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Roger Waters: Fliegende Trumps

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Roger Waters: Fliegende Trumps

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roger watersVon wegen reines Entertainment: Roger Waters inszeniert Polit-Rock-Spektakel mit aufblasbaren Tieren und Politikern. Im Mai/Juni gastiert er damit in Deutschland. Für das ehemalige Pink-Floyd-Mastermind ein willkommener Anlass, um mit Donald Trump, der Palästinenserpolitik der Regierung Netanjahu, dem Zeitgeist, aber auch seiner alten Band abzurechnen. Und wie…

Roger, was erwartet uns auf deiner kommenden Tournee?
Vier neue Stücke und einige Sachen, die ich 2016 beim Desert Trip in Coachella und in Mexico City probiert habe. Außerdem ein paar Songs, die ich schon länger nicht mehr ge­spielt habe. Insofern wird es neues, aber auch viel altes Material sein. Etwa 75 Prozent Pink Floyd und 25 Prozent solo. In einer Kon­stellation, die Sinn ergibt und einen roten Faden aufweist.

›Us And Them‹ – wir und sie?
Ich denke, das passt zum Zeitgeist – zu einer Welt, die ich so gar nicht mag.

Werden es typische Waters-Spektakel?
(lacht) Aber sicher – das ist schließlich mein Ding.

Darf man fragen, was dich ursprünglich veranlasst hat, derart aufwendige Shows zu inszenieren?
Die ersten größeren Auftritte waren auf der ANIMALS-Tour 1977. Mit dem berühmten aufblasbaren Schwein über dem Battersea-Kraftwerk – ein starkes Image, das ich bis heute benutze. Und zu der Zeit, Mitte der 70er, wurde klar, dass der Rock’n’Roll Einzug in immer größere Hallen hielt. Deshalb musste ich wohl oder übel etwas Theatralisches auffahren, um Zuschauern in einem Stadion, die bis zu einer Viertelmeile von der Bühne entfernt sind, ein bisschen mehr zu bieten als winzige Figuren im Rampenlicht. Was nicht heißt, dass ich mit der Lösung zufrieden ge­­wesen wäre. Im Gegenteil: Ich fand es lange fürchterlich – bis es vor Kurzem anfing, Spaß zu machen.

Was hat sich geändert?
Ich habe mich geändert – komplett. Ich bin entspannter in der Gegenwart meiner Kollegen und meines Publikums geworden, weil sich alles viel freundschaftlicher anfühlt. Und weshalb ich auch diese Hülle der Angst entfernen konnte, die mich seit meiner Kindheit umgeben hatte. Ich bin jetzt in der Lage, ganz direkte, offene Beziehungen mit anderen Menschen einzugehen.

Dann hast du den isolierten, unglücklichen Rockstar, der die Vorlage zu THE WALL ge­­liefert hat, tatsächlich überwunden?
Ja, und die Geschichte, wie ich mich dabei ertappt habe, einer zu werden, ist ja bekannt: Es war während der ANIMALS-Tour, als wir in einem Football-Stadion in Montreal gastierten und irgendein Schwachkopf auf die Bühne klettern wollte. Worauf ich ihm ins Gesicht gespuckt habe. Später hatte ich schreckliche Gewissensbisse. Ich dachte: „Was passiert mit mir? So eine Reaktion ist ja fürchterlich.“ Bis mir einfiel: „Ich weiß, wie ich damit umgehe – wir produzieren eine große Show, bei der wir eine verdammte Mauer auf der Bühne errichten. Eben um meine Gefühle von Entfremdung, Schande, Qual, etc. zu zeigen.“ Das haben wir getan – aber wir haben die Mauer am Ende der Show als symbolische Geste eingerissen.

