Kaum zu glauben: URIAH HEEP bringen es inzwischen auf 23 Studioalben. Das aktuellste Werk hört auf den Titel INTO THE WILD – und genau das ist es: ungezähmt. Denn seit Russell Gilbrook an den Drums hämmert, ist der Sound der Band wieder härter geworden.
Text: Benedikt Mekelburg
Bernie Shaw ist quietschfidel. Er plaudert gern und ausgiebig, zudem lacht er viel. Dazu hat der Uriah Heep-Sänger auch allen Grund. Das neue Studioalbum INTO THE WILD ist vor einigen Tagen in die Läden gekommen, die dazugehörige Tour gebucht, das Video zu ›Nail On The Head‹ abgedreht. Zudem könnte das Verhältnis zwischen ihm und seinen Mitrockern nicht besser sein. „Das ist sehr wichtig für eine Band. Vor allem, wenn sie schon so lange besteht wie Uriah Heep“, gibt Shaw freudig zu Protokoll.
Natürlich hatte die Band im Laufe der 41-jährigen Geschichte etliche Line-up-Wechsel zu verkraften, doch der Wille, die Besetzung so lange wie möglich stabil zu halten, war stets da. So vollzog sich 2007 der erste Wechsel seit 21 Jahren, als Drummer Lee Kerslake krankheitsbedingt aufhören musste. Sein Nachfolger Russell Gilbrook ist mittlerweile voll in die Band integriert – und auch durchaus wegweisend, was die Ausrichtung von Uriah Heep angeht, wie Shaw berichtet: „Ohne ihn hätten wir sicher einen anderen Weg eingeschlagen. Seine Energie hat uns erst wieder klargemacht, dass wir eine Hardrock-Band sind. Mit der Betonung auf ‚hart‘.“
Diese wiedererlangte Kraft zeichnet auch INTO THE WILD aus. Mit ›I Can See You‹, ›I’m Ready‹ und dem Titellied sind einige fast schon rasante Stücke auf der Platte vertreten, die man, seien wir ehrlich, den Herren gar nicht mehr zugetraut hätte – schließlich ist die Hälfte der Band bereits in den Sechzigern. Shaw kommentiert das mit einem weiteren Lachen und sagt trocken: „Wir sind vielleicht alt – aber das heißt noch lange nicht, dass wir inzwischen vergessen haben, wie das mit dem Rocken geht!“
Doch ganz ohne Verschleiß ist die Zeit auch an Uriah Heep nicht vorbeigegangen: Sie haben ihr neues Album in gerade mal vier Wochen aufgenommen – mit Folgen. Dem Sänger blieben nur wenige Pausen zwischen den einzelnen Takes. Hinzu kam, dass Produzent Mike Paxman mit Anweisungen nicht geizte. „Er wollte, dass ich die hohen Passagen nicht mit der Kopfstimme singe. Das hat mich an meine Grenzen gebracht.“ Jedoch vertraut die Band dem Mann, der mit INTO THE WILD bereits sein drittes Uriah Heep-Album produziert hat. „Mike sitzt nie einfach nur hinter den Reglern. Er steht im Kontrollraum und geht richtig ab. Im Grunde ist er wie ein sechstes Bandenmitglied.“
Dass dieser Einsatz Früchte trägt, beweist INTO THE WILD deutlich. Die durchdachten Arrangements, bei denen besonders die ausgefeilten Soli und kraftvollen Hammondorgel-Einsätze hervorstechen, stellen vor allem Heep-Traditionalisten zufrieden. Doch das Album hat auch eine ruhige Seite, die u.a. in ›Trail Of Diamonds‹ oder ›Kiss Of Freedom‹ zum Vorschein kommt. „Ich bin ein Fan der sanfteren Songs“, berichtet Shaw. „Und ich hätte nichts dagegen, auch mal eine komplette Tour nur mit Balladen zu bestreiten.“