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Kansas: Tage der Wiederauferstehung

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Kansas: Tage der Wiederauferstehung

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Nach einer Karriere voller beachtlicher Erfolge – und diverser Line-up-Wechsel und Streitigkeiten – waren Kansas Mitte der 80er fast am Ende. Doch sie nahmen ihren bekanntesten Songtitel beim Wort, rafften sich wieder auf und machten weiter …

Ab dem Moment, als sie vor einem halben Jahrhundert in Topeka anfingen, Musik zu machen, passten Kansas nie in ein Schema. Sie entstanden in der Hauptstadt des US-Bundesstaates, nach dem sie sich benannten, und ihr Sound war eine bunte, stark von Boogie beeinflusste Version dessen, was in der britischen Artrock-Szene formuliert worden war. Dessen komplexe Elemente konterkarierten sie jedoch häufig mit radiofreundlichen Hooks und der Geige des klassisch ausgebildeten Robby Steinhardt. Doch während sich die beliebten AOR-Bands jener Ära wie Pfauen anzogen, hatte keines der Mitglieder von Kansas Pin-up-Potenzial. Einige waren übergewichtig, andere dürr, teils hatten sie ausladende Frisuren, während einer von ihnen sich nicht mal die Mühe machte, seine Arbeitsoveralls abzulegen. Doch wenn Kansas einstöpselten und spielten, waren sie wahrlich bemerkenswert. Bergeweise Drogen, entfesselte Egos und Rock’n’Roll-Exzess waren nicht die Stolpersteine, die Kansas aus der Bahn warfen. Ihr klassisches Line-up wurde von etwas ganz anderem entzweit: Religion. Im Zenit ihres Erfolgs stieg Gitarrist und Hauptsongwriter Kerry Livgren aus, um gemeinsam mit Bassist Dave Hope – der später zu einem anglikanischen Priester geweiht wurde – die christliche Rockgruppe A.D. zu gründen. Doch abgesehen von einer winzigen Pause Mitte der 80er ließen sich Kansas nicht den Wind aus den Segeln nehmen, erzielten acht Goldalben, drei weitere, die sechsfach Platin in den USA verbuchten (LEFTOVERTURE, POINT OF KNOW RETURN und THE BEST OF KANSAS), sowie über eine Million Verkäufe für das Doppel-Livealbum TWO FOR THE SHOW. Mit insgesamt 24 Mitgliedern haben Kansas eine 50-jährige Karriere hingelegt. Wir präsentieren diese außergewöhnliche Geschichte in den eigenen Worten der Band (siehe Besetzungsliste).

Phil Ehart: Vier von uns waren schon gemeinsam zur Highschool gegangen, und gleich von Anfang an gab es drei Dinge, die Kansas einzigartig machten: die Songs von Kerry [Livgren], die Stimme von Steve Walsh und die Geige von Robby Steinhardt.
Kerry Livgren: In Topeka waren wir von beiden Küsten isoliert und steckten mitten in den USA fest, aber irgendwie machten wir diese unglaubliche Musik. Wir hatten keine Ahnung, woher sie
kam.
Rich Williams: Wir haben in verschiedenen Gruppen angefangen, in Bars und bei Highschool-Abschlussfeiern gespielt, bevor wir unsere Teenager-Jahre hinter uns ließen und begannen, unser eigenes Material zu schreiben. Das Verlangen nach einer Karriere als Musiker hielt die ursprünglichen sechs Jungs zusammen. Keiner von uns wollte einen richtigen Job. Wir folgten Yes, King Crimson und diesen Bands, die auf sämtliche Regeln pf iffen. Über Autos und Mädchen zu singen, war nicht unser Ding. Das einzige Ziel, von dem wir träumten: ein Album schreiben und aufnehmen.
Ehart: Es gab keinen Masterplan für den Erfolg, und ich bin mir ziemlich sicher, dass wir dieses Gespräch nicht führen würden, hätte Don Kirshner [der Unternehmer hinter The Monkees und
anderen Acts] uns nicht durch das Demoband entdeckt, das wir ihm geschickt hatten.
Livgren: Don Kirshner hatte ein Label, das von CBS vertrieben wurde. Er wollte uns nach New York holen, um dort in den berühmten Record Plant Studios zu arbeiten – besser konnte es für
eine junge Gruppe wie uns gar nicht laufen. An dem Abend floss das Bier, und nicht nur das. Der Beginn eines lebenslangen Traums.
Ehart: Plötzlich waren wir auf Tour in großen Hallen mit Queen, den Eagles und den Kinks.
Livgren: Einer der Gigs mit den Kinks in Arizona fand auf einer sich drehenden Bühne statt. Rich Williams verlor die Orientierung und stieg ins Publikum. Wir kamen in die Garderobe, aber Rich lief immer noch mit seiner Gitarre durch den Zuschauerraum, als die Saallichter längst wieder angegangen waren.