Wobei die Solo-Inszenierung weniger von dir als von den Missständen der modernen Welt zu handeln scheint.
Das hat damit zu tun, dass ich weniger narzisstisch und ichbezogen bin als früher. Da­­durch ist das Ganze weniger autobiografisch – und mehr ein Statement gegen Mauern im Allgemeinen. Also in Bezug darauf, wie wir andere behandeln. Das setzt sich in der neuen Tour fort – nämlich darin, dass es kein „wir“ und „sie“ gibt, kein „Us + Them“, sondern wir alle Brüder und Schwestern sind. Wir mögen unterschiedliche Formen, Größen und Farben haben, weil wir in unterschiedlichen Teilen der Welt leben, wo unterschiedliche Temperaturen herrschen. Deshalb sehen wir unterschiedlich aus. Aber unsere DNA ist kaum zu unterscheiden. Was wir uns dringend bewusst machen sollten, um Arschlöchern wie Trump den Wind aus den Segeln zu nehmen. Er erzählt uns, dass wir Menschen mit anderen Religionen und Hautfarben überlegen wären und sie mit Mauern daran hindern sollten, unsere ach so perfekte Gesellschaft zu infiltrieren. Wie krank ist das?

„Ich konnte diese Hülle der Angst entfernen, die mich seit meiner Kindheit umgeben hatte. Ich bin jetzt in der Lage, ganz direkte, offene Beziehungen mit anderen Menschen einzugehen.“

Du nennst ihn einen „Nincompoop“, einen Einfaltspinsel.
In England ist das eine gängige Ausdrucksweise. Und ich verwende sie ständig für Trump – denn „nincompoop“ ist eine Ableitung des Lateinischen „non compos mentis“. Was be­­deutet: nicht von gesundem Verstand. Und der Mann ist krank!

Angeblich soll Trump 2010 deine WALL-Show besucht haben. Was bedeutet, dass du a) nicht zu ihm durchgedrungen bist oder ihn b) sogar zum Bau einer Mauer inspiriert hast.
Vielleicht. Ich bin mir nicht sicher, ob ich Trump je verstehen werde. Ich fürchte nur, dass er sich für wahnsinnig toll hält. Aber alle anderen, die nicht für ihn schwärmen, halten ihn für den jämmerlichsten Trottel aller Zeiten. Und ich kann kaum glauben, wie wenig er zu bieten hat und für welche Werte er steht – nämlich für alle, die nicht erstrebenswert sind. Er ist ein fürchterlicher Mensch. Aber er selbst meint, er wäre fabelhaft. Und leider gibt es Leute, die das genauso sehen. Warum auch immer.

Du bist jetzt 74 – hast du noch ein weiteres Album in dir?
Unbedingt! Und das wird bestimmt nicht noch einmal 25 Jahre dauern – selbst wenn das neue ähnlich schlecht laufen sollte wie seine Vorgänger.

Jetzt klingst du sehr verbittert…
Schon, und wahrscheinlich schimmert das auch in meiner Musik durch. Aber zum Glück können die Leute heute wieder Vinyl kaufen. Und das finde ich toll. Denn eigentlich ist die Idee, dass man mit Musik überhaupt etwas verdienen kann, völlig veraltet. Heute macht man Alben aus reiner Liebe – während man gleichzeitig hofft, ein bisschen was durch Konzerttickets zu verdienen. Weshalb ich echtes Mitgefühl mit jungen Musikern habe, die gerade erst anfangen. Denn es ist schwer, sich in dieses Ge­­schäft hineinzufinden, geschweige denn darin zu überleben. Es war mal so, dass Bands Musik gemacht haben, die man frei im Handel kaufen konnte – wie Kartoffeln. Man ging in den Gemüseladen und kaufte Kartoffeln. Dann ist man in einen Plattenladen und hat sich eine Single oder eine LP gekauft. Die konnte man vorher in aller Ruhe hören. Wenn sie einem gefiel, hat man sie mit nach Hause genommen, wodurch alle bezahlt wurden: Derjenige, der sie aufgenommen hat, die Plattenfirma, der Händler – alle waren glücklich. Doch das ist nicht mehr der Fall. Von daher stelle ich mir die Frage, wie lange all diese Musiker durchhalten werden. Denn egal, wie gut oder schlecht die Musik früher war – jetzt erzielen sie viel geringere Einnahmen und es geht mehr um Marketing, um soziale Medien und wie man etwas so vermittelt, dass es überhaupt noch wahrgenommen wird.

Fortsetzung auf Seite 2…

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