Nach dem Drama um Bassist Chi Cheng stand das Schicksal der Deftones auf Messers Schneide. Doch letztlich hat es die fünf Kalifornier nur noch enger zusammengeschweißt. Mit einem schönen Nebeneffekt: DIAMOND EYES, dem vielleicht besten Album der Band seit WHITE PONY.
Es gibt Menschen, die brauchen morgens nur einen starken Kaffee – während andere auf Gesundheitsprodukte wie frische Säfte, Obst, Müsli oder drei Eier mit Schinken schwören. Und dann sind da noch die Herren von den Deftones. Zwar mittlerweile auch schon Mitte/Ende 30, mit Familie und Kindern sowie schicken Eigenheimen zwischen Los Angeles und Sacramento, aber immer noch mit sonderlichem Frühstücksgebaren, das sie bereits seit den späten Achtzigern kultivieren. So entschwinden sie nacheinander in kleinen Gruppen auf die Toilette des eleganten 600-Dollar-Bungalows im Sunset Marquis Hotel in LA, quarzen bis die Augen tränen und sämtliche Räume von einem süßlichen Geruch erfüllt sind.
Was der Rauchmelder jedoch ebenso ignoriert wie der Roomservice-Beauftragte, der mit einem Wagen voller Speisen auftaucht, kurz schnuppert, lacht und den vergnügten Herren, die nun auf der Terrasse ein Pfeifchen kreisen lassen, Pfannkuchen, Rühreier und Bagels serviert. Dann sagt er noch, wie cool er die Band findet, erntet zufriedenes Schmatzen und darf sich das Album anhören, das in einem CD-Player im Wohnzimmer auf Dauerrotation läuft – allerdings eigentlich nur für die Vertreter der globalen Rockpresse, die ihre Begeisterung mit rhythmischem Kopfnicken zum Ausdruck bringen.
Kurzum: Ein ganz normales Szenario in diesem legendären Vier-Sterne-Schuppen, der zuerst Siebziger-Helden wie Aerosmith, Bad Company, Queen, Rush oder Genesis beherbergte, dann die Spandex- und Alternative-Invasion erlebte, und in der man heute noch Ville Valo, Green Day, Jet, Korn oder Sharon Osbourne beim Lunch mit Steven Tyler trifft. „Old habbits never die“, wie es so schön heißt…
Wobei im Falle der Deftones aber zwei elementare, positive Veränderungen auszumachen sind: Trotz ihrer Kiffer-Gelüste erscheinen sie pünktlich zu einem Promo-Termin – in der Vergangenheit war meist mit zwei bis drei Stunden Wartezeit zu rechnen. Und sogar Camillo Wong Moreno, den alle nur Chino („den Chinesen“) nennen, ist anwesend. Er hat sich früher auch schon mal den Spaß erlaubt, erst gar nicht zu erscheinen oder seine Gesprächspartner mit eisigem Schweigen abzuservieren. „Na ja, ich war jung – und dumm“, kommentiert er sein arrogantes Verhalten, das der Verfasser dieser Zeilen zuletzt zur Veröffentlichung des 2006er-Werks SATURDAY NIGHT WRIST erleben durfte. Und sich eigentlich vornahm: nie wieder ein Interview mit diesem Kerl.
Doch vier Jahre sind eine lange Zeit, insbesondere im Rock’n’Roll-Geschäft. So ist die so genannte New Metal-Bewegung der späten Neunziger, zu der neben Dumpfbacken wie Limp Bizkit auch die Deftones gezählt wurden, inzwischen ebenso versandet wie der große Höhenflug, den die Fünf zur Jahrtausendwende mit ihrem dritten Werk erlebten. WHITE PONY hatte sich damals als ein derartiger Meilenstein in Sachen Harmonie und Härte erwiesen, dass ihn die Band mit den Nachfolgern DEFTONES (2003) und besagtem SATURDAY NIGHT WRIST nicht mehr toppen konnten.