Emotionalität, die einem die Luft raubt.
Deer Tick um das Songwriter-Talent John McCauley haben in ihrer Heimat zwar bereits den Ruf, eine hervorragende Liveband zu sein, die ihre Melange aus Blues, Folk, Country und erdigen Riffs elegant und mühelos vom Studio auf die Bühne transportieren kann. Dass sie das auch jenseits des Atlantiks hinbekommen, gilt es nun zu beweisen: Deer Tick spielen auf ihrer aktuellen Deutschland-Tour zwei Einzelshows, eine in Berlin und eine Frankfurt, zudem geben sie ein Gastspiel beim Reeperbahn-Festival. Und gerade hier kommt ihre Klasse besonders zum Tragen, sie doch eingebettet in ein buntes Musik-Programm, mit und für Gleichgesinnte spielen. Und auch die Location kommt der Atmosphäre zu Gute: Der Club ist klein, eng, stickig: genau das Richtige also für eine Performance, bei der Intimität das A und O darstellt, die Beziehung zwischen Musiker und Zuhörer im Zentrum des Geschehens steht. Diese aufzubauen, ist die Aufgabe von Deer Tick, und die Band aus Providence, Rhode Island, löst sie mit Bravour. Das Kondenswasser tropft alsbald von der niedrigen Decke, während vor allem John McCauley mit seiner innigen, trotz des jungen Alters des Mittzwanzigers bereits knarzig-rauchigen Stimme die Schar in seinen Bann zieht. Ein Mix aus Wut, Trauer und Verletzlichkeit, inspiriert von Hank Williams, Tom Waits oder auch Gram Parsons. Die Begeisterung, die zunächst noch in stummem Staunen äußert, wird nach und nach euphorischer und schließlich ekstatisch, so dass Deer Tick an diesem Abend den Titel „Favorit der Herzen“ mit nach Hause nehmen können. Und selbst wenn es gegen Ende derart schwitzig wird, dass man fast nach Luft ringen muss, geht keiner vorzeitig. Der alternativ angehauchte Folk-Sound von Deer Tick ist einfach zu magisch, zu bewegend, als dass man dies dem Drang nach Sauerstoff opfern würde. So muss die Band die Versammlung selbst auflösen: mit dem feurigen ›La Bamba‹.