Wenn es eins gibt, was man niemals tun sollte, dann ist es, mit Joe Elliott über Musik zu streiten. Und schon gar nicht über Rockmusik der 70er Jahre…
Der Def-Leppard-Sänger wurde gerade von der zuvorkommenden und sachkundigen Besitzerin des alteingesessenen Soho-Plattenladens „Sister Ray“ darauf hingewiesen, dass die kultigen Glam-Punk-Flegel Heavy Metal Kids nur ein Album gemacht haben. „Nein, haben sie nicht“, antwortet er mit der unerschütterlichen Autorität eines Pub-Quiz-Meisters. „Sie haben vier gemacht. HEAVY METAL KIDS, ANVIL CHORUS, KITSCH. Und dann haben sie vor siebzehn Jahren noch eine Platte mit dem Titel HIT THE RIGHT BUTTON gemacht, auf dem Danny Peyronel, der auf einem UFO-Album Keyboard spielte, den gesamten Leadgesang übernahm.“
Wäre er nicht Sänger der größten britischen Hardrock-Band aller Zeiten, wäre Elliott an einem Ort wie diesem, hinter dem Tresen, zu Hause gewesen. Er ist schon eine seltene Erscheinung: ein Rockstar der ersten Liga, der es tatsächlich liebt, die Musik anderer Leute zu hören. In seinem Haus in Irland hat er einen Raum mit tausenden Alben auf Vinyl und CD, sowie einer authentischen Wurlitzer-Jukebox von 1941. „Von Zeit zu Zeit gehe ich meine Sachen durch und bringe einen Koffer voller Zeug zu „Spindizzy Records“ in Dublin, wo ich es gegen neue Platten eintausche“, sagt er. „Und nein, ich habe nie irgendwelche Def-Leppard-Platten dorthin gebracht.“
Das hier scheint ein perfekter Morgen zu werden. CLASSIC ROCK stellt Elliott 60 Euro zur Verfügung, die er für Platten seiner Wahl im „Sister Ray“ ausgeben kann. Die Tatsache, dass er dafür nicht in die eigene Tasche greifen muss, dürfte den stolzen Yorkshire-Mann doppelt glücklich machen. Die erste Station ist unweigerlich die „M“-Abteilung. „Es gibt mehr im Leben als Mott The Hoople, aber nicht viel“, sagt Elliott. „Mal sehen, ob sie etwas haben, das ich nicht habe.“ Er beginnt zu blättern. „Yep, yep, yep…“ Er zieht ein Exemplar des selbstbetitelten Debütalbums von Mott heraus und zeigt auf das Foto der Bandbesetzung auf der Innenseite des Klappdeckels.
„Seht ihr das? Verschiedene Köpfe, alle übereinander auf demselben Körper. Ich glaube, das ist Ralphers [Gitarrist Mick Ralphs]“. Elliott ist seit seiner Jugend Mott-Fan und gründete sein Nebenprojekt, die Down’N’Outz, eigens, um Ian Hunters Band bei ihrer letzten Comeback-Show 2009 in London zu supporten. Die ersten beiden Down’N’Outz-Alben enthielten Perlen aus dem Mott-Katalog, einschließlich der Alben, die sie mit Hunters Nachfolger Nigel Benjamin aufgenommen hatten. Für das gerade erschienene dritte Album THIS IS HOW WE ROLL haben Down’N’Outz beschlossen, die Coverversionen wegzulassen und sich auf Eigenkompositionen zu konzentrieren. „Wir hatten Mott zu Tode gecovert“, sagt er. „Wir haben kurz darüber nachgedacht, Wings-Songs, 10cc-Songs und andere Sachen abseits der ausgetretenen Pfade zu machen, aber dann haben wir uns für unsere eigenen Songs entschieden.“
„Ich höre eine Menge Jazz. Genial zur Entspannung.“
Die einzige Ausnahme ist ihre Coverversion von The Tubes‘ spöttischer Glam-Bombe ›White Punks On Dope‹. „Ich habe diesen Song schon immer geliebt. Er bildet die perfekte Brücke zwischen Bowie und Punk. Er war wie von einem anderen Stern, dabei gleichzeitig eine Parodie. Und Fee Waybill hat sich als [überzeichneter Rockstarcharakter] Quay Lewd verkleidet, mit Perücke und Plateaustiefeln.“ Wirst du diesen Look live auch durchziehen? Er zieht eine Augenbraue hoch. „Nein. Das überlasse ich Fee Waybill. Ihm steht das viel besser als mir.“ Elliott kaufte die meisten seiner Platten als Kind in „Bradley’s Record Store“ oder bei „Sine Electrical“ in Sheffield. „Dort wurden Staubsauger und Flachmänner verkauft“, sagt er über letzteren Laden. „Aber sie hatten eine Plattenabteilung und verkauften ein paar der Top-Ten-Scheiben“. Das erste Album, das er von seinem eigenen Geld kaufte, war 1971 EVERY PICTURE TELLS A STORY von Rod Stewart. „Zwei Pfund und elf Pence“, sagt er. Er zieht ein gebrauchtes Exemplar aus dem Regal von „Sister Ray“. „Vier neunundneunzig. Wow, bei der Inflation ist das ziemlich gut.
