Vor genau einem halben Jahrhundert erschien das Album HOODOO MAN. Mit der dazugehörigen Single ›Gamma Ray‹ gelang der Band Birth Control im Jahr 1972 ihr größter Hit. Schon immer speisten sie ihre Musik aus Art-, Jazz-, Blues-, Prog-, Psychedelic- und Hardrock- sowie Soul und Funk-Einflüssen. Mit dem aktuellen Album OPEN UP touren sie nun wieder durch die Lande.
Gitarrist Martin Ettrich ist gut aufgelegt, als ich ihn in seiner Heimatstadt Mülheim an der Ruhr telefonisch erreiche. Er ist dort gut vernetzt, wir sprechen über die lokale Szene mit Größen wie Helge Schneider oder der Punkband Lokalmatadore. „Ich treffe Leute wie Morten Gass von Bohren & der Club of Gore auch schon mal beim Bierchen. Er wollte kürzlich mal Gitarrenunterricht bei mir nehmen, doch das hat er wieder auf Eis gelegt. Er wollte mir im Umkehrschluss mal zeigen, wie es ist, einfach mal gar nichts zu spielen.“ Mülheimer Humor – das ist schon eine Marke für sich. Martin erzählt weiter aus Kindheit und Jugend. Er selber ist durch die Plattensammlungen seiner Freunde musikalisch inspiriert worden: „Als ich so 13 oder 14 Jahre alt war, waren es vor allem die älteren Geschwister meiner Kollegen, die schon richtig gute Scheiben zu Hause hatten. Da habe ich das erste Mal ZZ Top gehört – und das war noch lange bevor Peter Rüchel sie in den ,Rockpalast‘ geholt hatte.“ Er entdeckte in dieser Phase auch Crosby, Stills, Nash & Young, vor allem, weil „ich es super fand, wie die mehr- stimmig gesungen haben“.
Irgendwann landete Martin in einer Gruppe, in der auch Harp-Spieler Carey Bell aus der Muddy Waters Band Mitglied war. „Von ihm habe ich ziemlich viel über Blues gelernt“, sagt der Gitarrist. Bei Birth Control spielt er nun schon seit 2009 – seitdem arbeitet er nicht mehr hauptberuflich als Schreiner, sondern hat alles auf die Karte Musik gesetzt. „Ich bin Baujahr 1961 – und den Birth-Control-Song ›Gamma Ray‹ habe ich irgendwann in den 70er-Jahren mitbekommen“, sagt Martin. Als er selber sieben Jahre alt war, ist schon mit Hugo Egon Balder der erste Birth-Control-Drummer ausgestiegen. Und Balder hat vor allem bedauert, dass er nicht mehr die Filmaufnahmen zu „Ich – ein Groupie“ begleiten konnte – denn in diesem Sexploitation-B-Movie spielen Birth Control eine Nachtclub-Band an der Seite von Ingrid Steeger. Die blonde „Klimbim“-Darstellerin spielte als tingelndes Groupie mit dem Namen „Vicky“ die weibliche Hauptrolle – und das ziemlich oft unbekleidet. „Ich glaube, die Jungs haben da damals nicht lange drüber nachgedacht. Das Angebot lag auf dem Tisch, da haben sie einfach zugesagt. Es ging ja eh damals ziemlich rund – plötzlich hatte die Band einen internationalen Plattenvertrag und bekam einen Produzenten an die Seite gestellt, der schon mit Genesis im Studio war.
Plötzlich konnten sie bei Dieter Dierks aufnehmen.“ Neben Balder waren es immer wieder legendäre Typen, die das Band-Ensemble von Birth Control prägten, neben Bassmann Horst Stachelhaus ist das vor allem der singende Schlagzeuger Bernd „Nossi“ Noske, der die Band von 1969 bis zu seinem Tod im Jahr 2014 entscheidend geprägt hatte. „Der Nossi war wirklich ein echter Witzbold und Spaßvogel. Es war wirklich eine tolle Zeit mit ihm, da haben wir sehr viel gelacht.“ Schaut man auf den aktuellen Tourplan von Birth Control, tauchen da auch immer wieder Kleinstädte wie Garbsen, Dorsten oder Villingen-Schwenningen auf. Ob es mehr Spaß macht, in der Provinz zu spielen, als in den Großstädten? Martin überlegt kurz und antwortet dann: „Es ist total schön! In den kleineren Städten hast du ein total lebhaftes und interessiertes Publikum.“ Und das hat eine Band wie Birth Control auch wirklich verdient.