Was denn eigentlich? Ach, so dies und das über Rock’n’Roll, Erziehungsanstalten und Crackhuren im Kofferraum. Aber Tiere kommen auch vor. Ponys und Schäferhunde. Sie können also beruhigt weiterlesen.
Nachdem nun in allen Landtagen eine politische Kraft vertreten ist, die laut Selbstauskunft mittels Kulturpolitik vor allem die nationale Identität fördern will und Spielstätten als patriotische Erziehungsanstalten begreift, müssen wir den Rock’n’Roll, dieses scharfe Schwert anglo-amerikanischer Besatzungs-Unkultur, doch auch bei KLASSIK ROCK in ganz neuem Licht betrachten, oder? Sollten wir nicht, wie einst schon von Walter Ulbricht gefordert (und der kannte sich echt aus in der Welt der Populärmusik), jetzt endlich einmal Schluss machen mit diesem Yeh-Yeh oder wie das alles heißt? Immerhin werden in dieser Publikation bislang die Werke von Musikern aus allerlei Herkunftsländern propagiert, manche davon können außer „bidde ain Beer unn ain Brattwörst“ kein Wort Deutsch und sind nicht einmal blond und blauäugig, was der zersetzenden Kraft des Multikulti, bis hin zur kompletten Umvolkung, doch nur weiteren Vorschub leistet. Un-ver-ant-wort-lich!
Deshalb werden hier künftig keine Geschichten mehr über angelsächsische Kolonisatoren wie „Tiefes Purpur“, „Kanonen und Rosen“ oder „Wechselstrom/Gleichstrom“ zu lesen sein, aber auch diese Kapelle aus Niedersachsen wird solange totgeschwiegen werden, bis sie sich in „Die Skorpione“ umbenannt, den „Gorki Park“ in ihrem berühmtesten Schlager durch „Volkspark Friedrichshain“ ersetzt hat und endlich in heimischem Idiom den ›Wind des Wechsels‹ lobpreist. Sollte uns aus Versehen dennoch mal ein fremdländischer Künstler ins Heft rutschen, bitten wir die aufmerksamen Leser darum, bei der eilig einzurichtenden Bundeskulturkammer, Unterabteilung „Meldebehörde für undeutsche Umtriebe in Musikmagazinen“, umgehend Meldung zu machen, damit wir angemessen gemaßregelt werden!
Beseelt vom neuen Umerziehungsauftrag wollen wir doch gleich mit der deutschsprachigen Musikgruppe Feine Sahne Fischfilet beginnen, denn die hat auf ihrer jüngsten Platte namens STURM & DRECK ein Heimatlied mit dem schönen Titel ›Zuhause‹ und der identitätsstiftenden Textzeile „ich bleib dabei – für eine grenzenlose Welt“. Egotronic und ihre Auseinandersetzung mit dem ›Exportschlager Leitkultur‹ wollen wir ebenso vorstellen wie das Berliner Damenquartett mit dem aufrüttelnden Namen Die Toten Crackhuren im Kofferraum, das auf so unterhaltsame Weise ›Ich und mein Pony‹ singt. Was mit Tieren geht immer.
Wird das die Kulturreaktionäre in Deutschlands Gauen zufriedenstellen? Vermutlich nicht. Die werden sagen: „So war das nicht gemeint, die sind ja alle total linksgrün-versifft, wir dachten eher an die Klassiker der deutschen Kultur!“ Aber das tun wir doch auch! So ganz spontan etwa an Die Ärzte und eine tiefgreifende Textanalyse ihres Liedes ›Claudia hat ’nen Schäferhund‹. Einen echten biodeutschen Schäferhund, ich bitte Sie! Keine gute Idee? Wir haben verstanden: Was mit Tieren geht doch nicht immer. Sie bevorzugen was Sauberes, wirklich Erbauliches aus der guten alten Zeit, als Kritikern der Obrigkeit noch Zensur, Verbannung, Festungshaft oder Tod drohten. Sturm und Drang! Friedrich Schiller! Dem können wir dank gesunder Viertelbildung sogar ein Zitat aus seinem Bühnenreißer „Don Karlos“ zuordnen. Da sagt der Marquis von Posa zum autoritären spanischen Regenten: „Geben Sie Gedankenfreiheit!“ Wir ahnen es schon: auch wieder falsch.
Man kann es diesen Kultur-Blockwarten mit Hang zum Denunziantentum eben einfach nicht recht machen, deshalb blasen wir die ganze Sache lieber gleich wieder ab (war ohnehin eine Scheißidee; leider meine), schmettern ein fröhliches „Hail! Hail! Rock’n’Roll!“ und machen auch 2019 weiter wie bisher. Was das bedeutet? Rassisten und Antisemiten, Sexisten, Homophobe, Nationalisten, Faschos und Aluhut-Träger, kurzum: Arschlöcher und Deppen, müssen auch im neuen Jahr mit Widerspruch rechnen, weil uns das Kanzleramt, die geheime Weltregierung, der Mossad und sämtliche Freimaurerlogen sonst die Mittel streichen und wir dann unsere Luxuslimousinen und die Designer-Villen am Starnberger See leider nicht mehr unterhalten könnten, was wirklich schade wäre. (Falls sich die lieben Kolleginnen und Kollegen in der Redaktion jetzt gerade fragen, wovon ich eigentlich rede: Ich weiß es doch auch nicht.) Aber derlei plakativer Schwachsinn liegt ja momentan voll im Trend: Man muss überhaupt keine Ahnung haben. Hauptsache, man hat zu allem eine Meinung. Und die wird man ja wohl noch sagen dürfen!