Ernst wurde es, als er während der Punk-Ära „Revolution Records“ in Sheffield entdeckte. „Die erste Platte, die ich dort kaufte, war RATTUS NORVEGICUS von The Stranglers. Dort habe ich vieles unter der Hand bekommen: [das Sex Pistols Bootleg] SPUNK, The Clash irgendwo live oder eine Platte mit Siouxsie Sioux auf dem Cover, bevor sie berühmt wurde.“ Trotz seiner Offenheit gibt es eine Handvoll Leitbilder, die in Elliotts Karriere konstant geblieben sind. Mott sind eines davon, David Bowie ein anderes. Das neue Down’N’Outz-Album enthält eine Hommage an den verstorbenen Sänger, sie heißt ›Goodbye Mr Jones‹.
Elliott hat Bowie im Laufe der Jahre mehrmals getroffen. Die Geschichte des ersten Treffens ist eine wahre Perle. „Es war 1989, und Bono lud mich zu sich nach Hause ein“, erzählt er. „Er veranstaltete ein großes Barbecue, und jeder, der in Irland etwas zu sagen hatte, war da. [Regisseur] John Huston, [Schauspieler] John Hurt… Ich komme dort an, und Bono sagt: ‚Ich möchte dir jemanden vorstellen. Also führt er mich nach oben in einen Raum mit einem Snookertisch, und da sitzt Bowie auf dem Tisch. Bono meint: ‚Ich dachte, du hättest vielleicht gern fünf Minuten.‘ Und ich sage: ‚Das hättest du mir verdammt noch mal verraten können. Was soll ich denn sagen? Wie geht’s deiner Mutter, David?'“
Die beiden verstanden sich so gut, dass Elliott bald mit Bowie und dem Gastgeber des Barbecues in ein Auto gepfercht wurde. „Ich, Bono und Bowie haben einen Mini gekapert und sind zu diesem Restaurant gefahren, in dem The Edge gerade gegessen hat, weil er Geburtstag hatte. Wir hielten an, sprangen aus dem Auto, sangen ›Happy Birthday‹ für The Edge, sprangen wieder rein und fuhren zurück zu Bono.“ Zuvor hatte Elliott die Version von ›All The Young Dudes‹ erwähnt, die Bowie während der ALADDIN-SANE-Sessions aufgenommen hatte.
„Er sagte: ‚Die habe ich nie wieder gehört, seit ich sie aufgenommen habe.‘ Und ich erwiderte [ungläubig] ‚Wie bitte? Ich habe den Song als japanische Raubkopie.‘ Und er meinte: ‚Kannst du mir eine Kopie besorgen?‘ Am nächsten Abend spielte er im „The Point“ in Dublin, also nahm ich es auf Band auf und gab es ihm, kurz bevor er auf die Bühne ging. Er sagte: ‚Danke‘, steckte es in seine Jackentasche und ging direkt auf die Bühne.“ Diese Kombination aus Fantum und Furchtlosigkeit brachte den jungen Joe Elliott an Orte, an die sich weniger kühne Seelen nicht trauen würden. Er stand Schlange, um sein Exemplar des Debütalbums von Tom Petty And The Heartbreakers signieren zu lassen, nachdem er sie 1976 im Vorprogramm von Nils Lofgren in Sheffield gesehen hatte.
„Wenn ich etwas nicht ausstehen kann, dann ist es Rap. Ich bin kein Fan. Ich habe nichts gegen Sachen wie Run-DMC oder die Beastie Boys, aber dieses ganze neue Zeug… Alter, sing mir einfach eine verdammte Melodie“
Im folgenden Jahr „brach“ er in die Garderobe des „Doncaster Gaumont“ ein, um Ian Hunter und seine Soloband zu treffen. „‚Kann ich ein Autogramm bekommen?‘ ‚Ja, komm rein.'“ Nicht jede Begegnung mit einem seiner Idole verlief so glücklich. Leppard hatte gerade PYROMANIA veröffentlicht, als er in „Franks Funny Farm Studio“ in West Sussex auf den Thin-Lizzy-Frontmann Phil Lynott stieß. „Ich sagte: ‚Ich bin Joe von Def Leppard. Ich wollte mal Hallo sagen.‘ Und er sagte: ‚Ich weiß. Ich habe euer Album gehört, und es ist der Grund, warum ich die Band auflöse.'“ Elliott schüttelt den Kopf. „Was soll man dazu sagen? Ich wünschte, ich hätte die Eier gehabt, ihn an die Wand zu knallen und zu sagen: ‚Nun, du solltest einfach eine verdammt bessere Platte schreiben. Lass uns nicht im Stich.'“ Im Gegensatz zu dem Eindruck, den er erweckt, hört Elliott durchaus Musik, die nach 1980 gemacht wurde. „Aber nicht viel“, räumt er ein.