Überaus eindrucksvolles Porträt einer britischen R’n’B-Kultformation – wenngleich ohne ein richtiges Happy End.
Haarscharf an einer internatio-nalen Karriere vorbei schlitterten Mitte der siebziger Jahre Dr. Feelgood. Ruppig und authentisch in-szenierten sich Schlagzeuger John „The Big Figure“ Martin, Bassist John B. Sparks, Frontmann Lee Brilleaux sowie der hy-pernervöse Gitarrero Wilko Johnson, der aufgrund intensiven Speedkonsums einen Bühnenmanierismus entwickelte, als leide er an motorischen Störungen. Prägnanten Rhythm’n’Blues mischte das kompakte Quartett von der britischen Canvey Island mit würzigem Pub Rock und galt als integratives Bindeglied zwischen Fifties-Rock’n’Roll, Sixties-Beat und Seventies-Punk.
Julien Temples Kinofilm OIL CITY CONFIDENTIAL zeichnet mit ruhiger Collagentechnik minutiös den Weg von Dr. Feelgood mit jeder Menge altem Ar-chivmaterial und aktuellen Interviews nach – lässt aber auch zahllose prominente Musikerkollegen zu Wort kommen: Von den Anfängen in schwitzigen Clubs über die Zeit als Londons „Next Big Thing“ mit brillanten Alben wie DOWN BY THE JETTY, MALPRACTICE, STUPIDITY und SNEAKIN’ SUSPICION bis hin zur abrupten Trennung von Johnson 1977 – der erste heftige von nicht gerade wenigen Rückschlägen für die vor allem auf nachfolgende Musikergenerationen so einflussreiche Truppe. Doch Temple liefert auch ein eindringliches Porträt über das englische Provinzleben, das nur wenige Chancen bereit hält für ambitionierte Mitglieder der un-terprivilegierten Working Class.
Bonusmaterial von rund 50 Minuten inklusive eines ausführlichen Interviews mit dem 1994 verstorbenen Lee Brilleaux machen OIL CITY CONFIDENTIAL für jeden zum Must-Have, der an der Entwicklung britischer Pop-Kultur auch nur halbwegs interessiert ist.