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Graveyard: Ein bisschen Frieden

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Graveyard: Ein bisschen Frieden

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Graveyard 2018 PeaceWenn eine Band nach vier sehr erfolgreichen Alben und Tourneen auf der ganzen Welt ihre Auflösung bekanntgibt, muss etwas wirklich Ernstes vorgefallen sein. Wenn sie dann aber nach nur wenigen Monaten ihr Comeback verkündet, darf man sich freuen, aber dennoch fragen, was zum Henker da eigentlich genau los ist. Und da besagte Band nicht irgendeine ist, sondern Graveyard, jene Schweden also, die vor einigen Jahren quasi im Alleingang dafür gesorgt haben, dass Classic Rock wieder von jungen Menschen geliebt wird, dann steckt gewiss eine interessante Geschichte dahinter. Die erzählt Bassist und Sänger Truls Mörck – und teilt ganz nebenbei mit, wie das bislang beste Album, das gewaltige PEACE, zustande gekommen ist.

Der 25. März 2011 ist einer dieser Tage der jüngeren Musikgeschichte, die für eine Zäsur stehen. An diesem Datum erschien mit HISINGEN BLUES Graveyards zweites Album. Veröffentlicht bei ihrem neuen Label Nuclear Blast, hievte es praktisch im Alleingang eine Szene ins internationale Rampenlicht, die zuvor schon jahrelang im eigenen Saft schmorte und eine gewisse kultische Gefolgschaft um sich geschart hatte: Classic Rock, damals noch gern und falsch „Occult Rock“ genannt, war plötzlich in aller Munde. Die Nachfrage nach Orange-Verstärkern stieg ge­­nau so wie die Bärte länger wurden, aus der Schnittmenge von Led Zeppelin und Black Sabbath entstand ein gewaltiger Trend, der bis heute nicht abgeebbt ist.

Da gab es Graveyard schon satte fünf Jahre, da hatten sie mit ihrem selbstbetitelten Debüt im Untergrund schon gehörig für Furore gesorgt. Danach wurde dennoch alles anders, erinnert sich Bassist und Sänger Truls Mörck, das Gründungsmitglied, das 2008 ausstieg und nach einer gewissen Findungsphase 2015 zur Band zurückkehrte. „Ich stieg aus, bevor die Band mit HISINGEN BLUES so richtig durch die Decke ging“, erinnert er sich. Reue oder Bedauern darüber ist ihm nicht anzumerken. Sicher, er verpasste ein Gastspiel beim SXSW in Texas, einen ordentliche Rummel um die Band und unter anderem eine Europa-Tournee mit Soundgarden. Für den besessenen Musikliebhaber, der schon mit 13 in einem Plattenladen in Göteborg arbeitete und der obskuren Seite der 60er- und 70er-Jahre verfiel, waren andere Dinge wie etwa sein Soloprojekt einfach wichtiger. „Das erlaubte mir, einen Blick von außen auf diesen ganzen Hype zu werfen. Es war großartig, was da passierte, plötzlich sprach ge­­fühlt die ganze Welt von dieser kleinen Band aus Schweden. Ich freute mich riesig für die Jungs, denn sie hatten sich zu diesem Zeitpunkt schon jahrelang in diese Sache reingekniet und Graveyard mit Leben gefüllt.“

Wenn man in Schweden von einer kleinen Rock-Band spricht, dann ist das dennoch eine, die man nicht nur in Göteborg kannte und die ihren Erstling immerhin in die Top 30 der nationalen Charts bugsieren konnte. Nur mal so als Vergleichswert. „Klar hatten wir ein Publikum“, nickt Mörck, „schließlich gab es immer Leute, die auf den Hardrock der 60er und 70er standen. Was dann passierte, hatte aber niemand absehen können.“ Der Bassist wählt seine Worte langsam und mit Bedacht, doch es ist ihm anzumerken, dass ihm an dieser ganzen Vintage-Industrie etwas nicht passt. „Der Unterschied, den ich zwischen Graveyard und vielen anderen Bands sehe, die diese Musik spielen, liegt im Wissen und der Erfahrung“, beginnt er zö­­gerlich. „Wir alle waren und sind vollkommen unvernünftige Musik-Freaks, die Stunden damit zubringen können, in irgendwelchen Kellern nach seltenen Schallplatten zu suchen. Ich ließ Typen zurück, die wirklich wussten, was sie taten. Und dass danach so viele ähnliche Bands aus dem Boden sprossen, das war natürlich einerseits cool, weil sie von Graveyard beeinflusst wurden. Doch mir fehlte bei ihnen oft das Persönliche, das Glaubwürdige, das Echte.“

