Feuer frei!! Judas Priest präsentieren ihr 18. Studioalbum FIREPOWER. Wir sprachen exklusiv mit „Metal God“ Rob Halford über die neuen Songs, sein turbulentes Leben und den Stand der Dinge bei der ultimativen Heavy-Metal-Band, mit der er bald wieder auf Tour geht.
THE PRIEST IS BACK! Nachdem die EPITAPH-Worldtour bereits vor einigen Jahren fast das Ende der legendären Metal-Band aus dem britischen Birmingham einläuten sollte, haben Rob Halford, Glenn Tipton, Ian Hill und Scott Travis nicht zuletzt auch dank ihres „Neuzugangs“ Richie Faulkner ihre Spielfreude wiederentdeckt und greifen jetzt erneut an. FIREPOWER heißt der Nachfolger von REDEEMER OF SOULS (2014), der mit 14 brandneuen Songs aufwartet, ein Album in allerbester Judas-Priest-Tradition.Erstmals in ihrer Karriere gingen Halford & Co. gleich mit zwei Produzenten ins Studio – zum einen mit Hausproduzent Tom Allom, einem routinierten Rock-Veteranen, der seit 1979 für JP-Klassiker wie UNLEASHED IN THE EAST, BRITISH STEEL, SCREAMING FOR VENGEANCE und DEFENDERS OF THE FAITH verantwortlich zeichnete, zum anderen mit dem etwas jüngere Co-Producer Andy Sneap (48), der u.a. Alben für Accept, Saxon, Megadeth und Exodus produzierte. „Eine wirklich gute Kombi“, zeigt sich Rob in Interview begeistert. „Wir haben damit das Beste aus zwei Welten gewonnen: Old School Classic Metal im Mix mit etwas modernerem Metal-Sound. Das war, wonach wir beim neuen Album strebten.“
Und es hat funktioniert. Mit FIREPOWER und abwechslungsreichen Tracks wie ›Evil Never Dies‹, ›Never The Heroes‹, ›Children Of The Sun‹, ›Necromancer‹, ›Traitors Gate‹, ›Sea Of Red‹, ›Flame Thrower‹, ›Spectre‹, dem atmosphärischen Instrumental ›Guardians‹, das als Intro zu ›Rising From Ruins‹ dient sowie dem Titeltrack, ist Judas Priest das topsolide, starke Metal-Album gelungen, das man von ihnen erwartet hat. Mit dichtem, druckvollem Sound schließt es stilistisch perfekt an REDEEMER OF SOULS (2014) an. Priests 18. Album klingt dabei nicht so brutal-brachial wie das Meisterwerk PAINKILLER (1990), sondern steht mehr in der Tradition ihrer 80er-Jahre-Großtaten wie SCREAMING FOR VENGEANCE (1982) oder DEFENDERS OF THE FAITH (1984) – und zeigt, dass die Band noch immer zu Recht als die „ultimative HM-Offenbarung“ gilt, an der sich noch heute viele junge Bands orientieren.
Das unverkennbar Priest-typische, in gelb und rot gehaltene FIREPOWER-Artwork stammt von Claudio Bergamin, einem Künstler und Fotografen mit chilenischen und italienischen Wurzeln, der übrigens auch für Robs Merchandise-Marke „Metal God Apparel“ arbeitet. „Wir sind sehr zuversichtlich, was das neue Material betrifft und natürlich gespannt, wie es bei den Fans ankommen wird“, sagt Rob.
„HEAVY METAL IST EIN VENTIL, UM FRUST RAUSZULASSEN!“
Sind neue Songs wie ›Evil Never Dies‹, ›Never The Heroes‹, ›Rising From Ruins‹ oder ›Sea Of Red‹ textlich denn pure Fiktion oder doch politische Anspielungen, wie man vermuten könnte? „Mit den Botschaften, die wir in unseren Songs aussenden, wollen wir immer sowohl das wahre Leben als auch Fantasiewelten darstellen“, betont Rob. „Der Sound von Judas Priest bietet von jeher eine Form von Eskapismus aus dem Alltag. Wir beobachten die Welt und schreiben darüber, das kann dann durchaus auch mal politisch sein. Eine politische Band sind und waren wir aber nie. Für uns – und unsere Fans – ist Heavy Metal ein Ventil, um alltägliche Frustrationen rauszulassen. Du willst bei einem Metal-Konzert deinen ganzen aufgestauten Ärger aus dir rausschreien und headbangen – und dazu müssen die Texte passen.“
Ein Track, ›Lightning Strike‹, wurde bereits vorab veröffentlicht und stieß durchweg auf positive Resonanz. „In dieser Nummer geht es inhaltlich darum, dass man sich im Leben von nichts und niemandem unterkriegen lassen soll und sich jeder Konfrontation mutig stellt!“ Ein Gratis-Motivationskurs vom „Metal God“ also. Halford spricht da durchaus aus Erfahrung, denn auch er musste in der jüngeren Vergangenheit einiges durchmachen. Zum Beispiel vor fünf Jahren eine schwere Rücken-Operation in England. Auch ein „Metal God“ ist eben nicht unverwundbar. „Es war die Hölle. Ich litt unter unvorstellbaren Schmerzen und musste dringend unters Messer, es ging nicht mehr anders“, blickt Rob auf die schwere Zeit zurück. „Zum Schluss musste ich ja selbst auf der Bühne am Stock gehen, um meinen Rücken zu entlasten. Da ich nie öffentlich über mein Leiden sprach, dachte sich manch Fan bestimmt, ich sei ein alter, schwerfälliger Sack geworden“, lacht er heute. „Aber die Auftritte damals haben mich eine große Überwindung gekostet. Gott sei Dank verliefen die Operation und die Reha dann erfolgreich, mein Chirurg war ein Meister seines Fachs und ich bin ihm sehr dankbar, dass er mich von meinen Höllenschmerzen befreien konnte. Jetzt bin ich wieder topfit!“
