Denn sie wissen, was sie tun
Vor gut einem Jahr plauderten eine Hälfte von Greta Van Fleet und ich ganz nett in Los Angeles, während Sänger Josh leider damals schon krank im Bett lag. Wenige Monate später hatte er wieder etwas am Kehlkopf und die angekündigten Deutschland-Shows mussten um ein halbes Jahr verschoben werden. Die Frage, die sich zu dem Zeitpunkt stellte: Würden Greta Van Fleet ihren unfassbaren Hype so fortsetzen können oder würde der Rummel um die Jungspunde schnell wieder abflauen? Das immer noch ausverkaufte Zenith am Donnerstag ließ schon mal eher auf zweitere Möglichkeit schließen. Auch, dass das bunt gemischte Publikum in der Umbaupause zwischen dem souligen Support-Act Yola und den Stars des Abends Stimmung machte, als würde gleich das unheilige Triumvirat aus Lemmy, Fast Eddie und Philthy aus der Hölle aufsteigen, verstärkte diesen Eindruck. Die halbe Stunde Verspätung machte zudem deutlich, dass sie zwar noch grün hinter den Ohren sind, aber bereits die Kunst beherrschen, einen auf dicke Hose zu machen.
Apropos dicke Hose: Man möchte nicht sexistisch sein, doch als die Buben sich unter tosendem Applaus zu ihrem Hit ›Highway Tune‹ endlich vor ihre Fans bequemten, blieb der Blick erst mal an ihrem kleinen Sänger mit der frechen Frisur hängen. Der sah in seinem roten Catsuit mit Glitzerapplikationen – und ja, hier wird bewusst das Wort Catsuit verwendet und nicht der bequemere Bruder namens Einteiler – aus, als würde er gleich vor einer internationalen Jury ein paar Pirouetten auf dem Eis drehen. Außerdem gab das eigenwillige Kleidungsstück aufgrund des engen Schnitts interessante Einblicke frei. So wissen wir nun, dass Josh Rechtsträger ist und wenigstens hier ein eklatanter Unterschied zu seinem (natürlich nicht beabsichtigten) Vorbild Robert Plant besteht. Der ist nämlich Linksträger, was in „The Song Remains The Same“ eindeutig bewiesen wurde.
Mit Körperlichkeit kokettieren sie ja alle vier gern: Der nur halb bedeckte knabenhafte Oberkörper von Gitarrist Jake war spätestens nach seinem 10 Minütigen Gitarrensolo gleich am Anfang mit Schweiß überzogen, auch Bassist Sam hatte sein Glitzerhemd bis ganz unten aufgeknöpft. Drummer Danny trommelte nach kurzer Zeit sowieso oben ohne. Das ist im Rock’n’Roll-Zirkus bei Gott keine Neuheit, aber in Verbindung mit seinem jugendlichen Aussehen war es fast schon irritierend, wie zielstrebig Josh die Blicke auf seine Körpermitte zog. Ganz zu schweigend von der seltsam zuckenden Handhabung seines Tambourines…
Aber abgesehen von den schnöden Oberflächlichkeiten: Wie war es denn jetzt? Die Beantwortung dieser Frage ist nicht einfach: Rein musikalisch betrachtet war dieser Abend im Zenith wirklich grandios. Auch wenn man das Alter dieser Band einmal außer Acht lässt, wurde hier allein vom Sound, dem Zusammenspiel untereinander und den Arrangements her eine Show geboten, die ganz knapp an Perfektion grenzte. Wobei wir aber vielleicht auch schon beim Problem angelangt sind: Trotz dieser außergewöhnlichen Darbietung stellte sich kein euphorisches Konzertgefühl ein und das lag nicht an dem eher ruhigen Hippie-Jippie-Flower-Power-Set. Viel mehr mag es an der Biografie dieser Truppe liegen. Daran, dass Greta Van Fleet fast schon wie aus einem Urknall entstanden plötzlich einfach da waren. Daran, dass es hier (noch) keine richtige Entwicklungsgeschichte gibt. Fast sofort spielten die vier große Hallen, lieferten ab. Das war und ist beeindruckend, daran gibt es nichts zu rütteln.
Trotzdem wirken Greta Van Fleet wie perfektionierte Abzüge eines Rock-Star-Bildes, das wir alle nur zu gut von bestimmten Bands aus den 70ern kennen und zu schätzen wissen. Auch andere Newcomer orientieren sich daran, doch bei den Gretas steckt hinter Sound, Outfit und Co. so viel Sorgfalt und Vision, dass man es schon fast mit Kalkül verwechseln könnte. Was dagegen ein wenig fehlt: Die Attitüde. Das macht die Jungs schlecht greifbar, die einzelnen Charaktere und Persönlichkeiten innerhalb der Band kristallisieren sich nicht heraus, sie wirken fast schon brav – und das trotz der tiefen Einblicke. Greta Van Fleet sind kein bunter sympathischer Haufen, sondern absolute Vollprofis mit einer gewissen Abgeklärtheit. Klar kann man das feiern – so wie der Großteil des Münchener Publikums am Donnerstag, oder aber man kann sie weiterhin als interessante Exoten in einem großen und von Spannungen malträtierten Rock-Milieu betrachten. Ein Kollege meinte am Ende des Konzerts: „Entweder sie spielen nächstes Mal in der Olympiahalle oder gar nicht mehr“. Ich glaube, er hat Recht.
