Status Quo
Back 2 SQ2
Ear Music/Edel
Erhältlich in diversen Formaten: The Frantic Tour Reunion 2013.
Dass sich Status Quo in ihrer legendären Quartettbesetzung mit Bassist Alan Lancaster und Schlagzeuger John Coughlan reformiert haben, darf man als kritischer Mensch natürlich ganz grundsätzlich hinterfragen: wozu eigentlich? Neue Boogie-Geniestreiche wie in den 70ern sind kaum zu erwarten, von künstlerischer Relevanz kann heutzutage nun wirklich keine Rede mehr sein. Letzteres darf man aber auch mit einem herzhaften „Na und?“ kommentieren und den Fokus ganz entspannt darauf legen, was diese Reunion in allererster Linie ist: ein Riesenspaß. In Ton und optional auch in Bild zu bewundern auf den diversen Ausgaben von BACK 2 SQ 1, aufgezeichnet in der Wembley Arena und/oder dem Hammersmith Apollo. Mähnen werden ausfallbedingt zwar nicht mehr geschüttelt und der Gesang, vor allem von Herrn Lancaster, tönt bisweilen ein wenig dünn, aber wenn die Frantic Four die große Boogiemaschine anwerfen und mit alten Krachern wie ›Railroad‹, ›In My Chair‹ und ›Down Down‹ die Bühne fegen, macht das dennoch gute Laune. Und wer jetzt indigniert einwirft, die wollten doch nur ihre Rente aufbessern, dem sei gesagt: dürfen sie doch. Das Londoner Publikum macht jedenfalls nicht den Eindruck, zum Konzertbesuch gezwungen worden zu sein und hatte offensichtlich jede Menge Spaß. Was als Rechtfertigung völlig ausreichend ist.
7
Text: Uwe Schleifenbaum
Devin Townsend Project
THE RETINAL CIRCUS
InsideOut/EMI
Herein spaziert, herein spaziert!
Devin Townsend lädt einmal mehr ein in seine bizarre Welt. In THE RETINAL CIRCUS öffnet der Kanadier seine skurrile Manege der Absonder-lichkeiten, seine eigene kleine Freak Show. Eingeführt in den Live-Abend werden die Zuschauer durch eine Videoaufzeichnung von Steve Vai (bei dem er seine musikalische Karriere begann) und dem Charakter Howard, einem Teenager, der sich Fragen über die Realität stellt – und zu träumen beginnt. Hier betritt Townsend im weißen Anzug und Zylinder zusammen mit einem Gospelchor die Bühne, um ›Effervescent!‹ zu spielen. Vorhang auf für ein abgedrehtes Musical á la Townsend: bei ›Lucky Animals‹ tanzen mindestens ein dutzend Damen in Katzenkostümen um den Meister des Biazrren herum, bei ›Vampolka‹ und ›Vampira‹ tauchen plötzlich Ziltoid (wir erinnern uns an Townsends kleines Alien, dass die Welt bereist, um den besten Kaffee des Universums zu finden) und seine Familie auf, zu ›Bend It Like Bender!‹ kommen die Go Go Girls. Aufgezeichnet am 27. Oktober im Roundhouse in London, präsentiert Townsend 20 Jahre seiner Musik (eine 30-minütige Doku erklärt ergänzend das Konzept) auf seine ganz eigene Art und Weise. Ein faszinierendes Spektakel! Nur schade, dass man nicht da war, denn es könnte das einzige Konzert dieser Art gewesen sein.
9
Simone Bösch
Rory Gallagher
LIVE IN CORK
Eagle Vision/Edell
Konzert von 1987, liebevoll ausgeschmückt.
Keine Frage: Blues Rock der Marke Rory Gallagher galt in den 80er Jahren als Relikt vergangener Zeiten, was dem irischen Gitarrenvirtuosen laut verlässlicher Quellen auch schmerzlich bewusst war. Er hätte seinen Stil ändern und ins Mainstream-Fach wechseln können, mit Drumcomputer und lustigen MTV-Clips. Tat er aber nicht, und dafür – allerdings nicht nur dafür – muss man den Mann aus Cork einfach lieben. Ein Unbeugsamer, der tat, was er tun musste, ohne Rücksicht auf kommerzielle Aspekte. 1987 kehrte er ins Opera House seiner Heimatstadt zurück, mit kompakt und etwas härter rockender Band als in den 70ern und alten Gassenhauern wie ›Tattoo’d Lady‹, ›Messin’ With The Kid‹ und ›Out On The Western Plain‹, wie immer dargeboten mit technischer Finesse und jeder Menge Herzblut. Ein glorreiches Heimspiel, festgehalten vom irischen Rundfunk und für die DVD-Veröffentlichung klanglich restauriert. Als Zugabe gibt’s eine liebevoll inszenierte Stadtführung durch „Rory’s Cork“. Wirklich nett gemacht.
