Nur ein Jahr nach der Cover-Platte BINGO! meldet sich Steve Miller mit einem weiteren Album zurück. Die Veröffentlichungspause scheint vorbei.
So klingt also jemand, dem es richtig gut geht – weil er finanziell unabhängig und auch sonst ziemlich selbstbestimmt ist. Steve Millers Stimme kommt fröhlich und kraftvoll durch den Hörer. Kein Wunder, denn Miller muss „schon seit Jahren nach keiner Pfeife mehr tanzen. Ich mache, zumindest beruflich, nur noch das, was ich will und was ich für richtig halte.“
Und in der Tat: Der Gitarrist und Sänger aus Milwaukee hat den beachtlichen Wohlstand, den ihm Alben wie FLY LIKE AN EAGLE und ABACADABRA, vor allem aber eine allein in den USA mehr als sechs Millionen Mal verkaufte GREATEST HITS-Compilation, eingebracht haben, konsequent dazu genutzt, sich geschäftlich auf eigene Füße zu stellen:
„Ich hatte irgendwann in den Neunzigern die Nase endgültig voll von den Plattenfirmen. Diese Typen bei den Major-Companies haben um jede Albumveröffentlichung immer einen Riesen-aufstand gemacht und hinterher doch nichts gebacken bekommen. Da habe ich mir lieber mein eigenes Business aufgezogen, erst eine Booking-Agentur, dann auch ein Label aus der Taufe gehoben.“
Deshalb hat Miller jetzt auch wieder Spaß am Plattenmachen. 2010 kam nach 17-jähriger Pause das Cover-Album BINGO! auf den Markt, und mit LET YOUR HAIR HANG DOWN kehrt er jetzt Sound seiner frühen Jahre zurück: dem Blues. Denn „der ist wie eine Energietankstelle für mich!“, wie Steve Miller betont. Auf LET YOUR HAIR HANG DOWN entfaltet der 67-Jährige mit seiner Band einen erdigen, aber dennoch raffiniert gespielten Blues-Rock-Sound und gewinnt dabei dem zwölftaktigen Schema reichlich interessante Facetten ab. Selbst eigentlich totgedudelte Standards wie ›Sweet Home Chicago‹ oder ›The Walk‹ klingen da wieder frisch – und in ›No More Doggin’‹ glänzt Steve mit ein paar geradezu magischen Gitarrenpassagen.
Bevor Steve und seine Band im Oktober wieder auf hiesigen Bühnen zu sehen sein werden, geben sie in den USA ein paar Konzerte mit einem alten Bekannten, der ebenfalls den traditionellen Blues wieder für sich entdeckt hat. „Gregg Allman ist ein Supertyp und ein großartiger Musiker, T-Bone Bur-nett ein toller Produzent – war klar, dass da was Feines dabei raus-kommen musste!“, so Miller über Allmans derzeit überall gefeiertes Soloalbum LOW COUNTRY BLUES.
Weniger klassisch als dieses Werk ist hingegen die Titelwahl sowie die Coveroptik der neuen Steve Miller Band-CD. Denn kein Song darauf heißt LET YOUR HAIR HANG DOWN und auch keine Textzeile hat etwas damit zu tun. „Nein, das bezieht sich nur auf das Foto!“, lacht Miller. Er hatte den legendären Grafiker und Fotokünstler Storm Thorgerson, unter anderem Schöpfer berühmter LP-Hüllen für Pink Floyd, gebeten, sich etwas für das neue Album auszudenken. „Storm kam also mit einem Stapel gezeichneter Skizzen für mögliche Covermotive. Und als wir dann die Zeichnung mit dem Glatzkopf und dem Hasen gesehen haben, mussten wir dermaßen lachen, dass die Auswahl sofort klar war und ich auch das Album danach benennen wollte. Ich finde dieses Bild einfach soooo lustig!“
Text: Christian Stolberg