Doug Seegers‘ Lebenslauf liest sich wie das Drehbuch eines Hollywood-Films…
Er gründete eine Familie, zog nach der gescheiterten Ehe nach Nashville und rutschte in die Obdachlosigkeit inklusive einer handfesten Drogensucht ab. 2014 kam die Kehrtwende und Seegers erlangte über Nacht Berühmtheit. Dass der gebürtige New Yorker alles andere als ein One Hit Wonder ist, beweist nun einmal mehr sein fantastisches Drittwerk A STORY I GOT TO TELL.
Doug, bevor wir über A STORY I GOT TO TELL sprechen – wie kam es eigentlich dazu, dass du in Jill Johnsons Sendung „Jills Veranda“ gelandet bist?
Als ich auf der Straße lebte, ging ich samstags regelmäßig in eine Suppenküche in West Nashville. Stacy, die sich dort um uns kümmerte, erhielt irgendwann 2014 einen Anruf aus Schweden. Es war Jill Johnsons Crew, die eine Doku über Nashvilles Straßenmusiker drehen wollte. Sie schlug dabei unter anderem mich als Protagonisten vor. Danach ging alles verdammt schnell. Ich tauchte mit meinen Songs in der Show auf und landete daraufhin postwendend eine Nummer 1 mit ›Going Down To The River‹. Dieser Umstand öffnete für mich sprichwörtlich den Himmel! Innerhalb von wenigen Wochen nahmen wir mein gleichnamiges Debüt auf. Darauf folgten über 60 ausverkaufte Konzerte in Schweden…ein wirklich unglaubliches Ding! (grinst zufrieden)
Seit diesen Tagen bist du nonstop im Studio oder auf der Bühne. War es nicht krass, von 0 auf 100 ins Musikgeschäft zu starten? Auf deiner Uhr standen damals immerhin schon 62 Jahre…
Es fühlte sich ganz natürlich an. Vor und während meiner Obdachlosigkeit arbeitete ich ja schließlich 40 Jahre lang von früh bis spät. Als dann Jill in mein Leben trat und es über Nacht veränderte, konnte ich die alltäglichen Sorgen vergessen und mich voll und ganz auf meine Musik konzentrieren. Ohne den Ballast auf den Schultern, machte meine Kreativität mit 62 einen großen, befreiten Sprung und jetzt sitzen wir hier in der deutschen Hauptstadt anlässlich meines dritten Studioalbums. Mehr Glück kann ein Mensch im Herbst seines Lebens einfach nicht haben!
A STORY I GOT TO TELL ist dein bisher vielseitigstes Werk. Du schlägst mit den Songs einen Bogen von Oldschool-Country und Americana bis hin zu Rockabilly und Spaghetti Western.
Eine der Bands, die mich in den 70ern total inspirierte, waren The Amazing Rhythm Aces. Diese Typen konnten innerhalb eines Augenaufschlags auf ihren Platten zwischen Rock’n’Roll und Bluegrass hin und her springen. Ihr vielseitiger Vibe kickt mich noch heute. Deswegen dachte ich mir „Warum packe ich dieses Mal nicht alles was ich mag auf ein Album?“
Passend dazu ist die LP nicht in Nashville, sondern im bunten Los Angeles entstanden.
(Schmunzelt) Das lag nur daran, dass uns die Kalifornier ein besseres Angebot als die angefragten einheimischen Studios und Produzenten für ein fantastisches Komplettpaket unterbreiteten.
Deine Texte sind in sich geschlossene und aus dem Leben gegriffene Kurzgeschichten. Welchen Lauf nehmen sie von der ersten Idee bis zur fertigen Aufnahme?
Zuerst muss dich ein Thema, über das du schreiben willst, mitten ins Herz treffen. Dann kommt die Melodie und irgendwie fügt sich alles wie von Zauberhand zu einem großen Gesamtbild zusammen. Wenn ich darüber nachdenke… ich besitze leider keine Formel, wie das alles mit meinen Stücken funktioniert. Wenn ich die hätte, könnte ich „inflationär“ komponieren. (lacht)