Mit anderen Worten: Ein paar Orange-Verstärker und Schlaghosen reichen nicht unbedingt aus. Man muss diese Musik schon kennen, lieben und ehren, um einen Sound erzeugen zu können, wie es Graveyard tun. Und so ganz nebenbei mit Joakim Nilsson einen Frontsänger in den eigenen Reihen haben, dessen Organ das rare Ta­­lent hat, wirklich zu bewegen. Kaum zu glauben, dass Nilsson beim Graveyard-Vorgänger Albatross nur Gi­­tarre spielte und nichts mit dem Mikrofon zu tun haben wollten. Lauscht man seiner imposanten, charismatischen Stimme, kann man sich sehr bildhaft vorstellen, wie seinen Kollegen damals die Kinnlade runterfiel, als er das erste Mal ins Mikro röhrte. Gereicht, um ohne Katastrophen durch die Bandkarriere zu kommen, hat es dann aber dennoch nicht. Ein Jahr nach der Veröffentlichung des dritten Albums INNOCENCE & DECADENCE, dem ersten, auf dem Truls Mörck wieder zu hören war, verkündete die Band unsentimental und uneindeutig ihr Ende. In der damaligen In­­flation an halbherzigen Trittbrettfahrern einen Grund für das temporäre Ende der Band im Herbst 2016 zu sehen, hält Mörck aber für übertrieben. „Es gab so viele Gründe für unsere Auflösung, dass es mir selbst schwer fällt, sie alle zusammenzufassen“, meint er mit einem stillen Lächeln. „Am schlimmsten waren aber die Spannungen innerhalb der Band.“ Bei Schlagzeuger Axel Sjöberg kam außerdem hinzu, dass er sich in einer anderen Richtung ausleben wollte, dass er genug hatte von dieser Musik. „Vielleicht hatte er auch von diesem ganzen Trend die Schnauze voll“, überlegt der Schwede, „das kann ich nicht sagen. Es war jedenfalls nichts, das wir mit Ge­­sprächen hätten aus der Welt schaffen können.“

Ob es jemals weitergehen würde, wusste zu diesem Zeitpunkt niemand. „Wir gingen uns eine ganze Weile be­­wusst aus dem Weg“, erinnert sich Mörck. „Unabhängig voneinander stellten wir aber alle sehr bald fest, dass der Hunger auf die Bühne, die Motivation ganz von selbst zurückkamen. Wir wussten zwar, dass es für Axel endgültig vorbei war, doch wir anderen kamen einige Monate nach unserer Auflösung zu dem Punkt, dass es ein Jammer wäre, diese Band so einfach aufzugeben. Dafür hatte sie jeder von uns viel zu sehr vermisst.“ Und nicht nur die Musiker selbst, wie bei der Welle der Erleichterung spürbar wur­de, die Graveyard nach der Verkündigung ihres Comeback umspülte. „Das war für uns alle ein Augenöffner“, gibt er ehrlich berührt zu. „Wenn man so viel live unterwegs ist wie wir, verliert man ganz leicht mal den Bezug zur Realität. Das bedeutet auch, dass wir aus den Augen verloren haben, wer wir sind und worum es uns geht.“ Letztlich waren es also nicht in erster Linie die Fans, die die Band von den Toten zu­­rückholten. Doch sie waren der Be­­weis, dass diese Rückkehr eine gute und wichtige Sache ist.

Die Verkündigung der Reunion er­­folgte so oder so rekordverdächtig kurz nach der Bekanntgabe der Auflösung. Und doch hätte der Band nichts besseres passieren können, wenn man dem Bassisten so zuhört. „Wir brauchten diese Pause!“, betont er. „Wir fühlten uns leer, ausgelaugt und hatten am Ende nicht mal mehr Spaß am Touren. Wir konnten zwar trotz allem immer eine gute Show bieten, doch sobald wir von der Bühne gingen, wurde es richtig anstrengend.“ Zwei Stunden Show und 22 Stunden Mühsal, und zwar für mehrere Wochen am Stück: Es gibt angenehmere Szenarien.

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