Zwei große Sixties-Survivors holen nun nach, was sie in früheren Zeiten nicht richtig ausleben konnten.
Die Sonne hatte den Tag über genauso schön gestrahlt wie 41 Jahre zuvor, als die beiden erstmals an einem Juni-Sonntag zusammen vor großer Kulisse spielten. Der 1969er-Auftritt mit Blind Faith vor 150.000 im Hyde Park mag der rockhistorisch bedeutsamere gewesen sein, aber was die 14.000 nun auf dem Münchner Königsplatz geboten bekommen, so viel ist bereits nach den ersten Takten des Openers ›Had To Cry Today‹ klar, spielt sich soundtechnisch und musikantisch auf einem ganz anderen Niveau ab. Clapton hatte in früheren Interviews immer wieder betont, dass die frisch formierte Supergroup Blind Faith mit ihm und Winwood, sowie dem Bassisten Rick Grech und Cream-Drummer Ginger Baker, seinerzeit weder hinlänglich eingespielt war – noch genug Material hatte für einen Gig in diesen Publikumsdimensionen. Und wer das Video des historischen Konzerts kennt, der weiß, dass man mit der Anlage von damals bestenfalls ein Clubkonzert adäquat hätte beschallen können.
Das Repertoire aus dem Blind Faith-Album bildet auch die Grundausstattung für die Setlist des Münch-ner Abends: Nach ›Had To Cry Today‹ kommen auch eine inbrünstige Version von ›Presence Of The Lord‹, ›Well Allright‹ und ›Can’t Find My Way Home‹ zum Einsatz. Auf die übliche Clapton-Hitbedienung muss das Publikum an diesem lauen Sommerabend im Übrigen zum Teil verzichten – die beiden Altstars haben sich bei der Auswahl der Stücke (ähnlich wie bei ihrer 2009er-US-Tour) eher an gemeinsamen Interessen orientiert.
Der Spiellaune tut das sichtlich gut: Nach einem rasanten ›After Midnight‹ ist die Band mit Willie Weeks (Bass), Chris Stainton (Keyboards) und Ste-ve Gadd (Drums) und den Backing-Ladies Michelle John und Sharon White endgültig auf Betriebstemperatur, beim Traffic-Instrumental ›Glad‹ sprühen nur so die Funken, wenn der immer noch verblüf-fend jugendlich wirkende Winwood in die Pianotasten haut und Clapton die Finger über das Griffbrett seiner babyblauen Strat züngeln lässt. Der semi-akustische Konzert-Mittelteil gerät ruhiger, sein Gänsehautfaktor aber nicht weniger hoch: Winwood lässt im Ray-Charles-Klassiker ›Georgia‹ seine Hammondorgel siedende Soundlava aus-spucken, Clapton im Bluesstandard ›Driftin’‹ seine Akustische wunderbar warme, verblüffend volltö-nende Licks in den Abendhimmel singen.
Durchhänger gibt es kaum: Schlagzeuger Gadd, eigentlich ein unter Seinesgleichen verehrter Groo-ve-Gott, bekommt das alte Cream-Schlachtross ›Crossroads‹ diesmal nicht so rund zum Laufen, und Winwoods Achtziger-Synthiepop-Hit ›While You See A Chance‹ bleibt trotz Claptons Gitarren-infusionen zu leichtgewichtig für dieses Programm. Aber das ist eh alles vergessen, als sie um kurz vor 22 Uhr Jimi Hendrix’ ›Voodoo Chile‹ auspacken: Da raunt Claptons Bluesstimme, und Winwoods kehliges Soulorgan jubiliert, Clapton lässt die Strat heulen, kreischen, wimmern, Winwood seine Orgel grollen, dass es eine Pracht ist. 20 atemberaubende Minuten lang – eine der grandiosesten Darbietungen, die man in diesem Sommer auf deutschen Rockbühnen erleben durfte. Danach noch Claptons verlässlicher Crowd-Pleaser ›Cocaine‹ und ›Dear Mr. Fantasy‹ aus Winwoods Traffic-Zeiten – und nach über zwei Stunden Spielzeit schreiten die Altmeister entspannt von der Bühne.