühne gehen, mit all diesem sogenannten emotionalen Gepäck, all diesen Geschichten, dann ist das sehr heftig. Vor allem die Dynamik zwischen Lindsey und Stevie. Die beiden kennen sich so gut, dass sie aufpassen müssen, dass sie nicht irgendwelche Knöpfe drücken und damit schmerzhafte Gefühle hochkommen lassen.
Lindsey hat gesagt, dass die Menschen in Fleetwood Mac eigentlich gar nicht in einer Band sein durften…
Ja, Sie haben Recht, das hat er gesagt. Ich weiß, was er meint. Aber wir sind eine Band. (lacht)
Neben den persönlichen Schwierigkeiten hatten Sie während der Aufnahmen auch Probleme mit den Bändern. Sie wurden teilweise beschädigt, weil Sie sie zu oft abgespielt haben.
Das stimmt. Wenn über diese Platte geschrieben wird, dann wird immer erwähnt, dass sie auch in Bezug auf den Sound zu den besten Alben aller Zeiten gehört. Das Ironische ist: Wir arbeiteten so lange daran, nahmen einzelne Spuren immer wieder neu auf und probierten so viel herum, dass wir dabei die Oxydschicht des Bandes mit den bis zu dem Zeitpunkt fertiggestellten Tracks abnutzten. Wir wussten nicht, dass so etwas möglich ist. Und wir waren ja so auf die Arbeit konzentriert, dass wir darauf auch gar nicht achteten. Als wir dann eine Analyse machten, stellten wir fest: Der obere Frequenzbereich war dabei, zu verschwinden. Damals konnte man ja noch keine digitalen Kopien ziehen. Wir mussten also unsere Arbeit unterbrechen und alles noch mal kopieren und die original Drumtracks herausnehmen, damit sie nicht weiter abgenutzt wurden.
Hört sich kompliziert an.
Wir hatten ja damals keine Spezialgeräte. Aber unser Toningenieur Ken Caillat…
…der Vater der heute populären Sängerin Colbie Caillat…
…genau, der fand trotzdem eine Methode, das Becken aus den Drumtracks zu isolieren und eine perfekte Kopie des Sounds zwischen den Beckenschlägen herzustellen. Er machte das perfekt. Und als das Ganze dann genau passte, (klatscht in die Hände) machten wir die Kopie. Und so haben wir die Aufnahmen gerettet. Aber fast hätten wir das Ganze verloren. Da wären wir in massive Schwierigkeiten gekommen. Aber das beweist doch auch, wie viel wir an diesem Album gearbeitet haben. Vor, zurück, vor, zurück.
Mitte der 70er Jahre verließ Peter Green die Band, und mit dem Zugang von Lindsey Buckingham und Stevie Nicks verlor die Musik von Fleetwood Mac ihren Blues-Appeal und wurde wesentlich mainstreamiger. Waren Sie erstaunt über den Erfolg der neuen Bandbesetzung?
John und ich gucken manchmal zurück und sagen: „Wow, keine Ahnung, warum sich das Publikum weiterhin für uns interessierte. Warum sollte es?“ Und einige frühere Fans sind ja auch abgesprungen. Aber wir haben auch in dieser Hinsicht all diese Personalwechsel überlebt. Das ist eine wirklich erstaunliche Geschichte. Bei den meisten Bands hätte es knacks gemacht, dann hätten sie vielleicht noch ein wenig gekämpft und sich noch kurz gehalten, und dann wären sie für immer verschwunden. Und wir sind immer noch dabei und immer noch populär.
Mit „Don’t Stop“ haben Sie unfreiwillig den Titelsong für Clintons Präsidentschaftswahlkampagne beigesteuert.
Wir hatten damit nichts zu tun. Sein Chauffeur entdeckte den Song. Er war mit Clinton im Auto unterwegs, als der damals für den Gouverneursposten kandidierte. Und er sagte: „Sir, wenn Sie jemals für das Präsidentenamt kandidieren, sollten Sie diesen Song verwenden. ‚Don’t stop thinking about tomorrow’, das ist doch ein toller Slogan.” Und das hat Clinton getan. Dummerweise hatte er uns vorher nicht um Erlaubnis gebeten. Und plötzlich lief der Song überall. Da bat ich Christines Verleger, Clintons Leute anzurufen. Aber es war zu spät. Das Ganze war nicht mehr aufzuhalten. Wir sagten dann: „Das ist okay“. Wir mochten Clinton ja. Es hat letzten Endes funktioniert.
John hat mir im Interview erzählt, dass er später der einzige Republikaner auf der Party zum Amtsantritt war und so tun musste, als sei er sehr begeistert.
Ja, das stimmt. (lacht) John ist ein beinharter Republikaner. Der einzige bei uns. Wir anderen waren alle glücklich, dass wir zu Clintons Party eingeladen waren. John auf eine Art auch, aber er sagte: „Es hat schon eine gewisse Ironie, dass ich nicht für ihn gestimmt habe.“ Witzige Geschichte.
Mit welchem Song auf diesem Album fühlen Sie sich am stärksten verbunden?
Mit ›Oh Daddy‹. Ich wusste damals nicht, dass Christine den Song über mich geschrieben hatte. Ich war ja der einzige in der Band, der Kinder hatte. Aber der Song ist sehr traurig. Er hat etwas Quälendes, Melancholisches. Das habe ich immer geliebt. Schon als Peter und ich Songs wie ›Need Your Love So Bad‹ oder ›Jumping At Shawdows‹ gespielt haben. Ich mag diese Leidenschaft. Aus einem anderen Grund fühle ich mich dem Song ›Go Your Own Way‹ sehr verbunden. Ich finde ihn inhaltlich interessant, aber er ist auch für mich als Schlagzeuger eine Herausforderung. Wenn wir diesen Song auf der Bühne spielen, dann ist das normalerweise das Finale. Und als Drummer muss ich dann noch mal richtig aufdrehen. (reißt die Arme hoch) Und ich denke: Solange ich diesen Song noch mit voller Kraft spielen kann, ist es okay. Dieses Stück kann man nicht mit halber Kraft spielen. Es ist ein großer Song. Und je älter ich werde, desto mehr achte ich darauf, dass ich noch alles aus dem Song raushole. Wenn das nicht mehr der Fall sein sollte, muss ich aufhören. Ich denke, dann habe ich nicht mehr das Recht, auf die Bühne zu gehen. It‘s got to be the real shit.
(Fortsetzung auf Seite 3)