Niemand wusste es zu jener Zeit, doch der Deal von Kansas mit Kirshner (der 2011 verstarb) war alles andere als vorteilhaft für die Band. „Wir lasen den Vertrag, ohne ihn zu lesen, und verkauften unsere Seelen“, seufzt Williams. „Erst bei unserem fünften Album konnten wir nachverhandeln. Davor bekamen wir gerade mal 25 Prozent von jeder Platte, die dann mit dem Management durch acht geteilt werden mussten.“ Das selbstbetitelte Debüt von Kansas erschien 1974, verkaufte sich ordentlich (100.000 Einheiten), erreichte aber nur Platz 174 in den US-Charts. SONG FOR AMERICA lief im Jahr darauf wesentlich besser und schaffte es auf Platz 57. Dessen Nachfolger MASQUE (ebenfalls 1975) ließ dann jedoch mit Rang 70 wieder nach. 1976 änderte sich dann alles. Befeuert vom Erfolg der Hitsingle ›Carry On Wayward Son‹, katapultierte das vierte Werk LEFTOVERTURE Kansas in Superstarsphären und wurde zum echten Meisterwerk in ihrem Katalog. Und weil Steve Walsh an einer Schreibblockade litt, beförderte es zudem Livgren in die Rolle des Hauptsongwriters. Er schrieb auch ›Wayward Son‹, doch wie so oft bei den glücklichen Wendungen der Rockgeschichte tat er das beinahe zu spät.

Livgren: Damals schrieb ich vielleicht 70 Prozent des Materials jeder Platte und Steve steuerte den Rest bei. Am alleresten Tag der Proben sagte Steve dann, dass er nichts hatte – keinen einzigen Track. Ich genieße diese Art von Druck keineswegs, aber rückblickend betrachtet trieb er mich zu Höchstleistungen an.
Ehart: Wir packten gerade unser Zeug zusammen, als Kerry hereinkam und dieses in letzter Minute geschriebene Stück aus dem Hut zog. Es ist ein sehr, sehr besonderer Song, und er hätte es fast nicht auf die Platte geschafft.
Livgren: Ich sagte: „Jungs, vielleicht solltet ihr euch das anhören.“ Die Augenbrauen gingen hoch und natürlich veränderte es alles für Kansas. Es ist ein autobiografisches Lied. Ich befand mich schon immer auf einer spirituellen Reise und suchte nach Wahrheit und Sinn. Dieses Stück sollte mir Mut machen: Ich sagte mir selbst, such weiter, dann findest du, was du suchst.

Bei ihrem nächsten Album POINT OF KNOW RETURN von 1977 (das tatsächlich eine um eine Position höhere Spitzenposition als sein Vorgänger erreichte) zeigte sich Walsh erleichtert, wieder seine Inspiration gefunden zu haben, doch es war Livgren, der einen weiteren Klassiker ablieferte, die fragile Ballade ›Dust In The Wind‹. Als LEF TOVERTURE Goldstatus erreicht hatte (eine halbe Million Einheiten), hatte die Band ihre Schulden bei Kirshner für die Aufnahmen und Tourneen beglichen. Doch jetzt, wo die Tantiemen an die Songwriter gingen, war es ein Mann, der richtig abkassierte, und hinter den Kulissen wuchs die Eifersucht.

Williams: Den Track, der uns den Deal mit Don Kirshner einbrachte, ›Can I Tell You‹, hatten wir zu fünft geschrieben – ohne Kerry. Als Kerry einstieg, wollten wir sein Songwriting. Das war
uns wichtig. Bei den ersten paar Platten fühlten wir uns wie Piraten auf offener See: alle für einen und einer für alle. Aber Geld verändert alles. Das Ungleichgewicht zwischen denen mit
Geld und denen ohne wurde immer deutlicher.
Livgren: Plötzlich begannen wir, richtig zu verdienen, und wir waren alle aufgeregt darüber. Ich war noch so naiv, mir kam nicht mal in den Sinn, dass Steve verstimmt über den Erfolg
einer Platte sein könnte, für die er nichts geschrieben hatte.
Ehart: Kerry arbeitete damals so produktiv, dass ihm alle freie Bahn ließen. Wir akzeptierten alles, was er uns brachte, weil es so großartig war. Aber ja, es floss nun viel Geld. Die Leute sagten, wie fantastisch wir seien, und einige von uns begannen, es zu glauben.
Williams: Als die Autoren anfingen, diese fetten Schecks zu bekommen, wurde es schwierig für diesen Haufen junger Männer voller Saft und Kraft. Wir arbeiteten alle sehr hart, also war das nicht leicht zu akzeptieren. Einige der Jungs kauften sich Autos, Boote und Häuser und ich wohnte immer noch bei meiner Mutter im Keller.

Die andere bedauernswerte Seite war, dass gewissen Leuten in den Sinn kam, dass sie nicht mehr so hart arbeiten und so viel reisen wollten. Etwa zur selben Zeit entwickelten sich Livgrens Lieder der „Selbstermutigung“ hin zu etwas, das direkter in der Theologie wurzelte. Walsh stieg während der Aufnahmen zu POINT OF KNOW RETURN aus, nur um dann doch zum Bleiben überredet zu werden. Bassist Dave Hope fand seinen Trost in Medikamenten. Als die 70er-Jahre endeten, spiegelte das sechste Kansas-Studioalbum MONOLITH von 1979 das Ausmaß ihrer inneren Turbulenzen nicht wirklich wieder. Livgren wurde auf der folgenden Tour zu einem wiedergeborenen Christen, und Hope tat es ihm später gleich.

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