Moin Jacqueline,
deinem Bericht nach hattest du was für die Ohren UND für die Augen. Was will „frau“ mehr?? 🙂
Hoffentlich „Gar nicht mehr“ – traurige Led Zep Kopisten
Du hast es ziemlich treffend beschrieben. Man war immer so hin und her gerissen. Wie ich einem Bekannten schon sagte, absolut faszinierend war eigentlich auch das Publikum. Die Altersstruktur war dermaßen breit gefächert, vom Teenie bis zum Rock-Opa. Hatte ich das letzte Mal so bei den White Stripes vor längerer Zeit, auch im Zenith, erlebt. Der „Old school“-Rocksound fällt generationsübergreifend auf fruchtbaren Boden, das ist doch alleine schon ein Grund zur Freude. Die Band hat echt Spaß gemacht, auch wenn ich den Hype um sie schon immer etwas übertrieben fand. Natürlich gibt es auch jede Menge Zeppelin-Anleihen (über die Page-typische, nach hinten wippende Schaukelbewegung des Gitarristen hinaus), aber um die Klasse ihrer Idole zu erreichen fehlt schon noch viel. Gleiches gilt auch für die Songs, ohne sie in keinster Weise klein zu reden, die Alben sind wahrlich nicht schlecht. Es ist aber auch egal. Sie sind nicht Led Zeppelin, sie spielen guten Rock, obwohl für mich manchmal kurz die Grenze zur Teenie-Romantik knirschend gestreift wurde. Und doch haben sie mich immer wieder mitgerissen. Auch wenn ich mir wie du manchmal dachte, sie sind schon irgendwie zu brav, die Buberl….nun muss man sich ja nicht gleich so zudröhnen, wie das ihre Helden vom Luftschiff oft gemacht haben, zumindet Page und Bonham…aber ein paar Whiskeys 😉 …ein, zwei Bier oder so 😉 …hätten vielleicht auch nicht geschadet, dachte ich mir immer mal zwischendurch. 😉 Scherz beiseite, keiner will ja irgendjemanden hier zum Drogenkonsum auffordern… Festzuhalten bleibt, nur weil der Sänger mit hoher Stimme singt, ist er noch lange kein Robert Plant, der freilich wesentlich expressiver ist -vermutlich hasst Josh auch inzwischen den ewigen Vergleich. Er könnte ihm und der Band mittelfristig auch eher schaden. Soll er doch sein eigenes Chasrisma entwickeln…Na, wie dem auch sei, ich hatte meinen Spaß…und das meine ich durchaus nicht sarkastisch 😉
Was wären die Boys ohne die von ihnen adaptierten Boys aus der besten aller Rock-Musik-Zeiten ?
Meiner Meinung nach noch immer eine unbekannte Band wie viele andere vermutlich talentierteren Bands auf diesem Planeten. Für meinen Geschmack finde ich ihre Musik ihren Sound wie einen faden Aufguss dessen was ihre Altvorderen ablieferten. Damals war es noch eine musikalische Sensation, dargeboten von exzellenten Musikern, auch wen der ein oder andere Song nicht aus der Feder der allseits bekannten Protagonisten stammte. Was daraus allerdings Entstand waren Songs für die Ewigkeit , für mich zumindest. ob die Boys von
Greta Van Fleet ähnliches schaffen werden wage ich zu bezweifeln, denn Kreativität kann man nicht kopieren, nicht covern.
Diese Gretas haben mir sehr gut gefallen, ich fand sie sehr erfrischend und ohne dieses peinliche Rockergetue. Musikalisch haben sie es schon drauf, und der Sänger hat nicht nur mich an Freddy Mercury erinnert, nicht stimmlich (obwohl er live genau so singt wie auf CD) oder optisch (er ist klein und zierlich), aber seine Bühnenpräsenz war echt super! Er wirkte aber schon authentisch und hat nicht einen auf Freddy gemacht. Die anderen Jungs waren eher still, aber sehr fleißig. Das ganze hat etwa 90 Minuten gedauert, wobei der Drummer gegen Ende noch ein sehr kraftvolles zehnminütiges Solo gespielt hat.
Für so eine relativ neue und junge Band war im Bezug auf Bühne und Technik alles sehr aufwändig und profimäßig, das ist vermutlich nicht auf dem Mist einer ‚Garagenband‘ gewachsen, da hat schon noch wer rein investiert, hoffentlich werden die von diesem jemand nicht verheizt, wäre schade drum, sie kamen sehr sympathisch rüber.
Das Publikum war sehr gemischt, sowohl altersmäßig als auch Männlein und Weiblein, und vom äußerlich deutlich erkennbaren Hardrocker bis hin zur Buchhalterin war alles vertreten. Die Stimmung im Saal war auch sehr gut, begeistert bis nahezu enthusiastisch , aber friedlich.
Frauen, die zu Konzerten gehen um zu sehen ob der Sänger „Rechts,-oder Linksträger“ ist ,wären bei den Chippendales besser aufgehoben.
Das ist absolut richtig! Leider lesen sich alle Konzertkritiken von Frau Floßmann wie ein Erlebnisbericht aus der 6. Klasse und nicht wie eine ernsthafte Konzertkritik. Naja, in der „Bravo“ könnte man so etwas vielleicht noch schreiben….