Auch in diesem Jahr mussten Rob und seine Mannen bereits Rück- bzw. Schicksalsschläge wegstecken. Im Januar hatten sie gleich zwei Todesfälle in ihrem Umfeld zu beklagen: Am 7. verstarb ihr legendärer Produzent Chris Tsangarides (Thin Lizzy, Y&T, Anvil u.v.m.) im Alter von 67 Jahren. Am 16. folgte ihm der ehemalige Drummer Dave Holland (69), der von 1979 bis 1989, von BRITISH STEEL bis RAM IT DOWN bei Priest spielte. K.K. Downing bekundete sein Beileid als erster via Social Media: „Dave war ein enger Freund und ein guter Musiker sowohl auf der Bühne als auch im Studio. Ich erinnere mich gerne an die vielen Gigs, die wir zusammen spielten und die Alben, die wir machten. Ich werde immer dankbar sein für die unauslöschlichen Beiträge, die Dave der Band geliefert hat.“ Die Band folgte daraufhin mit diesem Statement: „Wir hören mit Bedauern von Dave Hollands Ableben. Trotz der Vorkommnisse nach seiner Zeit bei Judas Priest zählen unsere gemeinsamen Jahre zu den produktivsten und erfolgreichsten der Band, allein schon deshalb vermissen wir ihn sehr.“ Hintergrund: Dave war 2004 des sexuellen Missbrauchs an einem Minderjährigen angeklagt und zu einer achtjährigen Haftstrafe verurteilt worden, obwohl er stets seine Unschuld beteuerte. Zuletzt hatte der ehemalige Trapeze-Drummer als Schlagzeuglehrer zurückgezogen in Lugo, einer Kleinstadt im Nordwesten Spaniens, gelebt.
Und dann war da noch die Geschichte mit der „Rock And Roll Hall Of Fame“… Trotz (hochverdienter) Nominierung klappte es dieses Jahr leider nicht mit dem Votum. Wie groß ist die Enttäuschung darüber? „Klar waren wir ziemlich traurig“, bekennt Halford offen. „Man bekommt irgendwie das Gefühl, dass Heavy Metal vom Hall-Of-Fame-Gremium als minderwertige Musik angesehen wird – trotz der Millionen Fans in aller Welt, die in die Konzerte strömen. Wir hätten uns über diese Ehre gefreut. Ich denke schon, dass Judas Priest nach all den Jahren für diese Ruhmeshalle qualifiziert sind. Aber selbst Bands wie Motörhead und Thin Lizzy sind da nicht vertreten, ein Unding! Naja, früher oder später werden wir wohl reinkommen in die Hall Of Fame. Ich hoffe nur“, lacht Rob, „dass wir dann noch körperlich im Stande sind, auf die Bühne zu klettern und zu rocken…“
„MEINE DROGENSUCHT NAHM LEBENSBEDROHLICHE AUSMASSE AN!“
Im Januar, genauer gesagt am 6., gab es für Rob dann aber auch was zu feiern, sozusagen seinen zweiten Geburtstag! „Ich bin seit diesem Tag exakt 32 Jahre lang absolut drogenfrei – und sehr stolz darauf“, betont er. „Die Drogen hätten mich ja fast das Leben gekostet. Ich habe dieses besondere Jubiläum extra auf meinem Instagram-Account gepostet, weil ich es mit den Fans teilen wollte. Ich bekam Hunderte Nachrichten von Metalheads, die auch mal mit Drogen in Berührung gekommen sind und ähnliche Erfahrungen gemacht haben. Manche von ihnen waren gerade mal eine Woche clean, manche gar schon länger als ich selbst. Drogenfrei zu leben ist nicht nur für einen selbst gut, sondern auch für die Familien und Freunde, die da zwangsläufig mitleiden. Wenn jemand meint, Metal und Saufen gehören einfach zusammen, halte ich das für kompletten Schwachsinn. Klar trinken meine Kollegen nach der Show ihr Bierchen, aber nicht mehr exzessiv und vor allem: ohne mich!“ Warum gehen denn seiner Meinung nach Drogenkonsum und Rock’n’Roll so oft Hand in Hand? „Nun, es ist ein großes Privileg, wenn man jeden Abend in großen, ausverkauften Hallen auftreten darf. Die Schwierigkeit besteht darin, eine Balance zu finden zwischen dem Leben auf der Bühne und privat. Das ist oft ein Problem. Dazu kommt diese ewige Versuchung. Die 80er waren sowas wie eine nie enden wollende Party. Wir haben wie verrückt Kokain geschnupft und gesoffen ohne Ende. Nach den Shows feierten wir, bis die Sonne aufging. Das war alles ganz normal – dachten wir zumindest. Aber am nächsten Abend mussten wir wieder rauf auf die Bühne und ich fühlte mich oft beschissen. Meine Stimme klang scheiße, manchmal habe ich sogar Texte vergessen. Das war mir unangenehm. Das gefährliche an Drogen ist, dass sie teils irreparable Schäden in deinem Organismus anrichten, die du zunächst gar nicht wahrnimmst. Wenn du es dann bemerkst, ist es oft zu spät. Bei mir nahm die Sucht Mitte der 80er lebensbedrohliche Ausmaße an – ich habe die Reißleine in allerletzter Sekunde gezogen. Es ist extrem wichtig, Hilfe anzunehmen, wenn man Drogenprobleme hat. Mich hat es gerettet. Mein zweites Leben begann an jenem 6. Januar 1986.“