9
Uwe Schleifenbaum
Metallica
THROUGH THE NEVER 3D
Ascot Elite
Konzertfilm meets Drogentrip.
Eines vorweg: Wenn Metallica ein neues Projekt ankündigen, dann kann man sich auf jeden Fall darauf verlassen, dass an Qualität nicht gespart nicht gespart wird. Als James Hetfield, Lars Ulrich, Kirk Hammett und Robert Trujillo erstmals von ihrem 3D-Film sprachen, waren die Neugier und natürlich vor allem die Erwartungen groß. Bei Bekanntgabe des Konzepts erschienen jedoch einige Fragezeichen: Denn THROUGH THE NEVER soll ein Konzertfilm mit einer eingeflochtenen Spielfilmhandlung sein – in 3D natürlich. Wie soll man sich das vorstellen? Und vor allem: Wie soll die Umsetzung aussehen? Diese Fragen werden schon in den ersten Minuten des Films beantwortet: Alles beginnt auf einem Metallica-Konzert, bei dem ein junger Roadie schon anfangs losgeschickt wird, um Benzin zu einem liegengebliebenen Laster zu bringen, der etwas enthält, das die Band unbedingt braucht. Der junge Mann wirft sich noch schnell eine Pille ein und macht sich auf den Weg. Seine Reise entwickelt sich zu einem düsteren Drogentripp im Wechsel mit Konzertaufnahmen, die thematisch mit seinen Stationen übereinstimmen. Eine nette Idee. Leider wirken die Handlungsabschnitte des „Spielfilms“ manchmal etwas konfus und deplatziert. Auch der Wechsel zwischen Konzert und Geschichte ist hier und da etwas irritierend, was öfter die Frage aufkommen lässt: Braucht man diese Einschübe wirklich? Denn die Aufnahmen des Konzerts selber sind gigantisch. Der Bühnenaufbau einmalig, die Mischung der Songs ein Best-Of aller Metallica-Klassiker. Das alles in 3D lässt manchmal wirklich das Gefühl entstehen, mittendrin im Geschehen zu sein. Doch wirklich kaputt macht die Seitenhandlung den Film auch nicht, sondern fungiert als nette Ergänzung, denn einen weiteren Konzert-mitschnitt allein braucht eigentlich auch niemand. Enttäuschen werden Metallica ihre Fans damit jedenfalls sicher nicht.
7
Simone Bösch
Portnoy Sheehan
MacAlpine Sherinian
LIVE IN TOKYO
Eagle Vision/Edel
Prog- und Fusion-Fest!
Viel hochkarätiger könnte eine Fusion Rock-Supergroup kaum besetzt sein: Mike Portnoy gehörte bis vor drei Jahren zu Dream Theater und trommelt zurzeit für The Winery Dogs, Billy Sheehan spielte einst bei David Lee Roth und war einer der Erfolgsgaranten von Mr. Big. Derek Sherinian arbeitete für Kiss, Alice Cooper und war bei Black Country Communion involviert, und Tony MacAlpine ist ein Solo-Star, dem Kollegen aus unterschiedlichsten Genres seit Jahren höchsten Respekt entgegenbringen. Gemeinsam hat dieses Quartett im November 2012 in Tokio eine rassige Show aufzeichnen lassen, in der Stücke aus den unterschiedlichsten Schaffensphasen dieser Einzelkönner aufgeführt wurden. Da gibt es Auszüge aus Dream Theaters A CHANGE OF SEASON und als absoluten Höhepunkt eine fesselnde Version von Billy Cobhams Jahrhundertsong ›Stratus‹. Der gemeinsame Nenner aller Stücke ist virtuos gespielter Fusion/Prog Rock, die hervorstechenden Merkmale dieser DVD sind ihr praller Sound und die mit zahllosen Close-Ups gespickte Kameraführung. Ein Schmaus für Augen und Ohren!
8
Matthias Mineur
Queen +
THE FREDDIE MERCURY TRIBUTE CONCERT
Eagle Vision/Edel
Das volle Programm: kommt spät, aber immerhin!
