Viele Klassiker, und ein Tänzchen
Ganz schön dramatisch, die Einlaufmusik, als würde zum Halali geblasen. Kurz denkt man, Bob Dylan würde gleich hoch zu Ross reinkommen. Dann spaziert er aber doch ganz unspektakulär zusammen mit seiner Band auf die Bühne, ein zierlicher Mann, auch mit 77 keinesfalls gebrechlich, und dank der seit längerem grauen aber immer noch wild in die Luft stehenden Haare freilich leicht zu erkennen. Sein Aufzug ist ganz der des Song & Dance Man, als der er sich ja selbst mal beschrieben hat: golden glitzerndes Jackett, schwarze Smoking-Hose mit goldenem Seitenstreifen. Der Songschreiber als Showman. Ein solcher gibt er dem Publikum für gewöhnlich seine Hits, und eine Erkenntnis des Abends ist: Dylan hat Lust auf seine Klassiker, was live ja nun wirklich nicht immer so war. Und sie sind – für seine Verhältnisse – leicht wiedererkennbar.
Los geht’s, wie fast immer, mit ›Things Have Changed‹, gefolgt von ›It Ain’t Me, Babe‹, bei dem erstmals die Mundharmonika erklingt, ›Highway 61 Revisited‹ und ›Simple Twist Of Fate‹. Dylan steht am Klavier, und das wird bis auf Ausnahmen die nächsten knapp zwei Stunden auch so bleiben. Bei ›Like A Rolling Stone‹ knallt der Drum-Schuss, der sonst nur am Anfang zu hören ist, vor jedem Refrain durch die Schwabenhalle, ›Don’t Think Twice‹ kommt als Solo-Piano-Nummer daher. Neben den Liedern aus dem Frühwerk gibt es viel aus der Zeit ab TIME OUT OF MIND (1997), von ›Tryin’ To Get To Heaven‹ über ›Thunder On The Mountain‹ bis ›Scarlet Town‹. Den rumpelnden Rhythm & Blues, wie er ihn vor knapp zehn Jahren live spielte, gibt es nur streckenweise, genauso scheint die Sinatra-Nachfolge der jüngsten Zeit vorbei.
Obwohl: Vielleicht ist das heute eine Mischung aus beidem, Dylan jedenfalls singt vergleichsweise sauber, auf seine Band kann er sich sowieso verlassen. Die spielt so mittlerweile seit Jahrzehnten zusammen, ist perfekt eingegroovt, kann jederzeit Tempo rausnehmen oder zugeben, lauter oder leiser machen, wie es grade passt. Und auch das Publikum ist brav, lässt die Smartphones sicherheitshalber gleich in den Hosentaschen stecken. Man weiß bei Dylan ja nie, wie er auf ein leuchtendes Display reagiert – spätestens seit seinem Wien-Auftritt, bei dem er sich so über die Fotografen unter den Zuschauern ärgerte, dass er über einen Bühnenmonitor stolperte und die Bühne vorzeitig verließ.
Heute läuft alles ohne Zwischenfall. Und so kommen am Ende planmäßig ›Blowin’ In The Wind‹ und ›It Takes A Lot To Laugh, It Takes A Train To Cry‹, nachdem das selten gehörte ›Gotta Serve Somebody‹ zu Standing Ovations geführt hatte, auch wegen des kleinen Tänzchens vom Song & Dance Man. Und auch, wenn er das Konzert über kein Wort gesprochen hat: Zugänglicher wird man Bob Dylan nicht mehr erleben.
Text: David Numberger
Setlist
1. Things Have Changed, 2. It Ain’t Me, Babe
3. Highway 61 Revisited, 4. Simple Twist Of Fate
5. Cry A While, 6. When I Paint My Masterpiece
7. Honest With Me, 8. Tryin‘ To Get To Heaven
9. Scarlet Town, 10. Make You Feel My Love
11. Pay In Blood, 12. Like A Rolling Stone
13. Early Roman Kings, 14. Don’t Think Twice,
It’s All Right, 15. Love Sick, 16. Thunder On The Mountain,
17. Soon After Midnight, 18. Gotta Serve Somebody
Zugabe:
19. Blowin‘ In The Wind,
20. It Takes A Lot To Laugh, It Takes A Train To Cry