Die Rock‘n‘Roll-Punks steuern in die Sci-Fi-Electro-Rock-„Genusszone“
Nachdem die Indie-Gitarrenkultur den Selbstzerstörungsknopf gedrückt hatte, setzte ein hysterischer Run auf die elektronischen Rettungskapseln ein. Wo andere Bands zynische Versuche unternahmen, sich mit Synthpop oder Disco neu zu erfinden, ist dieses fünfte Album der Truppe um Frontmann Justin Hayward-Young wesentlich geschickte konzipiert, um eine Hörerschaft für sich zu gewinnen, die zuvor wenig mit den Vaccines anfangen konnte. Ihre elektronische Wiedergeburt ist in Love City angesiedelt, einer futuristischen Neon-Dystopie aus verbotener Liebe, Skandal und Reue, die vermutlich auf den Irrungen und Wirrungen des unlängst zurückgetretenen britischen Gesundheitsministers Matt Hancock basiert. In dieser verruchten, gesetzlosen Metropole träumen Humanoide von Affären im Jenseits (›Paranormal Romance‹), Sexbots überprüfen die Papiere ihrer Kunden in der „Genusszone“ (›Back In Love City‹) und revolutionäre Auftragskiller streifen durch die ›People‘s Republic Of Desire‹.
Die ganze Zeit düsen dabei Disco-Beats, Synthie-Bläser und balearisches Knistern auf Hoverbahnen entlang, beritten von einem gigantischen holografischen Freddie Cowan, der eine digitalisierte Rekonstruktion einer Surfgitarre aus den 50er-Jahren spielt. Der Liebesbrief an alles Amerikanische in ›Heart Land‹ bringt uns dann wieder auf die Erde zurück, und einige der besten Tricks hier sind von Muse „inspiriert“ – auf ›Wanderlust‹ trifft Spaghetti-Western auf Sci-Fi-Fuzz-Metal, ›Bandit‹ ist Androiden-Disco in Reinkultur und ›XCT‹ will wie Mozart klingen, der sich am Cyberpunk des 25. Jahrhunderts versucht. Mit dem mechanisierten Uptempo-Knaller ›Jump Off The Top‹ und dem hervorragenden Abschluss ›Pink Waster Pistols‹ zeigen die Vaccines schließlich endgültig, dass ihr Retro-Rock‘n‘Roll bestens geeignet ist für dieses Upgrade der nächsten Generation.
8 von 10 Punkten
The Vaccines, Back In Love City, SONY
Text: Mark Beaumont