Das FREDDIE MERCURY TRIBUTE CONCERT, das April 1992 im Londoner Wembley Stadion stattfand, gilt bis heute als eine der größten Rockshows aller Zeiten. Aber auch als bedeutendste AIDS-Awareness-Veranstaltung sowie als mediales Megaereignis ging dieser Abend in die Geschichte ein. Um so erstaunlicher ist es eigentlich, dass dieses 270-minütige Staraufgebot erst jetzt in beinahe voller Länge und in digitaler Form erscheint. Zum zehnjährigen Jubiläum des Konzerts wurde bereits eine Doppel-DVD veröffentlicht, auf der aber – zum Ärgernis vieler Fans – die gesamte erste Hälfte, das sogenannte Vorprogramm, fehlte. Das aktuelle Paket hingegen beinhaltet nun auf einer Extra-DVD diese Performances von Metallica, Extreme (leider fehlt hier ›More Than Words‹), Def Leppard (ohne ›Animal‹ und ›Let’s Get Rocked‹), Bob Geldof und Guns N‘ Roses. Herzstück von THE FREDDIE MERCURY TRIBUTE CONCERT ist noch immer das 20 Songs umfassende Set der drei verbliebenen Queen-Mitglieder Brian May, Roger Taylor und John Deacon, die ihre größten Hits mit den unterschiedlichsten Künstlern auf die Bühne bringen. So kam es damals zu einmaligen Kollaborationen mit David Bowie, Annie Lennox, Elton John und Axl Rose. Die Bonus-DVD (Scheibe Nummer 3) bietet außerdem Aufnahmen der Proben zum Riesenevent, Fotomaterial sowie die bereits 2002 veröffentlichte 60-minütige Dokumentation über das Konzert. Zwar ist die Bildqualität nicht auf höchstem Niveau (Standard Definition statt HD) jedoch ist dies eine enorme Steigerung verglichen mit den selbstaufgezeichneten VHS, die sicherlich tausendfach seit über 20 Jahren in deutschen Wohnzimmern verstauben. Auch die Tonqualität (unkomprimierter Stereo- und DTS-HD-Surround-Sound) enttäuscht hier nicht.
8
Paul Schmitz
Ween
LIVE IN CHICAGO
Schnitzel Records/Rough Trade
Live as fuck!
Zum ersten Mal 2004 veröffentlicht, ist diese bemerkenswerte DVD nun endlich auch in Deutschland offiziell erhältlich. Zum Best-Of-Dokument der damals absolvierten Schaffensphase von Ween fehlen auf LIVE IN CHICAGO eigentlich nur ›I Can’t Put My Finger On It‹ und ›Buenas Tardes Amigo‹, ein Song, der hierzulande auch durch den Film LAMMBOCK Berühmtheit erlangte. Ansonsten offenbarten Ween während der zwei Konzerte, die am 8. und 9. September 2003 im Vic Theater für diese DVD plus Live CD aufgenommen wurden, quasi alles, was man von Ween hören wollte, so man denn mit ihrem Repertoire vertraut war. Vor allem auf der DVD, die neben der grandiosen Setlist auch durch super Bildqualität und ebensolchen Ton in 5.1 Surround besticht, ist mit dem Umfang von 26 Songs eine Ween-Hit-Dichte erreicht, bei der wie bereits erwähnt, nur die beiden eingangs genannten Tracks fehlen.
Geschenkt. Denn Gene und Dean Ween präsentieren auf LIVE IN CHICAGO eine Performance, die den alles entscheidenden Beweis dafür abliefert, dass Ween eine der größten Live Bands ihrer Zeit waren. Kein Gig unter mindestens drei Stunden, und selbst, wenn die Band musikalisch mal nicht so gut drauf war, waren Ween immer noch vor allem eines: unterhaltsam. Doch von „nicht so gut drauf“ ist auf LIVE IN CHICAGO rein gar nichts zu sehen, die Band hat sichtlich Freude am Tun und fügt ihrem eigenen Repertoire noch den Led Zeppelin Track ›All Of My Love‹ hinzu. Dass es kaum nennenswertes Bonusmaterial gibt – lediglich 3 Songs wurden zusätzlich mit anderen Kameraeinstellungen aufgenommen, dazu gibt es ein Video zu ›Transdermal Celebration‹ – trübt die Sicht der Dinge nicht wesentlich ein, denn in der Hauptsache geht es hier um die exzellente Performance einer Band, die sich leider vor rund einem Jahr aufgelöst hat. Was diese Veröffentlichung noch ein ganzes Stück essentieller macht.
10
Ralph Buchbender